14.03.2007 - Hamburger SV

„Deswegen steigt man nicht ab, aber…“


Sportlich scheint der Hamburger SV den freien Fall gestoppt zu haben. Vollkommen zufrieden über einige Vorgänge im Verein sind die Fans dennoch nicht. Wo genau der Schuh drückt, erzählt Jojo Liebnau im Interview mit Faszination Fankurve.

Jojo Liebnau ist Vize-Vorsitzender des HSV Supporters Clubs und Direttivo-Mitglied bei Chosen Few.

Faszination Fankurve: Eigentlich müsste beim HSV doch eitel Sonnenschein herrschen, oder? Sportlich läuft es schließlich wieder einigermaßen rund.

Liebnau: Wir haben hier in Hamburg seit einiger Zeit das Problem, dass die Leistung der Fans nicht ausreichend sondern bloß mangelhaft gewürdigt wird. Die Fans müssen grundsätzlich hinter den Interessen der Sponsoren, VIPs usw. zurückstehen, weil der Verein, das macht sich vornehmlich am Vorsitzenden Hoffmann fest, seine Prioritäten deutlich in diese Richtung setzt.

Faszination Fankurve: Ist ein Mittelweg zwischen Geld und Anhängern, wie bei vielen Vereinen zumindest ansatzweise praktiziert, nicht auch beim HSV mit seinen einflussreichen Fanorganisationen möglich?

Liebnau: Es gibt monatliche Treffen, die einem jedes Mal das Gefühl vermitteln ernst genommen zu werden. Danach passiert in aller Regel zu wenig bis nichts.

Faszination Fankurve: Um was für Themen dreht es sich denn?

Liebnau: Jedes Thema für sich ist sicher nicht weltbewegend. Deswegen steigt der Club nicht ab, aber diese Dinge sind dennoch für die Fanszene von Bedeutung. Momentan ist die Trikotgeschichte sehr aktuell. In der Vereinssatzung steht festgeschrieben, dass der Verein ein Heimtrikot mit weißem Hemd, roter Hose und den speziellen blauen Stutzen zu tragen hat. Darüber hinaus gibt es ein Ausweichtrikot in Blau mit schwarzer Hose und den berühmten blauen Stutzen. Eigentlich braucht doch niemand braucht ein rotes Europapokaltrikot. Auf der letzten Jahreshauptversammlung habe ich den Antrag gestellt, den Paragraphen mit der Regelung der Spielfarben ersatzlos streichen zu lassen, weil man sich sowieso nicht daran halte. Allerdings habe ich die Leute auch dazu aufgefordert, gegen diesen Vorschlag zu stimmen. Das haben sie dann auch mit riesiger Mehrheit getan. Folglich hat die Mitgliederversammlung, das höchste Gremium im Verein, für die in der Satzung festgelegten Farben votiert. Dennoch wird munter weiter in Rot gespielt. Mit der Begründung die Spieler seien wegen des Trikots abergläubisch…Ich sehe das so: Letztendlich haben die Angestellten des Vereins auf die Mitgliederversammlung zu hören – und die will satzungskonforme Kleidung in unseren Farben.

Faszination Fankurve: Ein anderes Reizthema für die Traditionalisten dürfte der Stadionname sein…

Liebnau: Zur neuen Saison läuft der Vertrag mit dem momentanen Namensgeber aus. Sicherlich müssen wir davon ausgehen, dass der Name wieder verkauft wird. Vielen geht diese Diskussion auf den Wecker: Wir gehen zum HSV und nicht in irgendeine XY-Arena, aber gegen einen Wiederverkauf wird sich nicht wirklich etwas machen lassen. Hier geht es wohl eher um die grundsätzliche Frage, ob man den Fußball weiterhin derart dem Geld unterordnen sollte. Das sieht man auch an den Kartenpreisen.

Faszination Fankurve: Womit wir schon beim nächsten Thema wären.

Liebnau: Richtig. Im Jahr 2000 hat der HSV in der Champions League gegen Juve gespielt. Die Karte kostete damals 20 Mark, heute bezahlt man auf genau demselben Platz gegen Moskau 24 Euro. Allerdings hat man so gut wie keine Möglichkeit dagegen zu argumentieren, weil das Stadion ausverkauft ist. Außerdem hat man es beim HSV mit Kritik ohnehin schwer: Gewinnt das Team, haben die Verantwortlichen alles richtig gemacht, verliert das Team, soll man sich gefälligst mit Kritik zurückhalten: Schließlich gebe es andere Probleme.

Faszination Fankurve: Ist nicht auch mal versprochen worden, dass die Stehplätze erweitert werden sollen?

Liebnau: Im Zuge des Umbaus der Nordtribüne wurden vor über zwei Jahren neue Stehplätze angekündigt. Allerdings ist diesbezüglich nichts passiert, weil man sich die fällige Million gespart hat. Die VIP-Loge und andere Umbauten wie die Büroerweiterung haben ungefähr sechs Millionen gekostet. Stehplätze waren scheinbar nicht mehr drin. Dabei sind wir diejenigen, die die Veranstaltung Fußball ausmachen. Als Fan muss man hier immer was bringen. Im Stile von „Macht doch mal wieder eine tolle Choreo!“.

Faszination Fankurve: Was hat es mit dem Fanrestaurant auf sich?

Liebnau: Das existiert nicht mehr. Im Zuge des Umbaus musste es einem Fanshop weichen. Andere Räumlichkeiten stehen am Spieltag ausschließlich VIPs zur Verfügung. Mittlerweile soll oben im Supporters-Bereich eine Ebene zum Fanrestaurant umgebaut werden. Eröffnung ist vermutlich im Sommer. Nur durch „Rumkrakeelen“ wurde das erreicht, und es ist trotzdem kein Vergleich zum ursprünglichen Fanrestaurant, weil es keinen Blick aufs Spielfeld bietet und alles in allem sicher ungemütlicher sein wird. Außerdem gab es über zehn Spiele einfach mal gar keinen Anlauf- und Treffpunkt für die Fans.

Faszination Fankurve: Am vergangenen Wochenende gab es eine große Choreo pro Raute…

Liebnau: IN DUBIO PRO RAUTE stand unter dem Vereinswappen. Das sollte zum einen unsere Verbundenheit mit dem Verein und seinem Wappen veranschaulichen, zum anderen Kritik daran äußern, dass versucht wird, am Wappen nach und nach etwas zu ändern.

Faszination Fankurve: Inwiefern?

Liebnau: Seit vielleicht zwanzig Jahren existiert ein sogenanntes Business-Logo. Vor der Raute stehen die Buchstaben HSV. Angeblich um das Produkt dem Kunden näher zu bringen. Dabei ist die Raute nun wirklich jedermann bekannt, weil sie einfach und prägnant ist. Neuerdings findet man die Raute samt Buchstaben aber auch auf Fanartikeln, Anzeigetafeln und PC-Spielen. Das Business-Logo wird auf einmal als Vereinswappen benutzt. Auch das ist nicht kriegsentscheidend, für uns aber wichtig. Allerdings kommt man mit unseren Argumenten nicht weit, weil man auf vollkommen andere Herangehensweisen und Ansätze trifft. Schließlich verkaufen sich die Dinge ja gut. (Faszination Fankurve, 13.3.2007)

Fanfotos Hamburger SV




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