11.09.2014 - Bayer 04 Leverkusen

„Als Vorsänger erlebst du ein Wechselbad der Gefühle“


Vor 25 Jahren begannen junge Fans in Leverkusen damit Ultràelemente in deutschen Stadien zu etablieren. Fasziantion Fankurve sprach mit dem langjährigen Vorsänger Andreas Eckert von den Mad Boyz über die Anfangsjahre und die Unterschiede zu heute. Ein Stück deutscher Ultràgeschichte!


Faszination Fankurve: Wie kam es im August 1989 zu Gründung der Soccer Boyz?
Andreas Eckert: Im Prinzip waren wir bei der Gründung ein ganz normaler Bayer 04-(Nachwuchs-)Fanclub - seinerzeit übrigens einer der ersten dreißig von heute weit über dreihundert – mit aber damals schon durchaus differenzierter Interessenlage. Was uns jedoch verband: Jeder von uns war schon von kleinauf zusammen mit Vater, Opa oder Onkel zum Fußball gegangen und erlebte teilweise sogar noch Zweitligaspiele im Haberland mit, als man noch auf matschigen Stufen und vom Spielfeld getrennt durch eine Aschenbahn dem SVB zujubelte. Wenn der Vater mal nicht konnte und die drei Mark für den Eintritt lieber gespart werden sollten, schaute man die ersten Minuten noch auf Bäumen sitzend hinter der alten Südkurve und wartete, bis die Ordner einen später dann umsonst ins Stadion ließen und die Tore öffneten. Heutzutage alles undenkbar.
Doch irgendwann im jungen Teenageralter wollte man dann doch ein echter Bestandteil der Fangemeinschaft werden und so gründeten wir 1989 eben jenen Fanclub, mit dem dann alles seinen Anfang nahm.

Faszination Fankurve: Wo habt Ihr damals hingeschaut bzw. an was habt ihr Euch orientiert?
Eckert: Wie bereits erwähnt, kann man unsere Interessenschwerpunkte der Anfangszeit als unterschiedlich betrachten. Während sich die einen von den vorhandenen Strukturen begeistern ließen und Hools oder andere eben auch Kutten nacheifern wollten, reichte mir persönlich das nie. Wobei ich zugeben muss, dass ich mir sogar auch mal eine Kutte angefertigt hatte, diese aber nie getragen habe – so jetzt ist es raus. Klar hatten vor allem schlagfertige Fanclubs wie die „Schwarzen Wölfe“ eine gewisse Strahlkraft – der Fußball und das drumherum unterlagen ja generell einer härteren Gangart und auch einer Spur mehr „Ruchlosigkeit“ als heute – aber das Kurvenspektakel aus den südlichen Ländern wie Italien und dem damaligen Jugoslawien mit den Fahnenmeeren und Pyroaktionen haben mich persönlich schon damals in den Bann gezogen. Sowas wollte ich auch in Leverkusen und in Deutschland haben. Und zum Glück sahen das einige meiner Mitstreiter genauso und wir fingen schon sehr früh an, diesem Stil nachzueifern.


Faszination Fankurve: War Euch das Wort „Ultrà“ damals ein Begriff?
Eckert: Ein Begriff war es sehr wohl und wir wollten auch so sein, wie die „Vorbilder“ aus den Kurven südlich der Alpen. Aber es wäre anmaßend zu behaupten, wir seien als große Ultras in die raue Fanwelt vorgeprescht und hätten einen leichten Weg gehabt. Dies war ganz sicherlich nicht der Fall. Gründen sich heute neue Fanclubs, müssen sich die Jungs und Mädels innerhalb der Fanszene behaupten. Wir mussten damals sogar einen komplett neuen Stil durchboxen – und dies ist in Teilen wortwörtlich zu nehmen. Denn geschuldet der Tatsache, dass man sich natürlich auch in Sachen Kleidungsstil vom „normalen Fan“ unterschied und in bester Italomanier die Bomberjacke spazieren trug, brachte einen hin und wieder in die Bredouille sich im zarten Alter von fünfzehn, sechzehn Jahren mit vernarbten Althools messen zu müssen. Verstärkt wurde dieser Effekt noch durch die Tatsache, dass man auch von den eigenen „Alten“ gerne mal vorgeschickt wurde und sich beweisen musste. Jene wunderten sich dann später nach dem Motto „Der hat sich doch gerade noch mit uns geboxt, warum schwenkt der jetzt im Stadion ein Fähnchen und steht nicht mit uns am Bierstand?!“. Cool hingegen fanden es irgendwie immer alle, wenn wir mal wieder ne Pyroaktion hinlegten – im Übrigen ganz ungezwungen mitten im Block oder unten am Zaun ohne Vermummung. Von den Ordnern kam dann meist nur so was wie „…aber nicht auf den Platz werfen.“.

Faszination Fankurve:Wann fanden Elemente wie Doppelhalter, Megafon und Spruchbänder den Weg auf die Tribünen im Ulrich Haberland Stadion?
Eckert: Mir hat es wie geschildert nie gereicht, einfach nur die vorhandene Kuttenkultur nachzuleben oder sich alternativ der alteingesessenen Hoolfraktion anzuschließen. Wir bewegten uns zwar gerne in deren Dunstkreis, aber wollten einfach noch etwas anderes. Die Leverkusener Fanszene hatte seinerzeit auf der einen Seite zwar einen ganz guten Ruf durch die genannte Schlagfertigkeit der „Schwarzen Wölfe“ oder halt auch durch so Clubs wie den „Rheinterror“, die „Savage Squad Boys“ oder die heute in neuen Strukturen wieder auflebende „Lev-Szene `86“, galt aber sonst auch aufgrund der fehlenden Masse eher als graue Maus. Es mussten also irgendwie Farbe und neue Elemente in die Kurve. Die ersten Doppelhalter zeugten zwar nicht von künstlerischer Qualität, brachten aber eben jenen neuen Stil mit sich. Viele schauten zwar verdutzt was denn ein Homer Simpson mit Bayer 04 zu tun haben soll, aber das war nun mal der typische Comic-Stil der Anfangszeit – die Älteren werden sich schmunzelnd zurückerinnern.
Die ersten Spruchbänder waren schon sehr an jenes pathetische Vokabular angelehnt, welches man seinerzeit gerne in Italien zum Besten gab. Glorifizierungen und Übertreibungen konnte man da lesen, wenn der Gegner „in der Hölle von Leverkusen“ begrüßt wurde. Von Hölle war man natürlich meilenweit entfernt, wenn sich 12.000 Zuschauer ins Haberland verirrten.

Faszination Fankurve: Wann und wie bist du zu deiner Rolle als Vorsänger gekommen?
Eckert: …mehr oder weniger beiläufig. So eine „Position“ gab es in der damaligen Fanstruktur ja in der heute bekannten Form gar nicht. Klar stellten sich hin und wieder auch mal Leute auf den Zaun oder Wellenbrecher und versuchten die „Masse“ anzutreiben, aber das hatte noch wenig mit dem heutigen Vorsänger-Gehabe zu tun. So waren meine Einsätze zunächst ebenfalls eher punktuell. So stellte ich mich halt auch ab und zu vor die Kurve und stimmte einfach etwas an. Als mir die Idee kam, man könnte ja vor den Gesängen, zu denen man auch mitklatschen soll, erst einmal alle Arme in die Luft zu heben und dies auch so in den Block brüllte, schlugen einem natürlich erstmal ratlose Blicke entgegen. Die einen dachten so was wie „Warum soll ich die Hände hoch heben, ist das ein Überfall?!“ und die anderen hatten Probleme das ganze mit Bier, Bratwurst und Kippe zu koordinieren. Als die Leute aber nach einigen Versuchen merkten, dass dies doch den gewünschten Effekt mit sich bringt und es tatsächlich lauter in der Kurve wurde, schlossen sich dann doch immer mehr diesen bis dato ungewohnten Ritualen an.
Ein Megafon kam übrigens erst viel später zum Einsatz. Ganz zu schweigen von einer Anlage, die wir bei der immer noch relativ geringen Fanbase anfänglich auch noch gar nicht brauchten. Später konnten wir dann aber tatsächlich einen Quantensprung erreichen, da mit dem zunehmenden sportlichen Erfolg auch immer mehr Leute ins Stadion kamen und die Ultrakultur mit der Zeit ja immer mehr Zuspruch und Akzeptanz fand.


Faszination Fankurve: Warum hast du es später nicht mehr gemacht und anschließend doch wieder ein Comeback gefeiert?
Eckert: Als Vorsänger erlebst du ein Wechselbad der Gefühle. Wenn es gut läuft, dann ist es das geilste überhaupt, wenn es scheiße läuft, bist du der letzte Arsch - zumindest fühlt man sich dann so. Du bist immer in der Pflicht, stehst immer im Mittelpunkt, im Rampenlicht. Die Kurve hört jeden Furz von dir und erwartet (zu Recht) jeden Spieltag hundertprozentigen Einsatz. Jeder hat mal Tage, wo er nicht wirklich gut drauf ist und vielleicht sogar keinen Bock auf den anstehenden Kick hat. Also Vorsänger bleibt dir aber gar nicht die Wahl, ob du heute mal nen Ruhigen machst. Das Ganze hat natürlich eine unfassbare Faszination, aber es schlaucht eben auch.
Irgendwann reifte halt in mir der Wunsch, doch wieder als „normaler Fan“ in der Kurve stehen zu wollen. Übrigens galt dabei nicht das primäre Argument, dass ich wieder mehr vom Spiel sehen wollte, denn im Gegensatz zu vielen Vorsängern heute, habe ich sehr wohl genau darauf geachtet, was gerade auf dem Platz passiert, um spielbezogen agieren zu können. Ohne diese Einstellung, hätte das in Leverkusen auch nie so funktioniert. Naja, das Thema Ultra war mittlerweile zum Selbstläufer geworden, es fand sich ein guter Nachfolger und ich nutzte die Gelegenheit zum Ausstieg, temporär zumindest.
Denn als der dann neue Vorsänger mal gesundheitsbedingt ausfiel und das wichtige Champions League-Spiel gegen Liverpool anstand, kam in mir dieses Pflichtbewusstsein hervor, dass ich die Kurve und auch die Mannschaft ja an so einem Tag nicht im Stich lassen könnte. Der Bayer war in dem Spiel letztendlich chancenlos, doch wir in der Kurve erlebten einen denkwürdigen Abend, von dem heute noch gerne gesprochen wird. Es passte einfach irgendwie alles und ich bin heute noch dankbar, dass ich ein Teil davon sein durfte. Selbst in den einschlägigen Liverpool-Foren (die Anfield Road war seinerzeit noch das Mekka der Stimmungshochburgen) überschlugen sich die Lobeshymnen auf unseren Support und die einhellige Meinung dort war, dass sie so etwas wie an diesem Abend in Leverkusen noch nie erlebt hätten. Wir sprechen hier von Liverpool… und eben unserem beschaulichen Leverkusen. Man mag es kaum glauben, wenn man selber nicht dabei gewesen ist. Ob das Ganze jetzt etwas mit mir zu tun hatte oder es auch ohne mich an diesem Tag so abgegangen wäre, ist letztendlich zweitrangig. Wir erlebten alle einen unvergesslichen Abend, das zählt.
Mit ähnlicher Demut denke ich auch gerne an das Pokalfinale 2009 zurück, als ich auch noch mal aufgrund vom DFB aufgezwungener Unpässlichkeit des aktuellen Vorsängers einspringen musste bzw. durfte. Erzählte ich vorhin noch, wie verwundert die Leute zu den Anfangszeiten waren, als sie die Aufforderung hörten, ihre Hände hochzunehmen, musste man in Berlin nur kurz ein Zeichen geben und 40.000 Arme reckten sich in den Nachthimmel des Olympiastadions – unbeschreiblich!
Bemerkenswerterweise sind es also gerade die Spiele, bei denen ich noch mal eingesprungen bin jene, die besonders in Erinnerung bleiben. Irgendwie hatte ich immer das Glück, dass gerade an diesen Tagen einfach alles wie geschmiert lief.

Faszination Fankurve: Wann wurde die erste Choreografie durchgeführt und wie wurde diese damals geplant?
Eckert: Die ersten großen Choreos im Haberland gab es im Jahre 1996, also doch erst einige Jahre nachdem wir den Grundstein gelegt hatten. Dies lag natürlich auch daran, dass man diesen neuen Stil erst einmal etablieren musste. Denn so eine Choreo will ja auch finanziert werden und wenn man Ende der 80er Leute angesprochen hätte, mit der Bitte Geld zu spenden, um Papiertafeln hochzuhalten, hätten die uns nen Vogel gezeigt und die Intention gar nicht verstanden.
So zogen wir 1996 stilecht in Italien bestellte und durch Spenden finanzierte schwarzrote Folienbahnen in der Kurve hoch. Ganz simpel und doch mit einem schicken Effekt. Ein Dankeschön an Markus Münch, der uns am letzten Spieltag der Vorsaison im denkwürdigen Abstiegsendspiel mit seinem Tor gegen Kaiserslautern vor der Zweitklassigkeit bewahrte, rundete das Bild ab. Kurz darauf folgten dann die ersten großen Papptafelbilder im Haberland. Die Fanszene fand Gefallen an den bunten Kurvenbildern und so konnte man auf einem Fanclubmeeting seinerzeit mit großer Mehrheit beschließen, dass jeder Fanclubjahreskarteninhaber fünf Mark zusätzlich in einen Choreo-Topf einzahlt, was uns die Planungen der weiteren Aktionen ungemein erleichterte.

Faszination Fankurve: Warum kam es zur Abspaltung von Madness?
Eckert: Das hört sich jetzt staatstragender an, als es eigentlich war. Wir waren eine Gruppe Jugendlicher und einige fanden halt den Namen „Soccer Boyz“ nicht „ultra“ genug, womit sie natürlich im Nachhinein ganz klar Recht hatten. Heute stellen sich einem beim amerikanisierten Begriff „Soccer“ die Nackenhaare hoch Das ist ähnlich, als wenn man als Rheinländer mit dem Wort „Fasching“ konfrontiert wird. Naja, damals war es ok. Aber so entstand kurze Zeit nach Gründung der „Soccer Boyz“ eben jener Fanclub „Madness“, der aber mehr Parallelen als Gegensätze aufwies. So war es nur eine Frage der Zeit, bis man sich doch wieder vereinte. Zwischenzeitlich schwirrte ja auch noch die Bezeichnung „Commando Ultra“ umher, die das Synonym für unseren jungen Haufen war.

Faszination Fankurve: Was waren 1994 die Gründe für die Gründung der Mad Boyz?
Eckert: Gründung würde ich es aufgrund der beschriebenen Gegebenheiten gar nicht nennen. Vielmehr war es eine offizielle Wiedervereinigung bzw. namentliche Bündelung eh schon vorhandener Strukturen. So ist für mich unser Gründungsjahr ganz klar 1989. Alles andere waren nachträgliche „Korrekturen von Jugendsünden“.
Aber es stimmt schon, dass Anfang der 90er die Zeit war, wo wir so richtig durchstarteten. Ultra nahm in Deutschland seinen Lauf und wir hatten eben einen Vorsprung. Man muss natürlich zugeben, dass diesen anderen Szenen schnell aufholten, aber wir haben uns gerade in diesen Jahren unter Berücksichtigung der Gegebenheiten einer kleinen Stadt mit immer noch vergleichbar geringem Fanpotential gut geschlagen und hier und da für Aufmerksamkeit gesorgt.


Faszination Fankurve: Wie gestaltete sich der Austausch mit anderen Ultras in Deutschland, als die Bewegung in unseren Breitengeraden langsam aufkam?
Eckert: Im Gegensatz zu heute war nicht jede andere Ultragruppe gleich als Todfeind angesehen. Natürlich gab es einen klar definierten Kreis an ernsthaften Rivalen, aber vielen Gruppen stand man damals noch durchaus neutral gegenüber und so war es auch deutlich leichter, sich hin und wieder mal konstruktiv auszutauschen. Die Älteren werden sich beispielsweise an das mehrfach organisierte „Ultras Feschd“ erinnern. Heutzutage wäre es doch undenkbar, dass sich so viele Gruppen zum gemeinsamen Feiern versammeln. Ich glaube es lag einfach daran, dass die Gruppen früher sich erst einmal selber finden und um ihre eigene (Vormacht)Stellung innerhalb der eigenen Szene kämpfen mussten und somit auch einfach mal froh waren, sich mit Gleichgesinnten austauschen zu können.
Kontakte zu Mitgliedern fremder Ultras-Gruppen war auch an Spieltagen nichts Außergewöhnliches. Lief man sich zufällig über den Weg, entschied sich oft im Bruchteil einer Sekunde, ob es nun knallt oder man zusammen ein Bier trinkt.
Aber es gab nicht nur zufällige Kontakte. Bei vielen Spielen schaute man mal an der anderen Kurve vorbei und quatschte mit bekannten Gesichtern. Die Älteren bringe ich sicherlich auch noch zum Schmunzeln, wenn ich den Begriff „Collagen Tauschen“ in den Raum werfe.

Faszination Fankurve: Die Mad Boyz gibt es bis heute. Wie seid ihr in Ultras Leverkusen und der Nordkurve integriert?
Eckert: Richtig, so schnell werdet ihr uns auch nicht los. Wir sind in der Struktur der Ultras Leverkusen ebenso eingebunden, wie in sämtlichen anderen Fangremien in Leverkusen. Zwar sind nicht mehr alle Mad Boyz auch aktive UL-Mitglieder, aber man bewegt sich natürlich im gleichen Fahrwasser. Die Ultras Leverkusen waren ja über eine längere Zeit ein Sammelbecken Ultra-Interessierter und von Leuten, die sich eben jenem Fan- und ja auch Lebensstil verschrieben haben. Seit einigen Jahren weist die Gruppe aber ein sehr restriktives Mitgliedersystem auf, so dass selbst Alteingesessene nur dann Voll-Mitglied bleiben können, wenn sie die erwartet hohe Aktivität auch aktuell mit einbringen. Sich auf alten Lorbeeren auszuruhen oder sich auf das Erzählen alter vermeidlicher Heldentaten zu beschränken, reicht da nicht aus. So gibt es schon noch einen Kern von Leuten, die auch in unserem fortgeschrittenen Alter noch absolut aktiv in jeglicher Richtung sind, wohingegen andere die Ambitionen auf eine aktive UL-Mitgliedschaft doch nicht mehr mit vollem Nachdruck verfolgen.
Darüber hinaus bringe speziell ich mich als Vorstand des vereinsunabhängigen Dachverbandes „Nordkurve12 e.V.“ in die Fanarbeit ein, was mindestens genauso hohe Kraftanstrengungen erfordert wie das Leben als ordinärer Ultra. Fast 2.000 Mitglieder – was für Leverkusen ein grandioser Wert ist – wollen betreut werden, der durchweg ehrenamtliche Betrieb des „Stadioneck“ verschlingt Zeit und Energie und auch sämtliche weitere Aktionen und fanpolitische Arbeit sorgen für einen vollen Terminkalender. Die restlichen paar Prozent freier Ressourcen werden dann noch mit der Aktivität im Fanbeirat gefüllt. Dieses offizielle Gremium wird von der Masse der Bayer-Fans gewählt und steht im direkten Austausch mit dem Verein auf allen Ebenen. Es wird also nie langweilig.

Faszination Fankurve: Wie ist die Struktur der Mad Boyz heute?
Eckert: Heute kann man uns wohl am besten als „langjährigen Freundeskreis mit paraultramanistischen Interessen“ bezeichnen. In der heutigen Konstellation sind wir mit wenigen Ausnahmen seit einer gefühlten Ewigkeit beisammen. Viele gehen auf die vierzig zu oder haben diese Grenze bereits überschritten. Klar ist, dass in diesem Alter nicht mehr jeder zu jedem Spiel fährt, auch wenn es Ausreißer nach oben gibt. Ich selber habe z.B. vor kurzem noch drei 34er in Folge gemacht und auch in den letzten 15 Jahren nur drei Europacupspiele verpasst. Ganz so intensiv leben das zwar nicht mehr alle in unserem Club, aber es gibt durchaus noch einen Kern von Leuten, die dem Fandasein und der Ultramanie immer noch einen sehr hohen Stellenwert in ihrem Leben einräumen.


Faszination Fankurve: Was unterscheidet die Ultras bei Bayer Anfang der Neunzigerjahre von den heutigen Ultras?
Eckert: Früher war definitiv nicht alles besser, aber in jedem Fall ungezwungener. Man nahm nicht alles so ernst wie heute und konnte sich auch selber mal auf die Schippe nehmen. Witz und Ironie spielten noch eine größere Rolle als heutzutage und gezwungenermaßen natürlich auch Kreativität. Und wie ich bereits erwähnte, konnte man auch mit Leuten anderer Vereine seinen Spaß haben. Gerade auf Länderspielreisen lernte man immer mal wieder coole Leute kennen.

Faszination Fankurve: Gibt es heutige Entwicklungen in der deutschen Ultràszene, die du kritisch siehst?
Eckert: Heutzutage sind die Ultragruppen viel strukturierter und durchorganisierter. Da ich generell ein penibler Mensch bin, finde ich diesen Teil der Entwicklung durchaus positiv. Es darf aber halt auch nicht überhand nehmen. Eine gewisse Disziplin ist in so einer Gruppe unabdingbar, aber wenn irgendwann der Spaß zu kurz kommt, sollte man sich schon Gedanken machen.
Mich persönlich nervt es darüber hinaus, wenn Ultras die Kurven in einem übertriebenen Maße als Bühne nutzen. Klar hat Ultra auch ein Stückweit mit Selbstinszenierung zu tun. Jeder will sich bestmöglich darstellen. Logisch, dass eine schöne Choreo den Verein und/oder die Gruppe huldigt und nicht dafür sorgt, dass ein Spieler schneller läuft. Das ist ja auch alles ok, dennoch muss es auch hier Grenzen geben. Denn alles, was thematisch auf einmal nichts mehr mit Stadt, Verein oder Fußball zu tun hat, hat für mich persönlich dort nichts zu suchen. Politische Profilneurose kann man woanders ausleben, so zumindest meine Meinung. Auch wir hatten schon Spruchbänder, die in eine solche Richtung gehen, aber es gibt ja Gruppen, die sich mittlerweile augenscheinlich nur noch über so was definieren.
Generell würde ich mir einfach wünschen, dass der Fußball wieder absolute Priorität erlangt. Einige scheinen vergessen zu haben, worauf es eigentlich ankommt und wofür wir das Ganze tun. (Fasziantion Fankurve, 11.09.2014)


Fanfotos Bayer 04 Leverkusen




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