30.03.2010 - Österreich

Auch die Exekutive ist mit dem Pyrogesetz nicht zufrieden


Seit Januar treten unter dem Namen „Pyrotechnik ist kein Verbrechen“ (PikV) erstmals fast alle Fanszenen Österreichs gemeinsam gegen das neue Pyrogesetz an. Faszination Fankurve sprach mit den Initiatoren des Aktionsbündnisses.

Faszination Fankurve:Im vergangenen Jahr sprach Faszination Fankurve noch mit fast allen österreichischen Fanszenen einzeln über das bevorstehende neue Pyrogesetz. Wie kam es zu der neuen Initiative „Pyrotechnik ist kein Verbrechen“, wer brachte den Stein ins Rollen?

PikV:Man merkte bereits während der Herbstsaison, dass sich in dieser Thematik alle Fanszenen einig sind. Ohne eine szeneübergreifende Aktion sah man keinerlei Chance hier tatsächlich etwas zu erreichen. Der Zusammenhalt für die gemeinsame Sache stellte für die österreichischen Fangruppen die einzige Möglichkeit dar, um tatsächlich etwas zu bewirken.

Jeder in der Szene spürte, dass etwas passieren muss. Der letzte Anstoß ging von Rapid’s Kurve aus. Es wurde aber von Beginn an Wert darauf gelegt, alle relevanten Szenen in die Initiative einzubinden.

Faszination Fankurve:Was sind die grundsätzlichen Ziele Eurer Initiative beziehungsweise für was setzt Ihr Euch ein?

PikV:Unser Minimalziel ist es, den Stadiongängern und Sportfans eine Möglichkeit zu bieten, um sich ein eigenes Bild zu diesem Thema zu machen. Das von den Medien und Politik gezeichnete Bild wird von uns so nicht hingenommen. Die Bevölkerung soll für dieses Thema sensibilisiert werden. Natürlich ist unser größtes Ziel, eine Legalisierung von Pyrotechnik zu erreichen. Ein kontrollierter und verantwortungsvoller Gebrauch von Pyrotechnik soll und darf nicht kriminalisiert werden.

Faszination Fankurve:Pyrotechnik war aber vor der Gesetzesänderung auch nicht wirklich legal in Österreich, oder?

PikV:Pyrotechnik in Fußballstadion war auch vor der Gesetzesnovelle verboten. Die Kurven des Landes wussten über das Risiko erwischt und bestraft zu werden Bescheid. Die Strafen stellten ein mehr oder weniger kalkulierbares Risiko dar, welches viele auf sich nahmen, um ihre Leidenschaft auszuleben. In den meisten Kurven wurde hier bereits seit Jahren darauf Wert gelegt, verantwortungsbewusst mit dem verwendeten Material umzugehen. Wir können daher auch behaupten, dass die meisten österreichischen Kurve schon lange auf einen verantwortungsvollen Umgang mit Pyrotechnik setzen und nicht erst seit dem neuem Gesetzesbeschluss ein verändertes Verhalten an den Tag legen. Insgeheim hofften viele immer noch auf eine Legalisierung von Pyrotechnik.

Es wurde aber verabsäumt bereits früher offensiv dafür einzutreten, was sicher daran lag, dass es sich jede Kurve irgendwie „eingerichtet“ hat. Innsbruck z.B. hatte eine Ausnahmeregelung der Stadt, Rapid und Sturm hatten „Gentlemen Agreements“ mit den Vereinen. Nachdem es nie Probleme gab, haben sich alle mit der damaligen Situation abgefunden und waren eigentlich zufrieden.

Faszination Fankurve:Im Februar war in Wien eine Konferenz zum Thema Ultras. Auf Eurer Seite konnte man nachlesen, dass Ihr anscheinend nicht eingeladen wurdet. War das eine große Enttäuschung für Euch?

PikV:Keiner in der österreichischen Fanszene war überrascht oder gar enttäuscht, dass niemand eingeladen wurde. Da seitens der Verantwortlichen bisher noch nie eine Bereitschaft bestand den Dialog mit den Fans zu führen, rechnete auch diesmal niemand damit.

Es stößt uns natürlich sauer auf, wenn auf derartigen Konferenzen dann über einen Dialog auf Augenhöhe gesprochen wird. Vor allem die österreichischen Vertreter des BMI ließen mit Falschmeldungen und Unwahrheiten aufhorchen. Derartige Dinge stärken natürlich nicht unbedingt das Vertrauen und können von Seiten der Fans auch nicht einfach so hingenommen werden.

Faszination Fankurve:Wurden das neue Gesetz denn schon einmal in die Tat umgesetzt und bei einem Fan angewandt?

PikV:In den ersten Runden der Bundesliga traten vermehrt zivile Beamten in den Fanblocks in Erscheinung. Es wurden dabei auch einige Leute angezeigt, denen Aktionen mit Pyrotechnik vorgeworfen werden. Man muss aber auch in aller Deutlichkeit sagen, dass auch die Exekutive mit dem Gesetz nicht sonderlich glücklich ist und durchaus einige Stimmen vernommen wurden, welche sich eine andere Lösung wünschen würden.

Faszination Fankurve:Medial bekommt die Initiative „Pyrotechnik ist kein Verbrechen“ immer wieder Prominente Unterstützung. Wie war bisher das Feedback auf Eure Arbeit?

PikV:Jeder weiß, dass Pyrotechnik oftmals zur großartigen Stimmung bei österreichischen Sportveranstaltungen beigetragen hat und dies auch immer noch tut.

Es freut uns natürlich ganz besonders, dass sich viele Sportler positiv darüber äußern. Sie soll es pushen. Ihnen soll die leidenschaftliche Atmosphäre Kraft geben. Wenn man die Bestätigung dafür bekommt, dass das Licht unserer Fackeln den Mannschaften und Sportlern Antrieb gibt, weiß man, dass es nicht gänzlich falsch sein kann was man tut.

Generell findet die Initiative fast überall Zustimmung. Das gibt natürlich Kraft und lässt uns die Hoffnung auf eine Legalisierung nicht verlieren.

In den Medien war unsere Kampagne bisher nur ein Randthema. Es gab abgesehen von fannahen Medien so gut wie keine Berichterstattung über unsere Aktion. Die Bitte von Bundesliga-Vorstand Georg Pangl wurde beinahe gänzlich eingehalten. Dieser hatte sich zu Beginn der Frühjahrssaison an die Medienvertreter gewandt und sie gebeten, nicht positiv über Pyrotechnik zu berichten, um so den „asozialen Trittbrettfahrern“ keine Plattform zu bieten.

Das gibt uns natürlich die Bestätigung, dass es der richtige Schritt war mit unserer Homepage auch eine alternative Informationsquelle anzubieten.

Faszination Fankurve:Unfälle wie in Bochum, als sich mehrere Personen beim Abbrennen von Pyrotechnik zum Teil schwer verletzten oder als in Mattersburg eine Bengalfackel auf den Platz flog, spielen Euch nicht wirklich in die Hände, oder?

PikV:Natürlich nehmen wir solche Dinge nicht gerade positiv auf. Über unseren Kampf für eine Legalisierung findet man bisher in etwa 20 Medienberichten eine Erwähnung. Über die Vorfälle in Bochum waren es innerhalb kürzester Zeit mehrere hundert.

Fackeln die am Feld landen verurteilen wir klarerweise, da sie nicht im Einklang von einem kontrollierten Umgang mit Pyrotechnik stehen. Ähnlich wie bei der Problematik der Knallkörper ist es die Aufgabe jeder Kurve bzw. der führenden Gruppen, dies zu unterbinden.

Faszination Fankurve:Wie geht Ihr mit solchen Unfällen, wie bei den obigen Beispielen, um?

PikV:In erster Linie gilt den Verletzten und deren Angehörigen unser großes Mitgefühl. Wir wünschen allen Verletzten eine gute Besserung und hoffen, dass sie bald wieder gesund und ohne Schmerzen bei ihren Freunden in der Kurve sein können.

Wir hoffen allerdings, dass durch diesen Vorfall in Bochum jedem klar wurde, dass Bengalenpulver im Stadion nicht kontrolliert einsetzbar ist. Jeder sollte die Wirkungen vom verwendeten Material kennen und muss sich der Auswirkungen in einem Stadion bewusst sein.

Der Zuschauerraum ist kein Ort um pyrotechnische Materialien auszuprobieren. Es gibt eine Vielzahl von pyrotechnischen Gegenständen, die ohne große Gefahr im Zuschauerraum abgebrannt werden können. Pulver, das auf dem Boden angezündet wird, gehört unserer Auffassung und Erfahrung nach nicht dazu.

Ein großes Problem hierbei ist unserer Meinung nach das absolute Verbot. Wären Fackeln erlaubt, würde niemand mit diesem Pulver oder ähnlichem experimentieren.

Die Vorkommnisse sind nicht schön zu reden, wir sehen aber in den verhängten Sanktionen keine wirksame Maßnahme, um solche Unfälle dauerhaft zu verhindern. Feuer wird immer einen Reiz darstellen, ein Gefahrenpotential wird daher immer bestehen. Dieses Risiko lässt sich unserer Ansicht nach nur durch Selbstregulierung in den Kurven eindämmen. Bei einem kontrollierten Abrennen von Pyro, bei welchem man nicht mit dem Vermummen und „nicht erwischt werden“ beschäftigt ist, sind Verletzungen beinahe gänzlich auszuschließen. Den Fans muss das Recht eingeräumt werden, selbst Verantwortung zu übernehmen.

Faszination Fankurve:Gab es seit der Gründung von „Pyrotechnik ist kein Verbrechen“ denn jemals einen Versuch von Seiten der Politik, sich mit Euch an einen Tisch zu setzen und das Problem zu bereden? Schließlich wurde vom Innenministerium immer betont, die Fans hätten bei der Erarbeitung des neuen Gesetzes mitgeholfen.

PikV:Nein, gab es bislang nicht.

Faszination Fankurve:Wie kann man Euch unterstützen?

PikV:Es gibt die Möglichkeit sich auf der Homepage www.pyrotechnik-ist-kein-verbrechen.at in unsere Unterstützerliste einzutragen.

Man kann uns natürlich auch dadurch unterstützen, dass man unsere Initiative und vor allem die Ziele unsere Kampagne bekannter macht.

Faszination Fankurve:Wir die vereinsübergreifende Arbeit, die Ihr mit der Initiative betreibt, sich eventuell bald auszahlen und auch bei anderen landesweiten Fanbelangen einsetzen oder ist das noch ferne Zukunftsmusik?

PikV:Wir haben klare Ziele von welchen wir nicht abweichen wollen. Inwieweit uns diese Initiative bei zukünftigen Problemen nützlich sein kann wird sich zeigen. Die Repression gegenüber den Kurven wird immer stärker und es wird sicher kein Nachteil sein, wenn diese Kampagne zu einer besseren Vernetzung zwischen den teilweise sehr stark rivalisierenden Fangruppen beiträgt.

Momentan liegt die Priorität aber ganz klar bei der Pyrothematik. (Faszination Fankurve, 30.03.2010)

Fanfotos Österreich






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