27.07.2020 - Hannover 96

„Alle oder keiner ist die Haltung der Fan-Szene“


Die Fanbetreuung von Hannover 96 hat zuletzt bei den Fanclubs die Meinung zur Wiederzulassung von Zuschauern im Niedersachsenstadion abgefragt. Die Interessengemeinschaft Unsere Kurve begrüßt die Entscheidung von Hannover 96, die eigenen Fans einzubeziehen.

Die Antwort, die die Rote Kurve an Hannover 96 geschickt hat, machte die Interessengemeinschaft öffentlich in einer Stellungnahme bekannt. Darin fragt sich die Rote Kurve, ob eine Teilöffnung der Stadien aus finanzieller Hinsicht überhaupt Vorteile für die Vereine mitbringt. Vom eigenen Verein will man die Frage beantwortet bekommen, ob mit einer Teilöffnung überhaupt Geld verdient wird. Auch zum Thema Dauerkarten hat sich die Rote Kurve in dem Statement geäußert. (Faszination Fankurve, 27.07.2020)


Faszination Fankurve dokumentiert die Stellungnahme der Roten Kurve zum „Leitfaden zur Konzepterstellung für die Wiederzulassung von Stadionbesuchern“ von Hannover 96:

In der vergangenen Woche bekamen auch wir eine Mail von der Fanbetreuung von Hannover 96. Wie auch andere Fanclubs des Vereins wurden wir nach unserer Meinung zur Wiederzulassung von Stadionbesuchern befragt. Jeder Fußballverein steht in der Eigenverantwortung, da es keine einheitliche Regelung aufgrund der individuellen Voraussetzungen der Standorte geben wird, ein individuelles Konzept zu erarbeiten und bei der Fußballliga einzureichen. Die Fanbetreuung von Hannover 96 möchte bei der Erstellung des Konzeptes die Meinung der Fans mit einbeziehen, was wir sehr begrüßen.

Nachdem wir unsere Standpunkte an die Fanbetreuung versendet haben, möchten wir diese auch Euch zugänglich machen, um eine höchst mögliche Transparenz zu schaffen. In Folge könnt ihr die Rückmeldung an die Fanbetreuung von Hannover 96, mit unseren Standpunkten, lesen.

„Alle oder keiner“ ist die Haltung der Fan-Szene, welcher auch wir uns an-schließen, was den aktiven Support während der Coronazeit im Stadion betrifft.

Für uns stellt sich bei der Ticketvergabe vor allem die Frage des „Warum das alles?“. Welchen Gewinn haben der Sport, die Mannschaft, der Verein und der Fan, bei vielen Auflagen ins Stadion zu gehen. Steht der Aufwand, den der Verein mit der Organisation eines solchen Spieltages betreiben muss, tatsächlich im Verhältnis zu dem, was man sich davon als Gewinn erhofft? Finanziell gesehen, ist das schwer vorstellbar – ein Spieltag mit mehr Ordnungskräften, erhöhter Sicherheit usw. bei deutlich weniger Zuschauern als sonst… das klingt für uns vielmehr nach einem finanziellen Minusgeschäft für den Verein.

Zum Zuschauer/Fan: Welchen Gewinn verspricht sich ein Zuschauer beim Besuch eines Spieles, zu dem er unverhältnismäßig früh anreisen, das Spiel mit großem Abstand zu anderen Zuschauern sehen muss und die Kleinigkeiten, wie das Bier und die Bratwurst, oder wenn allein der Gang zum Klo mit einem großen Aufwand verbunden sein werden, um nicht gegen die notwendigen Auflagen zu verstoßen. Ist das vorzeitige Verlassen des Spiels möglich? Wie lange muss der Fan im Stadion verweilen, bis er geordnet das Gelände verlassen kann, ohne anderen zu nah zu kommen? Und wird dann nach dem geordneten Verlassen des Stadions jeder sich selbst überlassen? Verschiebt sich das Problem der dichten Menschenmenge so nur aus dem Stadion vor die Stadiontore? Wir sehen hier wenig, was für einen Stadionbesuch – wie wir ihn uns vorstellen – sprechen würde.

Der Dritte im Bunde wäre der Verband – neben DFB und DFL. Anders als die Vereine, welche vielleicht tatsächlich auf Zuschauereinnahmen angewiesen sind, oder der Fan, der einfach Sehnsucht nach der Stadionatmosphäre und seinem Herzensverein hat, verfolgen DFB/DFL einzig kommerzielle Gedanken. Diese zielen alleine auf Profit, Vermarktung und Gewinne ab. Das ist schon an der engen Terminierung der Spieltage und des Pokalwettbewerbs zu erkennen. Rücksicht auf die Spieler wird dabei nicht genommen – im Gegenteil: Eine hohe Belastung bei wenig Regenerationszeit und Pausen ist die Realität. Die Spieler sind nur die Marionetten, die kommentarlos das befolgen sollen, was ihnen diktiert wird. Gerade wir in Hannover stehen (nach dem Tod von Robert Enke) in einer besonderen Verantwortung gegenüber den Menschen die unser Trikot tragen. Die Vermarktung und das Streben nach noch mehr Geld haben dem Fußball an sich viel abverlangt und ihn in Teilen, so wie wir ihn lieben und leben wollen, kaputt gemacht. Wir sind nicht bereit ein System zu unterstützen, welches schon lange krank und ignorant gegenüber seinen Fans ist. Reformwünsche werden nicht ernst genommen oder es wird sogar versucht, sie kleinzureden.

Sollte Hannover 96 auf die Einnahmen angewiesen sein, sollte das öffentlich kommuniziert werden, damit nachvollziehbar ist, dass Zuschauer jetzt (schon) dafür gebraucht werden. Wenn der Verein keinen finanziellen Gewinn erzielen kann oder am Ende sogar ein Minusgeschäft daraus wird, würden wir es begrüßen, wenn Hannover 96 dieses für seine Fans transparent kommuniziert und auf Zuschauer von sich aus verzichtet. Wir sprechen uns klar gegen einen Fußball mit Zuschauern aus, der am Ende für DFL und DFB nur Argumente dafür liefern soll, dass der Fußball auch ohne seine aktiven Fanszenen funktionieren würde. Fußballkultur in Europa und weltweit lebt von der Begeisterung und Kreativität der Fan-Szenen – das ist ein Kulturgut, welches es zu schützen und zu verteidigen gilt.

Am Ende ist es jedem Fan selber überlassen, ob er ein Spiel unter „Corona-Bedingungen“ besuchen will oder nicht. Wir können und wollen niemandem etwas vorschreiben; wir sehen unsere Position lediglich darin, eine Empfehlung auszusprechen und sich im Fall von Spielen unter „Corona-Bedingungen“ gut zu überlegen, wem ein solches Theater am Ende nützt. Vom Verein würden wir uns wünschen, auf den Verkauf von Dauerkarten, zumindest in der Hinrunde, zu verzichten. Die Möglichkeit einer Rückrundendauerkarte kann im Dezember, Januar neu diskutiert und neu bewertet werden. Bei der Ticketvergabe würde es uns freuen, wenn der Verein diese nicht verlost oder unter der Hand an Sponsoren verteilt. Es sei den treusten Fans Respekt geschuldet, welche sich ehrenamtlich im Verein einbringen, seit Jahren Dauerkarten besitzen und verlässlich die Mannschaft bei Auswärtsspielen unterstützen. Der Verein sollte diesen Leuten als erstes den Kauf von Tickets ermöglichen. Das Stadionerlebnis lebt mit Fans, und so sollte es auch den Treuesten als erstes ermöglicht werden, eine Kaufoption zu bekommen.

Wir wissen, dass es am Ende nur um eine Kompromisslösung geht. Bei dem zu erarbeitenden Kompromiss ist es uns wichtig, dass der Fan sein Gesicht bewahren kann und nicht nur als Kunde wahrgenommen und bewertet wird. In der angestrebten Lösung muss aus unserer Sicht klar der Vorteil für den Fan erkennbar sein – auch wenn der Vorteil erst mittelfristig eintreten wird.

Wir Fans wollen gehört und respektiert werden. Es muss bereits jetzt an die Zeit nach Corona gedacht werden, denn so wie es bisher lief, kann und soll es nicht weitergehen. Die Chance (vor allem für die Vereine), etwas zu verändern und den Fans wieder näher zu kommen, ist jetzt. Wir Fans sind diejenigen die dem Fußball besondere Atmosphäre verleihen – vergesst das nicht.

Juli 2020,

Die Rote Kurve

Fanfotos Hannover 96




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