21.09.2018 - Marseille/Frankfurt

Eilantrag von Eintracht-Fans scheiterte vor Gericht


Nachdem die Präfektur des Département Bouches-du-Rhône den Fans von Eintracht Frankfurt für gestern verboten hatte, die Stadt Marseille zu betreten, bzw. sich dort zu erkennen zu geben (Faszination Fankurve berichtete), wurde kurz vor Anpfiff auch der Eilantrag der Eintracht-Fans vorm Verwaltungsgericht abgelehnt.


Der Frankfurt FanClubVerband e.V., die Eintracht Frankfurt Fan- und Förderabteilung, der Nordwestkurve e.V. und die Ultras Frankfurt gaben bereits vor der Gerichtsentscheidung in Marseille bekannt, dass man gegen ein Ablehnung des Eilantrags weiter vor Gericht ziehen wolle, notfalls auch vor europäische Gericht.

Die Arbeitsgemeinschaft der Fananwälte begrüßte diese Entscheidung der Eintracht-Fans. „Es ist auch ein richtiges Zeichen, dass man – unabhängig vom kurzfristigen Ausgang des eingeleiteten Eilverfahrens beim Verwaltungsgericht Marseille – ankündigt, diese rechtliche Auseinandersetzung notfalls durch alle Instanzen bis zu europäischen Gerichten zu tragen. Dies ist offenbar notwendig, um Verbänden und Sicherheitsbehörden vor Augen zu führen, dass auch Fußballfans Menschen und Bürger mit garantierten Rechten sind, die es zu wahren und zu verteidigen gilt und die nicht einfach willkürlich eingeschränkt oder gar aufgehoben werden dürfen“, hieß dazu von Fananwälten.

Trotz Geisterspiel schafften es die Marseille-Ultas aus Playmobil ins Stadion:​


In Marseille waren gestern über den Tag vereinzelt Eintracht-Fans unterwegs, die sich größtenteils aber nicht als solche zu erkennen geben wollten. In der Stadt waren zudem zahlreiche Polizisten zu sehen, die das Stadtverbot für als Eintracht-Fans erkennbare Personen durchsetzen sollten. Auch in Nachbarorten von Marseille machten sich Schlachtenbummler aus Deutschland breit.

Vorm Stadion und in der Stadt platzierten Ultras aus Marseille Plakate gegen die UEFA:


Im Stade Vélodrome gewann die Eintracht das gestrige Geisterspiel vor leeren Rängen mit 2:1. Ocampos brachte Marseille in der dritten Minute in Führung, doch durch Tore von Torro (52. Minute) und Jovic (89. Minute) drehte die Eintracht das Spiel und holte einen 2:1 Auswärtssieg. (Faszination Fankurve, 21.09.2018)

Faszination Fankurve dokumentiert die gestrige Pressemitteilung der AG Fananwälte zum Thema:

Die Arbeitsgemeinschaft Fananwälte begrüßt gerichtliches Vorgehen gegen das Stadtverbot für Eintrachtfans in Marseille

Die Arbeitsgemeinschaft Fananwälte begrüßt, dass sich ein breites Bündnis von Frankfurter, französischen und europäischen Fanorganisationen und dem Verein Eintracht Frankfurt gebildet hat, um sich mit rechtlichen Mitteln gegen das von der Präfektur Marseille verhängte Stadtverbot für alle Anhänger von Eintracht Frankfurt zu wehren.

Allen Personen, die sich als Anhänger von Eintracht Frankfurt begreifen oder sich als solche verhalten, ist der Aufenthalt in der Stadt Marseille am heutigen Donnerstag von acht Uhr morgens bis Mitternacht untersagt. Wir haben keine Zweifel, dass diese Maßnahme rechtswidrig und insbesondere mit europäischem Recht nicht vereinbar ist. Es liegen mehrere Verstöße gegen europäisches Recht vor, u.a. und insbesondere gegen das Diskriminierungsverbot (Art. 14 EMRK) und das Recht auf Freizügigkeit.

Rechtsanwalt Marco Noli, Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Fananwälte, erklärt hierzu: „Die Freizügigkeit, auch in der Form der Bewegungsfreiheit, ist nicht nur in den EUVerträgen garantiert, sondern auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verankert. Nach Art. 2 Abs.1 Zusatzprotokoll IV zur EMRK ist wegen des erheblichen Eingriffs und der hohen Wertigkeit des Rechts auf Freizügigkeit immer eine Individualprognose des Einzelfalls erforderlich, um die Bewegungsfreiheit einzuschränken“.

An einer solchen Gefahrenprognose fehlt es hier ersichtlich. Die Präfektur von Marseille hat sich noch nicht einmal bemüht darzulegen, dass und warum von den Frankfurter Fans eine Gefahr ausgehen soll. In ihrem Antrag an das Verwaltungsgericht Marseille weisen die klagenden Fanorganisationen zu Recht darauf hin, dass es noch nie zu einem Spiel zwischen Olympique Marseille und Eintracht Frankfurt gekommen ist und es daher auch keine besondere Rivalität der Fangrupppen gibt. Es wird ferner zu Recht darauf hingewiesen, dass sich beim letzten Pflichtspiel von Eintracht Frankfurt in Frankreich 12.000 Frankfurter Fans den ganzen Tag über in Bordeaux aufgehalten haben und es nach Angaben der Polizei in Bordeaux zu keinerlei Vorkommnissen gekommen war.

Als einziges Argument für die staatliche Maßnahme wird die von der UEFA verhängte Kollektivstrafe – das Spiel zwischen Olympique Marseille und Eintracht Frankfurt muss vor komplett leeren Rängen ohne Zuschauer stattfinden – angeführt. Dies zeigt anschaulich die Problematik und die erhebliche Fragwürdigkeit derartiger durch privatrechtlich organisierte Fußballverbände willkürlich verhängter Sanktionen. Es werden nicht nur Tausende völlig unbeteiligter und unschuldiger Fußballfans durch das „Geisterspiel“ mitbestraft und um das Erlebnis eines Europapokal-Auswärtsspiels ihrer Mannschaft gebracht. Vielmehr dient die Kollektivstrafe der UEFA dann in einem zweiten Schritt auch staatlichen Institutionen als Vorwand, um Fußballfans ihrer Bürgerrechte zu berauben und menschenrechtswidrige Eingriffe in deren Bewegungsfreiheit vorzunehmen.

Es ist bemerkenswert und ermutigend, dass sich in diesem Fall eine breite Allianz gebildet hat, die von der gesamten Fanszene von Eintracht Frankfurt über die nationale Fanorganisation in Frankreich (Association Nationale des Supporters – ANS) sowie europäische Fanzusammenschlüsse (Football Supporters Europe – FSE) reicht und erfreulicher Weise auch den Verein Eintracht Frankfurt einschließt, um gemeinsam und mit wechselseitiger Unterstützung gerichtlich gegen das Stadtverbot vorzugehen. Und es ist auch ein richtiges Zeichen, dass man – unabhängig vom kurzfristigen Ausgang des eingeleiteten Eilverfahrens beim Verwaltungsgericht Marseille – ankündigt, diese rechtliche Auseinandersetzung notfalls durch alle Instanzen bis zu europäischen Gerichten zu tragen. Dies ist offenbar notwendig, um Verbänden und Sicherheitsbehörden vor Augen zu führen, dass auch Fußballfans Menschen und Bürger mit garantierten Rechten sind, die es zu wahren und zu verteidigen gilt und die nicht einfach willkürlich eingeschränkt oder gar aufgehoben werden dürfen.

Arbeitsgemeinschaft Fananwälte
20. September 2018