03.09.2012 - Werder Bremen

Berufung im Ostkurvensaalprozess


Das Bündnis „Rechte Gewalt stoppen“ kritisiert vor Beginn der Berufung im Prozess gegen die Angreifer auf den Ostkurvensaal die Entscheidung der Richter, die die Auseinandersetzung als Konflikt zwischen Fußballfans einordnete und nach Meinung des Bündnisses die politische Dimension des Angriffes vernachlässigten.

Faszination Fankurve dokumentiert die Mitteilung des Bündnises „Rechte Gewalt stoppen“:

Berufung des Ostkurvensaalprozesses / Prozesse gegen Mitglieder der rechten Szene

Am Dienstag, den 04.09.2012 findet im Landgericht Bremen die Berufungsverhandlung zu den sog. »Ostkurvensaalprozessen« statt. Wir solidarisieren uns mit den Opfern rechter Gewalt und fordern eine entsprechende juristische Einordnung der Vorfälle. Andernfalls ist die erneute Vorladung der Opfer und Zeugen für uns nicht akzeptabel.

Im Januar 2007 überfielen Neonazis aus der Hooliganszene um die »Standarte Bremen« und den »Nordsturm Brema« (NSHB) die Geburtstagsfeier der antirassistischen Ultra-Gruppe »Racaille Verte« im Ostkurvensaal des Bremer Weserstadions. Dabei wurde eine Person schwer und mehrere Personen leicht verletzt. Begleitet wurde der Angriff von rechten Parolen. Hintergrund des Überfalls war die öffentliche Positionierung der Fangruppe gegen Rassismus und Diskriminierung. Der Angriff sollte die Fans einschüchtern und sie zur Billigung von rechten Aktivitäten im Stadion selbst und ums Stadion herum bewegen.

Unter dem Motto »Rechte Gewalt stoppen! – Schluss mit der Verharmlosung von rechter Gewalt! Schluss mit der Entpolitisierung von Prozessen!« versammelten sich im letzten Jahr rund 1.000 Demonstrant_innen vor dem Amtsgericht Bremen. Ihre Forderungen blieben ungehört und die Faschisten gingen mit dem Gericht einen Deal ein. Damit akzeptierten sie ihre Beteiligung am Überfall, ohne die Vorfälle aufzulösen. Sie mussten ein Strafgeld zahlen. Beobachter_innen berichteten von offensichtlich zu niedrigen Tagessätzen, die nicht an die realen Einkommen der Angeklagten angepasst waren.

Der anstehende Berufungsprozess wurde von den Tätern angestrengt, die über ihre tatsächliche Beteiligung hinaus verurteilt wurden. Sie versuchen, einen Freispruch zu erringen. Für die Opfer bedeutet das eine direkte Konfrontation mit den Tätern vor Gericht und im schlimmsten Fall die Freisprechung von organisierten Mittätern. Sollte das Gericht erneut von einem unpolitischen Überfall ausgehen und tatsächlich auf eine Strafe verzichten, werden die Opfer von staatlicher Seite ungeschützt weiteren Übergriffen preisgegeben. Entgegen der Ansicht des Gerichts, handelte es sich keineswegs um »szenetypische Auseinandersetzungen« und der Wunsch den »Konflikt nicht weiter zu schüren« erfüllte das damalige Urteil auch nicht.

Wir befürchten eine erneute Beurteilung in diesem Sinne. Schon im letzten Jahr ist das politische Ausmaß nicht anerkannt worden. Auch nach dem Aufdecken rechten Terrors, beispielsweise durch den »Nationalsozialistischen Untergrund« (NSU), gibt es keine Hinweise auf eine Neueinschätzung durch das Gericht. Der Vorfall liegt bereits fünf Jahre und sieben Monate in der Vergangenheit und uns sind keine weiteren Untersuchungen der Staatsanwaltschaft bekannt. Die Aktivität der organisierten Nazi-Hools hat indes nicht nachgelassen. Sie sind immer wieder im Umfeld des Stadions und auf Kundgebungen der NPD in Erscheinung getreten. Die Band »Kategorie C« des Angeklagten Hannes O. erfreut sich trotz einiger Rückschläge enormer Beliebtheit in der rechten Szene.

Die Tat war keine Schlägerei zwischen Fußballfans, sondern der Versuch rechter Hooligans, antirassistische Jugendliche einzuschüchtern. Es handelt sich also keinesfalls um eine »szenetypische« Auseinandersetzung. Dass es sich bei diesem Einschüchterungsversuch nicht um einen Einzelfall handelt, wurde der Öffentlichkeit bei den Prozessen vor dem Amtsgericht vorgeführt. Die Täter sowie weitere Angehörige der rechten Szene traten zum Teil vermummt auf und bedrohten alle restlichen anwesenden Personen. Dies wurde von dem Richter und den Sicherheitskräften nicht verhindert. Die Fußballfans haben seit langer Zeit mit dieser Bedrohungslage zu kämpfen. Rechtes Gedankengut ist ein gesellschaftliches Problem und damit auch in und um Fußballstadien herum präsent. Dafür steht exemplarisch der Angriff auf die sich antirassistisch engagierten Fans des SV Werder Bremen.

Wir lassen uns nicht einschüchtern und zeigen uns solidarisch mit den Opfern des politisch motivierten Übergriffs. Wir stellen uns gegen jede Verharmlosung und Entpolitisierung von rechter Gewalt und rechtem Gedankengut!

Szeneinterner Konflikt? Nein! – Ein gesellschaftliches Problem!

rechtegewaltstoppen.blogsport.de

Bei Fragen oder Solidaritätsbekundungen schreiben Sie eine E-Mail an folgende Adresse: RechteGewaltStoppen@gmx.de

Auf Facebook: RechteGewalt Stoppen

Für weitere Fragen rund um die Prozesse verweisen wir auf das Fan-Projekt Bremen.

Bündnis »Rechte Gewalt stoppen!«

Fanfotos Werder Bremen




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