14.06.2014 - Bayer 04 Leverkusen

„Ultras regulieren sich selbst“


Faszination Fankurve sprach mit Stefan Thomé vom Fanprojekt Leverkusen über junge Fans, die sich nach DFB-Strafen, die auf sie umgelegt wurden, verschulden mussten. Thomé äußert sich außerdem zum Thema Selbstregulierung bei Ultras.

Faszination Fankurve: Oftmals wird von Außenstehenden wahrgenommen, dass der Kontakt zwischen Verein und der Fanszene immer problematischer wird bzw. zum Teil nicht mehr existent ist. Wie sehen Sie als Vermittler das allgemein und vor allem im Hinblick auf Ihren Verein?
Stefan Thomé: Bei uns in Leverkusen wird seit Jahren - nicht zuletzt auch durch unser zutun - am guten Verhältnis zwischen Fans und Verein gearbeitet. Das klappt ziemlich gut und trägt zu einem guten Miteinander bei, wodurch mögliche Probleme erst gar nicht entstehen oder sich in ihrer Intensität im Rahmen halten. Das geschieht u.a. durch regelmäßig Gespräche und Arbeitskreise.

Faszination Fankurve: Letztes Jahr haben die Clubs der 1 bis 3. Liga Strafen in Höhe von ca. 1,7 Millionen Euro nach Fanaktionen zahlen müssen. Die Vereine reagieren unterschiedlich, immer mehr versuchen die Strafe auf die Verursacher zu übertragen. Wie stehen Sie als Fanprojekt zur Übertragung solcher Strafen und wie wirken diese auf betroffene Fans und deren Umfeld?
Thomé: Zum einen kann ich die Vereine verstehen, die hier nicht bereit sind die Strafen selbst zu übernehmen und auch auf Abschreckung setzen. Aber ich erlebe auch immer wieder welche Probleme die einzelnen (meist jungen) Fans bekommen, die sich aufgrund dessen verschulden müssen und hinten und vorne nicht mehr klar kommen.

Faszination Fankurve: Immer wieder beklagen Fanprojekte eine Unterfinanzierung. Sind Sie mir den Mitteln, die Ihnen im Moment zur Verfügung stehen zufrieden? Was würden Sie konkret mit weiteren Mitteln umsetzen?
Thomé: Wir würden gerne einen dritten Vollzeitmitarbeiter einsetzen. Die Belastung, gerade auch mit der Wochenendarbeit, fällt schon schwer ins Gewicht.

Faszination Fankurve: Die Mehrheit der Strafen hat mit dem Einsatz von Pyrotechnik zu tun. Seit Jahren ist der Einsatz von Pyro das zentrale Thema, ohne dass sich etwas bewegt. Lässt sich überhaupt eine Lösung finden?
Thomé: Nein, Pyro wird niemals erlaubt werden und es wird auch immer wieder Fans geben, die sich von der Faszination anstecken lassen. Egal ob aus Überzeugung, Protest oder einfach nur aus Lust und Laune.

Faszination Fankurve: Was waren die relevanten Fanthemen in Ihrem Verein/Fanszene in der vergangenen Saison?
Thomé: Der nicht immer zufriedenstellende Umgang mit Stadionverboten und die - zum Glück nur - wenigen Problemsituationen und Ausschreitungen bei unseren Spielen.

Faszination Fankurve: Die Ultràgruppen in Deutschland sind längst aus den Kinderschuhen gewachsen. Teilweise verfügen die Gruppen über eigene Räumlichkeiten, greifen teilweise immer weniger auf Angebote der Fanprojekte zurück. Wie steht es zu Ihrem Kontakt zu den Ultras im Moment und inwiefern haben Sie als Fanprojekt noch Einfluss auf die Ultras bei Ihrem Verein?
Thomé: In der Tat stehen die Ultras längst auf eigenen Füßen und regulieren sich selbst. Natürlich auch im Bezug auf eigene Räumlichkeiten. Das hat dazu geführt, dass unser Räume nicht mehr so intensiv wie früher besucht werden. Trotzdem wird das Fanprojekt noch als Anlaufstelle genutzt und wir werden immer noch - auch für die jüngeren und hereinwachsenden Ultras - als wichtigster Absprechpartner für die Jungs gesehen. D.h. unserer Beratungs- und Vermittlungsangebot wird immer noch rege genutzt. Das geht von privaten, über schulische Probleme bis hin zu Problemen mit Polizei, Ordnerdiensten, Stadionverboten etc. Außerdem lassen wir uns als Fanprojektler dann halt mal in den Treffpunkten der Ultras sehen.

Faszination Fankurve: In zahlreichen Fanszenen gab es in den vergangenen Jahren Übergriffe rechtsgerichteter Fans auf linksgerichtete Fans innerhalb der gleichen Fanszene. Gab es solche Vorfälle bei Ihnen auch und wie haben Sie interveniert oder versuchen Sie schon vorab präventiv aktiv zu werden?
Thomé: Wir haben in letzter Zeit diesbezüglich, bis auf ein paar unnötige Aussagen mit sensiblem politischem Hintergrund (auch gegen gegnerische Fans), kaum Probleme gehabt. Das Thema ist sensibel zu betrachten. Die gruppenspezifischen Möglichkeiten und die wuchtige Dynamik rund um das Fanleben wurden immer schon gerne genutzt um in alle Richtungen Stimmung zu machen. Schnell kann hier aus oberflächlichen Stimmungen ein tiefsitzendes Gedankengut werden. Hier heißt es gut hinzusehen und Entwicklungen Einzelner und Gruppierungen zu erkennen. Deshalb führen wir auch immer wieder präventive Maßnahmen in dem Bereich durch. Trotzdem stößt die Fanprojektarbeit da schnell an seine Grenzen, deshalb kann man von uns keine intensive und weitreichende Arbeit gegen Extremismus erwarten. Dafür gibt es andere Institutionen.


Faszination Fankurve: Das Thema Gewalt wird in den Medien häufig thematisiert. Wie würden Sie die aktuelle Lage in der Fanszene einschätzen? Kommt es häufig zu Auseinandersetzungen, Hausbesuchen, Raub von gegnerischen Fanutensilien etc.?
Thomé: Auch nicht mehr als früher. Es gibt immer ein paar Wellenbewegungen. Momentan halt wieder eine nach oben. (Faszination Fankurve, 14.06.2014)

Fanfotos Bayer 04 Leverkusen




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