01.08.2006 - Fan-WM 2006

Antirassistische Fan-WM 2006


Eine knappe Woche nach dem die offizielle FIFA-Weltmeisterschaft in Deutschland zu Ende gegangen war, begann im Land des frisch gebackenen Weltmeisters die alljährliche alternative Fan-WM im Zeichen des Anti-Rassismus.

Wieder trafen sich Fans aus ganz Europa und zum Teil von anderen Kontinenten um zu zeigen, dass sie Rassismus ablehnen und dass es noch immer möglich ist, Fußball ebenso ohne Pay-TV und Werbebotschaften zu zelebrieren wie ohne Rundumüberwachung durch Polizei und Videokameras. Die mittlerweile zehnten „Mondiali Antirazzisti“ fanden auch dieses Jahr im beschaulichen Montecchio Emilia zwischen Reggio Emilia und Parma statt. Nachdem es in den vergangen Jahren bereits des Öfteren zur Diskussion stand, zeichnete sich nun allerdings endgültig ab, dass das Turnier Montecchio verlassen wird, um einen neuen Veranstaltungsort zu finden. Wo genau die neue Heimat liegen soll, steht allerdings noch in den Sternen – man sucht auf Seiten der Organisatoren momentan offenbar in der Nähe von Bologna, allerdings wurde auch schon laut über eine mögliche Pause 2007 und einen dafür um so besser vorbereiteten Neustart 2008 nachgedacht.

Einfach zu groß ist die Veranstaltung mittlerweile geworden – auch 2006 wurden neue Rekorde aufgestellt: 204 teilnehmende Mannschaften allein am Fußballturnier gab es bisher noch nie. Dazu kamen im sportlichen Bereich ein bereits traditionelles Basketballturnier sowie als Novum Wettkämpfe im Volleyball und sogar im Cricket. Eine weitere Neuerung war das Dokumentarfilm-Festival in einer eigens zum Kino umgerüsteten Lagerhalle, zu dem auch die verschiedenen Teilnehmer mittels ihrer mitgebrachten Videos ihren Teil beitragen konnten. Daneben gab es natürlich auch all die gewohnten Dinge der vergangenen Jahre wie das Festzelt und die „Piazza Antirazzista“, den Ausstellungsraum für anti-rassistische Projekte, sowie Debatten und die Selbstdarstellung der Turnierteilnehmer oder die Info- und Verkaufsstände verschiedener Fangruppen und sozialer Initiativen.

Der kleine städtische „Parco Enza“ platzt mittlerweile aus allen Nähten: 7.000 Gäste an den fünf Turniertagen, von denen über 3.000 dauerhaft im Park gecampt haben, sprechen eine deutliche Sprache. Ebenso ein Blick auf die Statistik: 650 Partien in allen Sportarten, 1.000 Liter ausgeschenkter Wein, 12.000 Liter ausgeschenktes Bier und 14.000 Liter an sonstigen Getränken sowie 60.000 Portionen Pasta waren ebenfalls neue Rekordmarken. Gerade im Bereich Atmosphäre und Flair aus Fansicht, hat das Turnier jedoch etwas gelitten. Hauptursache hierfür sind wohl die tief greifenden Veränderungen des vergangenen Jahres in der italienischen Ultraszene, die ja auch die Gründerväter der antirassistischen Fan-WM hervorbrachte.

Die Auflösung verschiedenster, oftmals gerade linker oder alter-nativer Gruppen wie Brigate Neroazzure Atalanta, Ultras Unione VeneziaMestre oder Brigate Gialloblù Modena verschonte natürlich auch und gerade eine Veranstaltung wie die „Mondiali Antirazzisti“ nicht. Zwar waren die Ex-BG aus Modena noch immer zahlenmäßig und vor allem als Helfer zahlreich vertreten, aus Bergamo und Venedig jedoch z. B. nur wenige Einzelpersonen anwesend. Auch dass eine Szene wie die von Ternana dieses Jahr nur mit rund zehn Leuten vertreten war, spricht für eine gewisse Lethargie. Insgesamt trug dies dazu bei, dass sich das Turnier atmosphärisch weiter von seinen eigentlichen Ultra-Wurzeln entfernte und gerade das eigentümliche italienische Flair doch etwas verloren ging. Mehr und mehr fanfremde Gruppen erobern das Terrain für sich, wobei man jedoch sagen muss, dass der Andrang von deutschen Fangruppen weiterhin ungebrochen scheint. Prinzipiell sicher eine gute Sache, es gibt jedoch Bedenken, dass dadurch der internationale Charakter etwas verloren geht und es sorgt durchaus für erheblichen Diskussionsstoff, wenn verschiedenste Fangruppen, die während des kompletten Jahres nicht durch anti-rassistisches Engagement oder auch nur dahingehende Mindestgrundsätze innerhalb der eigenen Gruppe auffallen, dann bei den „Mondiali Antirazzisti“ am massivsten und lautesten auftreten. Die Diskussionen um den integrativen Charakter einer Veranstaltung, die allen offen stehen soll, einerseits und das Verhalten einiger, die Montecchio wohl eher als Low-Bud-get-Sommerlager für deutsche Nachwuchsultras sehen, andererseits, werden wohl andauern. (Faszination Fankurve/Christian Schulz, 01.08.2006)