12.10.2017 - Hannover 96

DFB spricht 177 Stadionverbote gegen Hannover 96 Fans aus


Der DFB hat 177 Stadionverbote gegen Fans von Hannover 96 ausgesprochen, die vor einem knappen Jahr zwei Tage vor dem Niedersachsen-Derby gegen Eintracht Braunschweig in Hildesheim festgenommen wurden. Die Fanhilfe Hannover kritisiert die Aussprache dieser Stadionverbote.

Die Polizei ging damals davon aus, eine Drittortauseinandersetzung zwischen Eintracht Braunschweig und Hannover 96 Fans verhindert zu haben (Faszination Fankurve berichtete), dabei wurde in Hildesheim gar kein Braunschweiger Fan angetroffen: „Zunächst ist zu kritisieren, dass es bis heute insofern keine Beweise für eine unmittelbar anstehende Auseinandersetzung gibt, als dass sich keine gegnerischen Fans in der Nähe aufhielten. Gegen die Betroffenen wurden deshalb nach Auskunft der Polizei nicht einmal Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruchs eingeleitet. Ein Großteil der 177 Personen befand sich dennoch für 48 Stunden, bis nach Ende des Spiels, in Gewahrsam. Der bis zu dreijährige Ausschluss der betroffenen Personen aus sämtlichen Partien der ersten bis zur vierten Liga ist auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit unverständlich. Die Verbote beruhen lediglich auf Vermutungen und werden im Ergebnis dennoch so bestraft wie tatsächlich bei Fußballveranstaltungen stattfindende Auseinandersetzungen. Zudem spricht gegen die Erteilung der Stadionverbote der fehlende Spieltagszusammenhang. Gemäß § 1 Absatz 1 SVRi ist Voraussetzung eines wirksamen Stadionverbots das 'sicherheitsbeeinträchtigende Auftreten im Zusammenhang mit dem Fußballsport'. Hier drängt sich die Frage auf, wieso der DFB entgegen seiner eigenen Regeln das, im Übrigen strafrechtlich nicht relevante, Verhalten von Privatpersonen beurteilt und sanktioniert. In dieser Form kann die Erteilung von Stadionverboten nur als Ersatzstrafrecht des DFB bewertet werden. Laut § 5 Absatz 1 der SVRi ist das Stadionverbot im Hinblick auf die Zwecksetzung möglichst zeitnah zu der sicherheitsbeeinträchtigenden Handlung des Betroffenen auszusprechen, wovon ein Jahr später nicht mehr gesprochen werden kann. Auch der vermeintlich präventive Charakter eines Stadionverbots geht in diesem Zeitraum völlig verloren. Grundsätzlich kann die datenschutzrechtliche Frage gestellt werden, wie der DFB, ein 'gemeinnütziger' privatrechtlicher Verein, überhaupt an entsprechende Vorkenntnisse über die Betroffenen gelangt, zudem es sich ausschließlich um gefahrenabwehrrechtliche Erkenntnisse handelt. In anderen Konstellationen wäre eine Weitergabe dieser Daten an privatrechtliche Personen oder Konstrukte undenkbar“, kritisiert die Fanhilfe Hannover die 177 Stadionverbote, die in den letzten Wochen vom DFB ausgesprochen wurden.

Das Verwaltungsgericht Hannover hatte erst im September 2017 die Klage von drei Hannover 96 Fans abgewiesen, die im November 2016 in Hildesheim festgenommen und für zwei Tage in Gewahrsam genommen wurden (Faszination Fankurve berichtete). Laut Gerichtsentscheidung seien die Ingewahrsamnahmen rechtmäßig gewesen, da hierdurch „die unmittelbar bevorstehende Begehung von Straftaten verhindert worden“ sein soll.

Die Fanhilfe Hannover glaubt, dass die Aussprache der dreistelligen Anzahl an Stadionverboten das ohnehin schon schlechte Verhältnis zwischen DFB und aktiver Fanszene weiter verschlechtern wird: „Weitere Fragen wirft die verschiedene Laufzeit der Stadionverbote innerhalb der Gruppe der nicht bereits von einem Aufenthaltsverbot betroffenen Personen auf, die sich trotz ihrer Unterschiedlichkeit nicht an polizeilichen Vorkenntnissen zu bemessen scheinen. Nach der freiheitsentziehenden Maßnahme in Form einer Langzeitingewahrsamnahme ein Jahr später eine derart einschneidende Strafe durch einen Sportverband auszusprechen, während nachweislich keine Straftaten vorlagen, kann nicht der richtige Weg sein und verschärft nur zusätzlich das Feindbild DFB und Polizei. Gerade der DFB spricht vermehrt Stadionverbote in größerer Masse auf Empfehlung der Polizei aus. Die Polizei Hannover versucht vermutlich auch in diesem Fall durch die Anregung extrem überzogener Laufzeiten die Betroffenen weiter zu gängeln und macht sich den Kampf gegen die Szene augenscheinlich zu einer persönlichen Aufgabe. Anders sind die beispiellosen Maßnahmen hier in Hannover in der Vergangenheit nicht zu erklären.“


Weil die Ingewahrsamnahmen in Hildesheim zwei Tage vor dem Niedersachsenderby in Braunschweig stattfanden, ist weder Hannover 96 noch Eintracht Braunschweig für die Aussprache von Stadionverboten zuständig. Der DFB kann auch bei Vorfällen abseits des Spieltags Stadionverbote aussprechen, was mit einem Jahr Verzögerung nun in großem Stil auch in Hannover passiert ist.

Regelmäßig gerät die Aussprache von Stadionverboten durch den DFB in die Kritik von Fans, da häufig ganze Personengruppen betroffen sind, denen keinerlei Straftaten nachgewiesen wurden. So musste der DFB beispielsweise am Anfang des Jahres die Stadionverbote von 46 Fans des Karlsruher SC wieder aufheben (Faszination Fankurve berichtete).

Die Fanhilfe Hannover prüft nun rechtlich gegen die Stadionverbote vorzugehen. Der DFB betonte in der Vergangenheit, dass Stadionverbote präventive Maßnahmen seien, die weiterhin auch vor einer Verurteilung durch ein ordentliches Gericht ausgesprochen werden. (Faszination Fankurve, 12.10.2017)

Fanfotos Hannover 96




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