20.07.2015 - Werder Bremen

„Ein Kollektiv gegen rechte Hooligans gebildet“


Mit Till Schüssler, Fanbeauftragte bei Werder Bremen, sprachen wir über die Auseinandersetzung zwischen rechten Hooligans und alternativen Ultras beim Nordderby gegen den HSV und die Folgen sowie über den Überfall auf einen Szenekundigen Polizeibeamten in Bremen.

Faszination Fankurve: Welche positiven Ereignisse im Fanlager Ihres Vereins bleiben von der abgelaufenen Saison 2014/2015 besonders in Erinnerung?
Till Schüssler: Wie in den Spielzeiten zuvor muss man deutlich sagen, dass die Auswärtsunterstützung wieder bemerkenswert war. Mit fast immer restlos ausverkauften Gästeblöcken haben die Werderfans ihre Reisefreude bestätigt! Auch die tollen Choreos im Weserstadion waren sind mit als absolute Highlights in Erinnerung geblieben. Wir hatten in der vergangenen Saison aber auch ein paar schwierige Situationen zu meistern. Und meines Erachtens, haben wir mit Besonnenheit und Hartnäckigkeit einige davon lösen können oder sind auf einem guten Weg. Inhaltlich haben wir gemeinsam mit den Fans ein Kollektiv gegen rechte Hooligans gebildet und merken nach ein paar Tiefs wieder mehr Vertrauen in unsere Arbeit. Das tut auch der Fanbeauftragten-Seele mal ganz gut! [lacht]

Faszination Fankurve: Auch negative Ereignisse bleiben in einer gesamten Saison meist nicht aus. Welche Vorfälle haben Sie in der vergangenen Saison besonders geärgert?
Schüssler: Der Vorfall nach dem Spiel gegen Augsburg als Bremer die abmarschierenden Augsburger angegriffen haben und es daraus resultierend einen Übergriff auf einen szenekundigen Beamten gab. Das war ein ziemlicher Tiefpunkt. Diese Fans machen sich durch derartige Übergriffe angreifbar und viele positive Aspekte ihrer und der Arbeit der anderen Fans geraten öffentlich in den Hintergrund. Das Verständnis, das Vertrauen und die Unterstützung von Institutionen rund um Werder Bremen schwindet und positive Ideen, Umsetzungen und Lockerungen für Fans können dadurch ins Stocken geraten.
Ein riesiger Schock war der nicht in dem Ausmaß erwartete „Aufmarsch“ der Hooligans beim Nordderby. Wie in der ersten Frage schon erwähnt, war dabei allerdings positiv in Folge der Auseinandersetzung nach dem Spiel gegen den HSV die besonnene, geschlossene Reaktion bei den anschließenden Spielen. Dies ist wichtig, um z.B. auch dem Verein die Möglichkeit zu geben, in dieser politischen Frage bedingungslos hinter den antirassistisch aktiven Fans zu stehen.


Faszination Fankurve: In der vergangenen Spielzeit lösten sich Ultràgruppen auf bzw. kehrten der 1. Mannschaft den Rücken zu oder blieben den Spielen fern. Ist Profifußball in Deutschland ohne Ultras denkbar und was würde sich ändern?
Schüssler: Die Ultrabewegung in ihrer Vielfalt ist – auch wenn einige Fans häufig eine andere Meinung äußern – unverzichtbar für unsere Fußballkultur. Ich glaube, die vielen wertvollen Faktoren der Ultrabewegung für die Gesellschaft, den Verein oder auch im Speziellen für die Atmosphäre im Stadion müssen hier nicht noch einmal aufgelistet werden.
Kritik an dieser Bewegung gibt es allerdings häufig. Und das zum Teil sicherlich auch zu Recht. Es gibt Themen, wie zum Beispiel Gewalt, die sicherlich zu kritisieren sind und thematisiert werden müssen und das mit jeder neuen Generation, die in die Szene hereinwächst. Allerdings werden Vorurteile durch Vorfälle undifferenziert öffentlichkeitswirksam schnell bestätigt und oberflächig von diversen politischen Entscheidungsträgern zu politischen Zwecken oder auch zur Selbstprofilierung genutzt. Positive Faktoren der Bewegung finden dagegen medial kaum Anerkennung.
Unabdingbar in diesem Zusammenhang ist es zu erkennen, dass es DIE Ultras ebenso wenig als gleichgeschaltete Bewegung gibt wie es zum Beispiel DIE Politiker als eine Einheit gibt. Auch wenn diese nötige Differenzierung schon seit Jahren von Experten gepredigt wird, scheint die Mehrheit der Bevölkerung lieber der medialen Aufbereitung Glauben zu schenken, die im Grundtenor ein pauschales Bild zeichnet. Durch die fehlende Differenzierung und den resultierenden politischen und öffentlichen Druck wird das langfristige Verhältnis mit Vereinen und Fan-Projekten immer wieder zerrüttet. Hierdurch wird folglich die Arbeit mit einer großen Jugendkultur erschwert. Positive Charakteristika, die es gerade bei Jugendlichen immer zu stärken gilt, können nur schwer gefördert und wertgeschätzt werden.

Faszination Fankurve: Welche Meldung würden Sie in der kommenden Saison gerne über die eigene Fanszene lesen?
Schüssler: Es liegt mir fern, mir etwas zu wünschen. Ich bin allerdings absolut sicher, dass wir den Dialog und das Vertrauen zueinander weiter stärken können und somit gemeinsam mit der Fanszene positiv in die Zukunft schauen können.


Faszination Fankurve: Und wie jedes Jahr zum Schluss noch diese Frage: Hat sich bei der Mitnahme von Fanmaterialien in Ihrem Verein etwas geändert? Folgt Ihr Verein bei den erlaubten Fanmaterialien dem Empfehlungsschreiben des DFB?
Schüssler: Bereits vor diesem Empfehlungsschreiben wurden die genannten Utensilien für die Heim- und Gast-Stehplatzbereiche grundsätzlich genehmigt. (Faszination Fankurve, 19.07.2015)

Fanfotos Werder Bremen




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