30.08.2015 - 1. FC Köln

„Der Geist der 90er geht um, doch viele bleiben stumm!"


Die Ultras der Coloniacs positionierten sich beim gestrigen Heimspiel des 1. FC Köln gegen den Hamburger SV mit dem Spruchband „Der Geist der 90er geht um, doch viele bleiben stumm!" und schloßen mit der Forderung ab, dass man den Arsch hoch kriegen und die Zähne auseinander kriegen soll.

In kölschem Dialekt ist „Arsch huh, Zäng ussenander“ das Motto einer bekannten Kamapgne, die sich seit den 1990er Jahren gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit engagiert. Die Coloniacs positionierten sich damit in der aktuellen Flüchtlingsdebatte, auch mit den Worten "Keine Jeck is illejal" (Kein Narr ist illegal).

Die Coloniacs zeigten zudem ein Spruchband, das an die ehemalige Hamburger Ultràgruppe Chosen Few erinnerte. „All give some, some gave all! Ehre der CFHH" war darauf zu lesen. Die Navajos antworteten via Spruchband auf die Forderung von Polizeigewerkschafter Rainer Wendt, Kölner Fans mit lebenslangen Stadionverboten zu legen. „Rainer Wendt: Realitätssinn nicht vorhanden - Konsequenz: Lebenslanges Redeverbot!“, war auf der Tapete der Fangruppe zu lesen. "Bewährung nicht bestanden, Konsequenz: lebenslanges Stadionverbot" forderte Wendt zuvor via Sport-Bild (Faszination Fankurve berichtete).

Die Fantics Köln gedachten einem in der Sommerpause verstorbenen Fan. Über der Zaunfahne der Boyz Köln hing erstmals die Zaunfahne der befreundeten Desperados 1999 aus Dortmund und die Wilde Horde machte sich vor Spielbeginn für die eigene Sektion Stadionverbot stark. Die Bilder all dieser Aktionen gibt es oben in der Galerie. (Faszination Fankurve, 30.08.2015)

Faszination Fankurve dokumentiert die Kritik der Navajos an Rainer Wendt:

Schluss mit dem Populismus von Rainer Wendt!

In der vergangenen Woche überschlugen sich die Medien mal wieder in ihrer Berichterstattung über ein fanrelevantes Ereignis im Vorfeld des ersten Bundesligaheimspiels unseres FC. Von „Provokationen“ und einem „Handgemenge“ zwischen Kölnern und Wolfsburgern war zu lesen. Der Vorfall wurde schnell mit dem Etikett „Ausschreitungen“ versehen. Insgesamt 18 Personen wurden von der Polizei vorübergehend in Gewahrsam genommen.

Zunächst stellen wir fest, dass Provokationen in Richtung der Gästefans in Anbetracht der Rücknahme der Kollektivbestrafung durch den FC (andere mögen weiterhin von einer „Begnadigung“ sprechen) nicht besonders clever waren und sind – auch wenn die ursprüngliche Provokation nicht von Kölnern ausging. Dies betrifft in unseren Augen aber nicht nur diejenigen, die eine „zweite Chance“ erhalten haben, sondern die gesamte Fanszene des 1. FC Köln, die in diesen Zeiten im Fokus der medialen Öffentlichkeit steht.

Was den Umgang mit dem genannten Vorfall betrifft, halten wir es mit Werner Spinner: das Thema wird auch uns zu sehr aufgebauscht. Haben wir uns an die boulevardeske Berichterstattung im Allgemeinen mittlerweile gewöhnt, so sind wir doch immer wieder entsetzt über die Medienpräsenz sogenannter Experten, deren unsachliche und populistische Kommentare oftmals unkritisch von Journalisten übernommen werden und einen großen Raum in der Berichterstattung einnehmen. Wenn es um „Expertise“ zum Thema Fußballfans geht, ist Rainer Wendt für viele Medien ein beliebter Ansprechpartner. Wendt, seit 2007 Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, ist sich in seiner Position für keinen noch so populistischen Fehltritt zu schade. Die komplette Abschaffung von Stehplätzen in allen deutschen Stadien, höhere Stadionzäune, pauschale Geldstrafen für Vereine bei Ausschreitungen oder eine Einschränkung der Reisefreiheit von Fußballfans durch eine verpflichtende Anreise zum Stadion per Sonderzug sind nur einige der Forderungen, mit denen er in den letzten Jahren durch die Medien wanderte.

Auch die „Ausschreitungen“ am vergangenen Wochenende wusste Wendt zeitnah zu kommentieren. "Bewährung nicht bestanden, Konsequenz: lebenslanges Stadionverbot" zitierte ihn die Sport Bild. Wendts grenzenloser Populismus unter Missachtung rechtsstaatlicher Prinzipien empört uns zutiefst. Die Forderung nach einer Sanktion auf Lebenszeit für Personen, denen keinerlei Straftaten nachgewiesen werden können, ja, gegen die noch nicht einmal Anklage erhoben geschweige denn ein Schuldspruch gefällt wurde, ist ein Skandal. Herr Wendt beweist mit seinen Aussagen aufs Neue, dass er kein Interesse an einer sachlichen Diskussion hat, sondern vielmehr die Sehnsüchte sicherheitspolitischer Hardliner bedient. Umso unverständlicher ist es uns, dass (nicht nur) die Lokalpresse seinen Äußerungen weitgehend unkritisch folgt.

Unser Spruchband „Rainer Wendt: Realitätssinn nicht vorhanden, Konsequenz: lebenslanges Redeverbot“ steht im Kontext seines unsäglichen Zitats und ist nicht wörtlich zu verstehen. Wenn jedoch ein hoher Polizeibeamter eines Rechtsstaats seit Jahren eine law and order Politik propagiert und vorantreibt, die regelmäßig mit rechtsstaatlichen Prinzipien kollidiert, dann zweifeln wir tatsächlich an seinem Sinn für Verhältnismäßigkeit. Wir empfinden Wendts Äußerungen zum Thema Fußballfans als unsachlich, populistisch und nicht förderlich für den Austauschprozess der verschiedenen Konfliktparteien im Bereich Fankultur und fordern ihn deshalb auf, einen Beitrag zur Versachlichung zu leisten und auf weitere Zuspitzungen zu verzichten.

Was den Umgang des 1. FC Köln betrifft, begrüßen wir das aktuelle Vorgehen der Verantwortlichen. Der Verein tut gut daran, sich nicht weiter vor den Karren von Politikern und Medien spannen zu lassen, sondern anhand eigener Prinzipien zu handeln, die mitunter nicht dem entsprechen, was die Öffentlichkeit fordert. Dies gilt es auszuhalten. Insbesondere hoffen wir, dass die Verantwortlichen des 1. FC Köln auf das gescheiterte Instrument der Kollektivstrafe nicht mehr zurückgreifen und stattdessen den positiven Weg des Dialog der letzten Monate gemeinsam mit der Fanszene fortsetzen.
Vorwärts FC, immer weiter!

Fanfotos 1. FC Köln




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