02.09.2019 - Werder Bremen

Fans von Polizei kontrolliert & Freundschaft nun offiziell


Beim gestrigen Heimsieg von Werder Bremen gegen den FC Augsburg machten die Ultràgruppen Infamous Youth und Ultrà Sankt Pauli ihre Freundschaft offiziell, in dem eine USP-Zaunfahne in der Ostkurve hing. Nach Abpfiff kam es zu einer Polizeikontrolle, bei der 179 Werder-Fans erkennungsdienstlich behandelt wurden.

Freundschaftliche Kontakte zwischen Ultrà Sankt Pauli und der Werder-Ultràgruppe Infamous Youth gibt es schon seit Jahren. Gestern wurde diese Freundschaft dann offiziell gemacht, indem eine USP-Zaunfahne über das Heimbanner von Infamous Youth gehangen wurde. Damit hat USP nun u.a. sowohl mit der Schickeria München vom FC Bayern, als auch mit Infamous Youth von Werder Bremen eine offizielle Freundschaft. Die Ultras vom FC Bayern und von Werder Bremen hatten in der Vergangenheit immer mal wieder Meinungsverschiedenheiten, was mit ein Grund war, warum Infamous Youth vor einem Jahrzehnt aus dem Alerta Network austrat. Bei diesem Konflikt ging es um die Debatte, ob Ultràgruppen, die gemeinsam in diesem antifaschistischen Netzwerk organisiert sind, auf gegenseitige Angriffe verzichten, was die Werder-Ultras gefordert hatten, die FC Bayern-Ultras aber nicht so gesehen haben sollen.


Vor Anpfiff zeigten die Wanderers Bremen gestern ein „Weserstadion unantastbar“-Banner, mit dem erneut gegen die Umbenennung des Weserstadions protestiert wurde. „Wenn das Geld wichtiger ist als die Fans - Für 3 Millionen im Jahr unsere Heimat verkauft - Schämt euch!“, lautete ein weiteres Spruchband der Gruppe zum Thema. Mit einem „300 KM-Regel für Freitags- und Sonntagsspiele – Jetzt!“-Plakat solidarisierten sich die Wanderers zudem mit den Gästefans aus Augsburg, die am gestrigen Sonntag über 700 Kilometer pro Strecke fahren mussten, um ihre Mannschaft im Stadion zu unterstützen.


Werder gewann das gestrige Heimspiel vor 40.041 im Weserstadion mit 3:2 und holte somit die ersten Punkte in dieser Saison. Als die Werder-Ultras nach Abpfiff zurück ins Steintorviertel zogen, wurden sie in einer vorbereiteten Aktion von der Polizei gestoppt und kontrolliert. Die Beamten hatten mobile Toiletten und Wasser mitgebracht und waren somit auf eine stundenlange Kontrolle eingerichtet.

Gegen 18:10 Uhr stoppte die Polizei etwa 220 Werder-Fans, auf der Verdener Straße, wo anschließend alle männlichen Personen kontrolliert wurden. Die Kontrollen dauerten knapp vier Stunden und waren somit erst gegen 22:00 Uhr beendet. Hintergrund der Kontrollen waren die Vorfälle nach dem DFB-Pokalspiel gegen Atlas Delmenhorst, als es zu Auseinandersetzungen zwischen Werder-Fans und der Polizei kam (Faszination Fankurve berichtete). Die Polizei ermittelt in diesem Fall wegen schweren Landfriedensbruchs.

Die Grün-Weiße Hilfe, die Werder-Fans bei Problemen mit Polizei und Justiz unterstützt, kritisiert die Polizeimaßnahme nach dem gestrigen Heimspiel: „Bei allen männlichen Personen wurden daraufhin nicht nur die Personalien festgestellt, sondern sie wurden auch erkennungsdienstlich behandelt, indem die Polizei sie allesamt mit einem Namensschild frontal und von hinten fotografierte. Das erkennungsdienstliche Fotografieren von fast 180 Fans entbehrt jeglicher rechtlichen Grundlage. Solche Maßnahmen sind nach der Strafprozessordnung nur gegen Personen zulässig, gegen die ein Strafverfahren als Beschuldigte betrieben wird oder deren Identität nicht anders festgestellt werden kann. Beide Voraussetzungen waren gestern nicht gegeben. Die kontrollierten Personen hatten gültige Ausweise dabei. Eine Beschuldigtenbelehrung, wie sie sonst notwendig gewesen wäre, hat nicht stattgefunden. Hier wird eine große Zahl von jungen Fans aus der Ultraszene unter Generalverdacht gestellt und kriminalisiert, ohne dass es zureichende und konkrete Anhaltspunkte gibt, die eine solche Maßnahme rechtfertigen würden. Nach dem Vorfall im Nachgang des Pokalspiels gegen Atlas hatte die Polizei noch darauf verzichtet, die Personalien jener damals eingekesselten Gruppe festzustellen, der sie nun schweren Landfriedensbruch vorwirft. Damals wäre eine erkennungsdienstliche Behandlung dieser Gruppe vermutlich rechtmäßig gewesen, doch diese Chance hat die Polizei vergeben. Drei Wochen später kann sie sich nicht einfach eine sehr viel größere und anders zusammengesetzte Fangruppe greifen und pauschal alle wie Beschuldigte behandeln, nur weil sie männlich sind und mutmaßlich der Ultraszene angehören. Wir fordern Polizei und Staatsanwaltschaft auf, die rechtswidrig erlangten Foto-Aufnahmen unverzüglich zu vernichten, wie es rechtlich geboten ist. Notfalls werden wir rechtliche Schritte prüfen. Positiv hervorzuheben bleibt, dass alle Fans die Maßnahme trotz ihrer Unzulässigkeit friedlich über sich ergehen lassen haben. Sie haben sich auch nicht von dem martialischen und vermummten Auftreten einiger Polizeikräfte im Stile eines Einsatzkommandos provozieren lassen, das eher an einen Anti -Terroreinsatz erinnerte als an ein Bundesligaspiel, bei dem es gestern zu keinerlei Vorfällen gekommen ist“, heißt es dazu in der Stellungnahme der Fanhilfe aus Bremen.

Die Grün-Weiße Hilfe wirft der Polizei Bremen zudem Täuschung vor, weil die Beamten die Polizeimaßnahme lediglich als Identitätsfeststellung bezeichnet, obwohl es bei 179 Werder-Fans zu erkennungsdienstlichen Behandlungen gekommen sein soll: „Dabei wissen Polizei und Staatsanwaltschaft ganz genau, für eine erkennungsdienstliche Behandlung muss ein sehr viel stärkerer Tatverdacht gegen die einzelnen Personen vorliegen als bei einer Identitätsfeststellung. Wir haben die Pressestelle der Polizei bereits weit vor Veröffentlichung der Pressemitteilung darauf hingewiesen, dass sie den rechtlichen Charakter der Maßnahme über ihren Twitter-Kanal falsch darstellt. Schlimm genug, dass die Polizei ihren Fehler daraufhin nicht zugegeben und die Darstellung nicht korrigiert hat. Die falsche Darstellung dann aber auch noch einmal in der offiziellen Pressemitteilung zu wiederholen, lässt wohl nur einen Schluss zu: Die Polizei will die Öffentlichkeit bewusst über den tatsächlichen Charakter der Maßnahme täuschen und ihre Rechtswidrigkeit verschleiern“, so der Vorwurf der Fanhilfe in Richtung der Polizei.

Weil die Bremer Polizei bereits in der Pressemitteilung zu den Vorfällen beim Pokalspiel gegen Delmenhorst Worte, wie „feige“, „skrupellose Gewalttäter“ und „Hass gegen den Staat und die Polizei“ verwendet hatte, sah die Fanhilfe das Verhalten der Polizei Bremen bereits kritisch. Zum Vorfall beim Pokalspiel erklärte die Grün-Weiße Hilfe zudem: „Und warum verschweigt die Polizei der Öffentlichkeit eigentlich so hartnäckig den Zusammenhang des Vorfalls nach dem Pokalspiel mit der Anwesenheit von polizeibekannten Nazi-Hooligans im Kreise von Delmenhorster Fans nur wenige Meter entfernt vom Ort des Geschehens? Will die Polizei davon ablenken, dass sie trotz vorheriger Warnungen durch das Fanprojekt und die Werder-Fanbetreuung ihr Kräfteaufgebot beim Spiel gegen Atlas Delmenhorst nicht der brenzligen Lage angepasst hatte? Und ist dieses Versäumnis der Grund, weshalb sie die überschaubare Gruppe der in Frage kommenden Beteiligten nach dem Atlas-Spiel nicht zu kontrollieren vermochte, sondern nun in einer unverhältnismäßigen Aktion fast 180 Fans einer erkennungsdienstlichen Behandlung unterzogen hat? Der Zweck heiligt nicht die Mittel. Eine Polizei, die dies vergisst, ist eine Gefahr für unseren Rechtsstaat.“. (Faszination Fankurve, 02.09.2019)

Fanfotos Werder Bremen




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