24.04.2018 - Kiel/Nürnberg

19 Minuten Stimmungsboykott, Fahnenmeer & Pyro


Im Holstein-Stadion kam es gestern zum für den Aufstiegskampf äußerst wichtigen Duell zwischen Holstein Kiel und dem 1. FC Nürnberg. Die Fanszene von Holstein Kiel machte für einen Stimmungsboykott in der 1. Halbzeit mobil, weil der eigene Verein versucht eine Verbandsstrafe auf die KSV-Fans umzulegen.

Wegen des Platzsturm und der Pyroaktion der Holstein Kiel-Fans beim Heimspiel gegen den FC St. Pauli am 19. September 2017, als Holstein-Fans sich für den Diebstahl der Supside Kiel-Zaunfahne revanchieren wollten und wegen fliegender Bierbecher in Braunschweig wurde Holstein Kiel Anfang 2018 zu einer Geldstrafe in Höhe von 34.000 Euro verurteilt (Faszination Fankurve berichtete). Am 10. April 2018 erhielten deshalb fünf Holstein Kiel-Fans ein Schreiben ihres Vereins, in dem sie aufgefordert wurden, jeweils die volle Summe von 34.000 Euro an den Verein zu überweisen.


„Vor Spielbeginn nahmen Sie an einem Platzsturm durch Überspringen der Absperrung im H/1-Block teil. Dabei haben Sie unerlaubt den Stadioninnenraum betreten und sind auf das Spielfeld gelaufen. Dieser Zwischenfall wurde von der Polizei, den Sicherheitskräften, den Schiedsrichtern und den Vereinsvertretern festgehalten und dokumentiert. Die Vorkommnisse sind an den DFB weitergeleitet worden. Das DFB-Sportgericht hat unseren Verein nunmehr wegen Ihres unsportlichen Verhaltens mit einer Geldstrafe in Höhe von 34.000 € belegt. Die Geldstrafe machen wir numehr im Wege des Schadensersatzes Ihnen gegenüber geltend. Bitte überweisen Sie den Betrag in Höhe von 34.000 € innerhalb von 14 Tagen nach Zustellung dieses Schreibens“, hieß es in dem Brief von Holstein-Präsident Steffen Schneekloth und Vizepräsident Wolfgang Schwenke vom 09. April 2018 an die betroffenen Fans.

Holstein Kiel forderte somit von Fans, die während des Platzsturmes identifiziert worden sein sollen, nicht nur einen Anteil der DFB-Strafe, sondern von jedem einzelnen Fan die volle Summe. In der der DFB-Strafe wurden zudem fliegenden Bierbecher beim Auswärtsspiel in Braunschweig ebenfalls bestraft, weshalb die Platzstürmer vom St. Pauli-Spiel für Vorfälle zahlen sollten, mit denen sie nichts zu tun haben.


Die Fanszene von Holstein Kiel wollte dies nicht einfach akzeptieren und rief zunächst einen Stimmungsboykott über die komplette erste Halbzeit beim Heimspiel gegen Nürnberg aus. „Am 10. April erreichten fünf Mitglieder der aktiven Fanszene ein Schreiben der Vereinsführung des KSV Holstein. Die Personen wurden in dem Schreiben einzeln aufgefordert innerhalb von 14 Tagen jeweils eine Summe von 34.000 Euro Schadensersatz zu bezahlen. Dieser Schadensersatz soll die Kosten für die Strafe decken, die der DFB unserem Verein für die Vorfälle beim St. Pauli- und Braunschweig-Spiel auferlegt hat. Wir wollen die Vorgehensweise unseres Vereins nicht unterstützen und stellen uns entschieden gegen die Umverteilung der Vereinsstrafe auf einzelne Personen. Es ist eine Frechheit, dass jede Person, die ein Schreiben bekommen hat, aufgefordert wird eine Summe von 34.000 Euro zu zahlen. An diesen Summen können und werden Existenzen kaputt gehen, sollte der Verein darauf bestehen, dass diese gezahlt werden“, hieß es in dem Aufruf der Kieler Fanszene zum Stimmungsboykott, weshalb die Fanszene zunächst zum „45 Minuten Stimmungsboykott gegen die Umverteilung von Vereinsstrafen“ auf rief.


Weiter erklärte die Fanszene in dem Schreiben, dass Fans für Vorfälle zur Verantwortung gezogen werden, mit denen sie gar nichts zu tun haben. „Wir lassen unsere Freunde nicht im Regen stehen und werden das Abwälzen der Vereinsstrafen nicht zur Gewohnheit werden lassen. Wir halten zusammen gegen Repressionen, Willkür und geldgierige Funktionäre!“, so die Fanszene Kiel in dem Boykottaufruf weiter.

Weil es beim gestrigen Zweitligaspiel zwischen dem Tabellenzweiten aus Nürnberg und dem Dritten aus Kiel um viel ging, gab es innerhalb des Kieler Fanlagers große Diskussionen über den Stimmungsboykott. Die Fanszene Kiel machte es sich mit dem Stimmungsboykott im sehr wichtigen Spiel sicherlich nicht leicht. Am Ende dauerte der Stimmungsboykott tatsächlich nur 19 Minuten, statt die gesamte erste Halbzeit an, was ein Kompromiss gewesen sein soll. Als Gegenvorschlag zum 45 Minuten Stimmungsboykott wurde nämlich in Anlehnung an das Gründungsjahr von Holstein Kiel kurzfristig ein Stimmungsboykott über 19:00 Minuten bzw. in Erinnerung an das Meisterjahr ein 19:12 Minuten Boykott ins Spiel gebracht.

Mit Spruchbändern auf denen u.a. „34.000€?! Holstein zwingt seine Fans zur Zahlung!“ und „Verbandsstrafen hinterfragen anstatt weitertragen!“ geschrieben stand, protestierten KSV-Fans gestern im Holstein-Stadion gegen die Weitergabe der DFB-Strafe.


Der 1. FC Nürnberg brachte zum gestrigen Montagabendspiel etwa 2.000 eigene Fans mit, die vor Anpfiff ein Fahnenmeer zeigten, das von Plakaten mit den Aufschriften „Unsere Farben triumphieren seht das Rot und Schwarz“ sowie „...und wir folgen die bis ans Ende der Welt!“ untermalt wurde. Die Nürnberger Fanszene traf sich ab 16:00 Uhr am Alten Markt in Kiel, von wo aus es in einem Fanmarsch zum Stadion ging.

Die Ultràgruppe Banda di Amici zeigte zudem noch ein Spruchband gegen die fanunfreundliche Ansetzung am Montagabend: „Montag - 1400 km - Zwei Tage krank - Fick dich DFL!“, stand darauf geschrieben. Trotz der fanunfreundlichen Ansetzen zeigte die knapp 2.000 FCN-Fans, die in den Norden reisten, wie sehr die Fanszene auf den Aufstieg in die 1. Bundesliga hofft. Zudem präsentierten die mitgereisten FCN-Fans noch ihre „Die Legende muss zurück in Liga 1!“, was das Motto der Club-Fans für den diesjährigen Aufstiegskampf ist. Zudem wurde gestern im Gästeblock nach Einbruch der Dunkelheit mehrfach Pyro gezündet.


Der 1. FC Nürnberg gewann das gestrige Auswärtsspiel vor 11.874 Zuschauern mit 3:1, verteidigte so den zweiten Tabellenplatz und machte einen großen Schritt in Richtung direkten Aufstieg in die 1. Bundesliga. Der Club hat nun drei Spiele vor Saisonende fünf Punkte Vorsprung vor Kiel, die weiter auf dem Relegationsplatz stehen. (Faszination Fankurve, 24.04.2018)

So feierten FCN-Fans & Spieler den wichtigen Auswärtssieg:​