26.06.2015 - 1. FC Köln / RB Leipzig

Fehlende Identität bei Red Bull Vereinen?


Fans des 1. FC Köln machten sich Gedankten zu den Themen 50+1, Traditionsvereine und RB Leipzig. Sie kamen zu dem Schluss, dass die im Red Bull Konzern integrierten Vereine keine eigene Identität hätten und an jedem Ort dieser Welt in gleicher Form existieren könnten. (Faszination Fankurve, 26.06.2015)

Faszination Fankurve dokumentiert die Mitteilung des Blogs Fußball als Volkssport erhalten:

Ist der Fußball noch zu retten? – Teil II

„Ist der Fußball noch zu retten?“ lautete eine Frage im Oktober des vergangenen Jahres an dieser Stelle. DEN Fußball gibt es vermutlich überhaupt nicht, die Vorstellungen von Verbandsfunktionären, Fußballspielern und Dauerkarteninhabern gehen bei der Frage wohl sehr weit auseinander. Diese Diskrepanz hat sicher aber insbesondere in den letzten Jahren deutlich vergrößert. Man könnte also auch auf eine Verringerung dieser Unterschiede abzielen, allerdings handelt es sich dabei um keine realistische Vorstellung. RB Leipzig beispielsweise hat ohne größere Probleme die Lizenz von der DFL erhalten, zudem wird sogar zu besonderer Solidarität mit den Leipzigern aufgerufen. Auffallend ist auch, dass einige talentierte und umworbene Jungprofis sich für RB als Arbeitgeber entscheiden. Die Sachsen scheinen also schon elementarer Bestandteil des Systems Fußball zu sein.

Der Fehler liegt in den Augen vieler Fans also im System. RB konterkariert de facto die 50+1-Regelung und bei einer konsequenten Anwendung dieser Regelung hätte dieses Marketingkonstrukt keinen Platz in einer der beiden Bundesligen gehabt. Allerdings hat die DFL ursprünglich eine Ausnahme für die Werksvereine aus Leverkusen und Wolfsburg geschaffen. Mittlerweile gibt es eine grundsätzliche Ausnahmeregelung, die unter gewissen Umständen alle Vereine der ersten beiden Bundesligen in Anspruch nehmen können. Ganz zu schweigen von gesellschaftsrechtlichen Konstruktionen, die bereits jetzt eine Umgehung des Regelungszwecks darstellen. Sollte der Spielbetrieb einer Fußballmannschaft in eine Kapitalgesellschaft ausgegliedert sein, müssen 50 und ein weiterer Anteil beim ursprünglichen Verein dieser Mannschaft liegen. In diesem Zusammenhang darf es keine Ausnahmen und keine Unterscheidung zwischen Anteilen mit oder ohne Stimmrecht geben. Ob ein solches Vorgehen gegen die europäische Kapitalverkehrsfreiheit verstößt, sollten dann die zuständigen Gerichte klären.

Entwicklungen, diesem Ideal entgegen laufen, gilt es überall zu kritisieren. Insbesondere richtet sich diese Kritik natürlich gegen RB Leipzig und umso größer muss der Anspruch sein sich im 1. FC Köln für den Erhalt der oben skizzierten Vorstellung einzutreten. Doch die Kritik an RB Leipzig stellt keine Legitimation anderer ähnlicher Konstruktionen dar. Diese Position wird in Funktionärskreisen wohl auf Unverständnis und Ablehnung stoßen. Die Lücke zu den traditionsreichen, etablieren und finanzstarken Teams sei schließlich nur mit Kapital zu schließen. Im Idealfall solle dann möglichst viel Kapital in möglichst kurzer Zeit fließen. Aus Sicht eines Managers in der VW-Zentrale vielleicht nachvollziehbar, doch die Sorge wächst, dass es nicht ewig wie bisher weiter gehen kann. Niemand wird Ablösesumme, Gehälter, Einnahmen aus der TV-Vermarktung oder Eintrittspreise für angemessen halten. Die Gefahr einer Finanzblase wächst, die gezahlten Summen im Fußball übersteigen ihren inneren Wert und damit droht die Blase zu platzen. Die Folgen wären unüberschaubar, Investoren könnten sich zurückziehen und Kapital würde in größeren Maßen abfließen. Daher sollte man bereits jetzt Vorkehrungen treffen – eine Maßnahme wäre die oben beschrieben konsequente Anwendung von 50+1.

Oftmals ist der Aufschrei umso größer, sobald die investierten Millionen von ausländischen Investoren stammen. Dabei ist es in erster Linie vollkommen unerheblich, ob ein arabischer Scheich, ein niedersächsischer Hörgerätefabrikant oder ein österreichischer Brausehersteller hinter den Investitionen stecken. Selbstverständlich sollte aber immer in den Blick genommen werden, wie das investierte Geld erwirtschaftet worden ist. Es geht ganz grundsätzlich darum, den Einfluss einzelner Personen und Unternehmen zu begrenzen. RB betreibt mittlerweile mehrere Fußballmannschaften als Teil des Konzerns. Es entsteht ein System von Abhängigkeiten, Spieler befinden sich im Besitz von Unternehmen und sind nicht mehr originärer Bestandteil einer Mannschaft. Ob ein Vertrag in Salzburg oder in Leipzig unterschrieben wird, ist Makulatur. Dieser Form Wettbewerbsverzerrung ist ein Riegel vorzuschieben, der beherrschende Einfluss Einzelner auf mehrere Fußballmannschaften ist zu begrenzen. Diese Forderung geht einher mit der Forderung nach der Begrenzung des möglichen Anteilserwerbs.

Oftmals fällt in der Diskussion um RB Leipzig auch der Begriff „Tradition“. Treffender ist in diesem Zusammenhang der Begriff „Identität“. Jede Mannschaft von RB könnte an jedem Ort der Welt in identischer Form existieren. Jede Mannschaft unter dem Dach des Konzerns ist somit austauschbar. Die Herkunft und die örtlichen Bindungen sind nur noch Beiwerk. Doch im Fußball spielt die Identität für Fans eines Vereins immer noch eine entscheidende Rolle. Der Fußball braucht Vereine, die den Fans überhaupt erst die Möglichkeit zur Identifikation bieten. Solche Teams können Geschichten fortschreiben und liefern den Stoff aus dem Mythen und Legenden gemacht sind. Davon lebt der Fußball! Besonders in Form von tausenden Fans, die diesen Vereinen in die Stadien folgen. Die Funktionäre dürfen nicht länger die Augen davor verschließen, dass die Fans in den Heimkurven und Gästeblöcke ein entscheidender Faktor für den Erfolg des Systems Fußballs sind. Dementsprechend sind Vereine mit großen Fangemeinschaften entsprechend für diesen Beitrag zu entlohnen. Beispielsweise wäre die Änderung der Verteilung der Einnahmen aus der TV-Vermarktung ein erster Schritt.

Darüber hinaus sind Strukturen zu etablieren, die Fans Mitsprache ermöglichen. Fans sind nicht nur Kunden, sondern auch Teil des Fußballs. Diese Tatsache muss sich im System widerspiegeln. RB Leipzig ist ein perverses Beispiel für den Ausschluss von Fans als „Teilhaber“ am Verein. Mitglied zu werden und Einfluss auf die Vereinspolitik zu nehmen ist nahezu unmöglich. Solche Organisationsformen sind auf der einen Seite strikt abzulehnen und auf der anderen Seite gilt es, sich für andere Strukturen einzusetzen. Mitglieder müssen tatsächlich Einfluss nehmen können, diesen Grundsatz gilt es vehement zu vertreten und zu verteidigen. Es gibt also eine Vielzahl guter Gründe, das Konstrukt RB Leipzig abzulehnen, doch ein entscheidendes Argument wurde in diesem Text bisher ausgespart. Viele Fußballfans haben einfach das Gefühl, dass so ein Projekt wie in Leipzig nicht richtig sein kann.






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