15.07.2010 - Hamburger SV

„Es war eine bis dato einmalige Chance“


Der Hamburger SV verpasste letzte Saison ganz knapp das Europaleaguefinale im eigenen Stadion. Faszination Fankurve sprach mit dem Geschäftsführer des Supporters Club Andreas Birnmeyer über die vergangene Saison und einem versuchten Dialog mit der Polizei Bremen.

Faszination Fankurve: Wie zufrieden sind die HSV-Fans mit der vergangenen Saison? Die direkte Qualifikation für das internationale Geschäft wurde, nach erfolgreichen Teilnahmen am UEFA-Cup in den letzten Jahren, knapp verpasst.

Andreas Birnmeyer: Zufrieden konnte niemand wirklich mit der Situation sein. Das ausgegebene Saisonziel, der Platz, der zur Teilnahme am internationalen Geschäft berechtigt hätte, wurde verfehlt. Dies ist eine sehr große Enttäuschung für jeden HSV-Fan, denn die Ausgangslage war gar nicht so schlecht. Alle haben alles gegeben, aber am Ende hat es leider nicht gereicht. Wobei man für einen Saisonrückblick eben nicht nur alles auf die Rückrunde fokussieren sollte. Wir haben in der Hinrunde einen bezaubernden Fußball gespielt und die Europaleague bescherte uns wunderschöne Reisen, die meistens sogar mit einem sportlichen Erfolg unserer Elf belohnt wurden. Die wirklich tollen Erlebnissen und Spiele in der Europaleague waren auch bekanntlich kurz vor der Krönung. Der Hamburger SV stand im Halbfinale der Europaleague und hatte sehr gute Chancen auf das Finale im eigenen Stadion. Es wäre ein großes Fest in Hamburg geworden und auch die Stadt Hamburg hatte sich so sehr darauf gefreut. Die Spieler hätten in Fulham alles klar machen können, doch letztendlich sind wir wieder, wie im Vorjahr, ganz knapp gescheitert und wir mussten es runter schlucken. Unser Blick geht jetzt wieder nach vorne.

Faszination Fankurve: Nichtsdestotrotz kann der HSV auf eine treue und vor allem große Fanbasis bauen. Als Dankeschön soll die Nordkurve mit noch mehr Stehplätzen versehen werden. Was für Umbauten erwartet die Fans und ergeben sich dadurch Einschränkungen?

Andreas Birnmeyer: Die Nordtribüne wird noch nicht vergrößert. Der Ausbau des Stehplatzbereichs im Unterrang wurde bis auf weiteres verschoben. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Aktuell werden 1.300 Sitzplätze im Block 22c in Stehplätze umgewandelt. Diese bauliche Maßnahme ist komplett bis zum Bundesligaauftakt im August vollzogen. Ein weiterer Ausbau dieses Blocks wurde ebenfalls, wie die eben angesprochene Expansion des Unterrangs, nach hinten verschoben, da zusätzliche Aufgänge in den Block und Fluchtwege geschaffen werden müssten.

Der HSV Supporters Club war bei beiden Bauvorhaben, im Unter- und Oberrang von Anfang an involviert. Hier gilt es auch dem Verein zu danken, denn er suchte stets den Kontakt zu den Fans, da der Ausbau ein Dankeschön an die treuen Fans und deren großartige Stimmung in diesem Block darstellen soll. Zusammen mit der Chosen Few hat der Supporters Club die Umsetzung inhaltlich mit begleitet und Werbung für den Ausbau gemacht. Beide Fangruppen traten gemeinsam auf und haben ein inhaltlich einheitliches Konzept dem Verein vorgelegt, dass auch weitestgehend übernommen wurde.

Faszination Fankurve: Vor kurzem antwortete die Bremer Polizei auf ein Schreiben von Euch, dass sich auf den Einsatz beim Derby in Bremen bezog. Was genau war dort vorgefallen, und wie bewertet der Supporters Club das Schreiben der Polizei?

Andreas Birnmeyer: Das Antwortschreiben der Polizei Bremen beruht auf einer Aufforderung vom Supporters Club, sich konkret zu den Vorfällen beim letzten Derby in Bremen zu äußern. Hierfür muss allerdings etwas weiter ausgeholt werden. Wie wahrscheinlich viele sich noch erinnern können fand in der Saison 2008/2009 eine Vielzahl von Derbys zwischen dem Hamburger SV und Werder Bremen binnen kürzester Zeit statt. Bei diesen Aufeinandertreffen beider Vereine kam es zu massiven Ausschreitungen zwischen HSV-Fans und der Polizei. Weshalb wir schon damals offiziell Beschwerde an der Taktik und der Einsatzleitung in Bremen einreichten.

Sehr löblich war die Reaktion aus Bremen, denn man lud uns zu Gesprächen nach Bremen ein, um ähnliche Vorfälle in Zukunft zu vermeiden. Die Polizei suchte also den Dialog mit den Hamburger Fans und wir wollten den HSV-Fans Gehör verschaffen. Die Gespräche zwischen uns und der Polizei dauerten mehr als ein Jahr an und gewannen immer mehr an Intensität, so dass beide Parteien wirklich auf Augenhöhe waren und gemeinsam nach möglichen Problemlösungen gesucht wurde. Die Themen bei den Treffen mit den Bremer Beamten waren unter anderem, der fast schon traditionelle Marsch der HSV-Fans zum Stadion, welcher diesmal nicht stattfinden sollte. Die ankommenden Fans wurden stattdessen mit Bussen bis ca. 1,5 Kilometer vor das Weserstadion gefahren, um dort sich zu sammeln und gemeinsam am Deich entlang gemeinsam zum Stadion zu laufen. Des Weiteren wurde eine viel bessere Kommunikation, als in der Vergangenheit, zwischen Polizei und Fans versprochen. So war unter anderem geplant, dass unser Fanbeauftragte die Ansprachen durchführt und kein Polizist. Eine den Fans bekannte Stimme und Person sorgt bei allen gleich für mehr Vertrauen. Und zu guter Letzt gab die Polizei noch das Versprechen, dass die Kampfmontur nur in wirklich hitzigen Situationen angelegt wird. Diese und noch viele weitere Abmachungen gab die Polizei Bremen auf einem Info-Zettel den HSV-Fans bekannt. Uns war bewusst, dass viele an den Abmachungen und Versprechen zweifelten, einige unserer Mitglieder taten dies auch. Doch wenn man es nicht versucht, kann man es danach auch nicht beurteilen, ob es geklappt hat. Es war eine bis dato einmalige Chance.

Faszination Fankurve: Gewähre doch bitte einen kleinen Einblick auf das letzte Derby.

Andreas Birnmeyer: Ich und einige andere Vertreter vom Supporters-Club sind bereits vor dem Großteil der HSV-Fans nach Bremen gefahren, um eben schon am Hauptbahnhof zu sehen, ob alles so umgesetzt wird wie es versprochen wurde. Mit Erstaunen stellten wir hier schon fest, dass es nicht der Fall war. Die ankommenden Fans wurden von komplett vermummten und Kampfmontur tragenden Beamten empfangen, obwohl es keinerlei Anlass hierfür gab. Da die Bahngesellschaft Metronom Glasflaschen in den Zügen verbietet, wollten sich viele mitgereiste HSV-Anhänger am Bremer Hauptbahnhof mit nichtalkoholischen Getränken versorgen, was auch klappte. Doch beim Besteigen der Busse wurden diese ihnen wieder abgenommen. Dies stieß einigen schon übel aus, da dies nicht konform der Abmachungen war. Ebenfalls wurden die Durchsagen vor dem Hauptbahnhof auch von der Polizei und nicht wie versprochen von unserem Fanbeauftragten getätigt. Grundsätzlich gab es zwei große Punkte, die das Fass zum Überlaufen brachten. Nachdem es im Vorjahr viele Verletzte durch Hundebisse in unseren Reihen zu vernehmen gab, wurde mehrfach versprochen, dass keine Hunde beim Fanmarsch zum Stadion und am Gästebereich zum Einsatz kommen. Auch dieser Punkt wurde von der Polizei nicht eingehalten. Abgemacht war, dass die Hundestaffel ein paar Straßen weiter warten würde und nur im äußersten Notfall zum Einsatz käme. Doch die Hundeführer warteten bereits am Deich auf die ankommenden HSV-Fans. Der zweite uns sehr wichtige Punkt, der nicht stattfand, war die aktive Fantrennung nach dem Spiel. Die Bremer Fans provozierten nach dem Spiel vom Deich von oben herab und markierten den großen Max. Einige HSV-Fans ließ dies nicht kalt und so eskalierte, wie man es hat voraussehen können. Aufgrund dessen gab es auch bei diesem Derby wieder Verletzte durch den Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken.

Faszination Fankurve: Nach mehrmaligen Lesen des Schreibens der Polizei Bremen fällt auf, dass Fehler eingestanden werden, aber keine wirklichen Lösungsansätze geboten werden. Wie steht der Supporters Club dem gegenüber?

Andreas Birnmeyer: Der Brief der Polizei Bremen ist auf der einen Seite selbstkritisch mit einer gesunden Einschätzung der Situation in Bremen damals. Auf der anderen Seite lässt das Schreiben natürlich viele Fragen offen und Raum für Interpretationen. Wir vom Supporters Club sehen darin aber auch die Chance für weitere Gespräche. Auch wenn es uns zum Teil schwer fiel, uns dies so einzugestehen, da wir nach dem Derby massiv angegangen wurden und uns zum Teil die Mitschuld für die Eskalation nach dem Spiel gegeben wurde. Man muss aber auch ganz nüchtern die Dinge betrachten. Es gibt keine Alternativen zu einem Dialog mit der Polizei. Auch wenn viele HSV-Fans sich etwas verschaukelt vorkommen und nach den Vorfällen jegliche Zusammenarbeit mit der Polizei ablehnen. Solange es die Möglichkeit gibt, sollte man auch darauf eingehen und nichts unversucht lassen.

Faszination Fankurve: Mittlerweile ist die Mitgliederzahl von Euch auf 50.000 angestiegen und es scheint kein Ende in Sicht. Was bedeutet es eine so große Vereinigung zu führen und zu organisieren?

Andreas Birnmeyer: Der Supporters Club ist eine eigene Abteilung beim Hamburger SV, die Abteilung Fördernde Mitglieder/Supporters Club, und es ist natürlich ein immenser Aufwand diesen zu verwalten. Die Arbeit im Supporters Club ist aber weit mehr ist, als die Mitglieder in Ordnern zu führen. Wir übernehmen verschiedenste operative Aufgabenfelder im Vereinsleben, wie beispielsweise alle fan- und mitgliederrelevanten Aufgaben, die der Fanbeauftragte alleine nicht bewältigen kann. Durch unsere Merchandiseartikel steht mittlerweile auch eine riesige Logistik hinter uns, bei welcher wir auf gutes Personal, sowohl intern als auch extern, zurückgreifen können.

Grundsätzlich ist die Abteilung Fördernde Mitglieder/Supporters Club basisdemokratisch aufgestellt und jeder kann seine Meinung einbringen und vertreten. Bei einer Summe von mehr als 53.000 Mitgliedern ist es natürlich wie in der Politik, dass die verschiedenen Meinungen auch gefiltert werden und am Ende nicht jede berücksichtigt werden kann. Trotzdem geben wir den Fans das Gefühl ernst genommen zu werden, da wir uns auch deren Problemen, Sorgen und Wünschen annehmen, auch wenn es am Ende eventuell doch nicht umgesetzt werden kann. Der gute Draht zu unseren Mitgliedern besteht auf jeden Fall. Und das soll etwas heißen, denn der Supporters Club ist europaweit der größte seiner Art.

Faszination Fankurve: Vor noch nicht all zu langer Zeit gab es medial einen großen Aufschrei, als sich Mitglieder des Supporters Club offiziell für die Wahl des Aufsichtsrats aufstellen ließen. Wie seid Ihr mit der Situation damals umgegangen und gibt es ähnliche Absichten auch für die Zukunft?

Andreas Birnmeyer: Das stimmt, das Presseecho war enorm und von uns nicht in diesem Umfang erwartet. Teilweise ähnelte es schon beinahe einer Kampagne gegen den Supporters Club. Doch beginnen wir von ganz vorne. Bei der Aufsichtsratwahl wurden insgesamt 20 Kandidaten aufgestellt, unter ihnen auch Personen, die Mitglied im Supporters Club waren und es immer noch sind. Das ist im Prinzip nichts Neues. Das Ungewöhnliche war nur, dass die Abteilungsleitung vier dieser Kandidaten unterstützte und sich hinter sie stellte. Die ganzen Diskussionen, die vor, während und nach der Wahl darüber stattfanden, haben im Nachhinein betrachtet dem HSV auch nicht geschadet, sondern zeigten einmal mehr auf, dass der HSV auch kontroverse Situationen gut meistert. Ob und wie die Abteilungsleitung allerdings bei der nächsten Wahl zum Aufsichtsrat agieren wird, ist nicht bekannt. (Faszination Fankurve, 15.07.2010)

Fanfotos Hamburger SV




Weitere News:
12.09.2021: Pyro, Feuerwerk & Trauermarsch zum Abschied von Ossi-Maik
20.07.2021: Aktiven HSV-Gruppen melden sich vor Saisonstart zu Wort
20.05.2021: Interview zur Freundschaft zwischen HSV- & Rangers FC-Fans
13.05.2021: Diebstahl, Dosenbier, Dnipropetrowsk
04.05.2021: Klauen, Kloppen, keinen Fahrschein - Europapokal mit dem HSV

Alle 281 News anzeigen