16.05.2020 - Regensburg/Kiel

„Für uns als aktive Fans ist das ein absoluter Tabu-Bruch“


Heute um 13:00 Uhr setzt der SSV Jahn Regensburg die Saison 2019/2020 mit einem Heimspiel im heimischen Jahnstadion gegen Holstein Kiel fort. Im Vorfeld der Partie haben Ultras beider Vereine Stellungnahmen veröffentlicht. Die Ultras Regensburg kritisieren, dass der Zaun vor der Hans-Jakob-Tribüne für Werbebanner missbraucht werden soll.

„Diese Woche erreichte uns die Nachricht, dass der SSV Jahn beim kommenden Heimspiel den Zaun vor der Hans Jakob Tribüne Sponsoren für Werbung zur Verfügung stellen wird. Für uns als aktive Fans ist das ein absoluter Tabu-Bruch. An genau dieser Stelle hängen bei normalen Heimspielen die Zaunfahnen der verschiedenen Fangruppen der Hans Jakob Tribüne. Zaunfahnen sind elementarer und grundsätzlicher Bestandteil der Fankultur in Deutschland. Sie repräsentieren die gemeinsame Fangruppe, die unzähligen positiven wie negativen Erlebnisse, die man mit dem Verein erlebt hat und bilden sinnbildlich zusammen mit den Fans den Rückhalt der Mannschaft. Sie bilden in Zeiten in denen Profi-Fußball bis in den letzten Winkel durchkommerzialisiert und die Stadien durch die vielen verschiedenen Werbebanden einem bunten Flickenteppich gleichen, einen konstanten Bezugspunkt und einen Rest Fußballromantik. Die Botschaft, die der SSV Jahn mit der Vermarktung des Zauns vor der Hans Jakob Tribüne sendet, ist ein Schlag ins Gesicht aller Fans. Wie kann man von bodenständig und glaubwürdig sprechen, wenn man diesen symbolträchtigen Ort an Sponsoren, die ihr Image mit dieser Aktion sicherlich nicht verbessern, verkauft. Die Tribüne und ihre Ränge gehören den Fans, egal ob die Stadien voll oder leer sind. Wie kann man von Wertschätzung den eigenen Fans gegenüber sprechen, wenn es für manche scheinbar austauschbar ist, ob Fans hinter der Mannschaft stehen oder Werbung zu sehen ist – und das während man gleichzeitig nie müde wird zu betonen, wie wichtig die Unterstützung der Fans für den Erfolg der letzten Jahre war. Allein aus Respekt davor, dass viele der dort vertretenen Fangruppen schon zu Zeiten, in denen es um den SSV nicht so rosig bestellt war, dem Jahn die Treue gehalten haben, wäre es schon angebracht gewesen zumindest diesen Platz von der Vermarktung auszunehmen. Natürlich wissen wir, dass die derzeitige Situation rund um Corona und Geisterspiele auch unseren Verein vor Herausforderungen stellt, doch mit etwas Vorlaufzeit und besserer Kommunikation hätte man die Situation sowohl für Fans als auch Sponsoren sicherlich zufriedenstellend lösen können. Gerade wenn man sonst auch auf kurze Kommunikationswege und einen konstruktiven Austausch setzt. Was wir befürchtet haben ist also eingetreten. Unter dem Deckmantel der angeblich alternativlosen Geisterspiele werden auch bei uns rote Linien klar übertreten. Während man an anderer Stelle auf die Unterstützung der Fans setzt (siehe z.B. Rückerstattung von Dauerkarten), fällt man hier den eigenen Fans in den Rücken“, äußern die Ultras Regensburg Kritik an den Plänen des SSV Jahn.

Die Ultraszene Kiel hat sich hingegen allgemeiner zur Entscheidung der Bundesliga-Clubs und der DFL zu Wort gemeldet, die beschlossen haben, dass die Bundesligen mit Geisterspielen fortgesetzt werden. Für die Kieler Ultragruppen New Connection und Compagno ist die Fortsetzung der Bundesliga in der aktuellen Situation eine Fehlentscheidung, weshalb die Gruppen ihre Aktivitäten für die Restsaison einstellen. Die Argumentation mit der finanziellen Not mancher Bundesliga-Clubs wollen die Holstein-Ultras dabei nicht gelten lassen: „Dass mit der Rettung von Vereinen argumentiert wird, können wir nur teilweise nachvollziehen. Der Spielbetrieb der sogenannten Randsportarten, die aus monetärer Sicht natürlich weniger profitabel sind, als das Produkt Bundesliga, wird ohne weiteres abgebrochen, wobei hier durchaus mehr Vereine existenzbedroht sind. Bekannt ist, dass es in allen Spielklassen Vereine gibt, für die es finanziell eng wird. Die angedachte Lösung ist aus unserer Sicht jedoch nicht der richtige Weg und zeugt weder von Weitsicht, noch ändert es etwas an den Verhältnissen, die den Fußball in diese Lage gebracht haben. Wir sind geschlossen der Meinung, dass die DFL und auch der Staat hiermit das finanzielle merkbar über das menschliche Wohl gestellt haben. Wir als Ultraszene Kiel können uns weder damit identifizieren, noch abfinden. Die traurige aber logische Konsequenz ist, dass wir jegliche Aktivitäten für diese Saison einstellen werden. Daraus resultiert, dass es bis auf Weiteres weder geplante Aktionen rund um die Unterstützung unserer Mannschaft, noch irgendein Alternativprogramm geben wird. Die im Internet kursierenden Ideen von Bannern und Zaunfahnen in leeren Stadien, Pappaufstellern im Block und Gesängen via Lautsprecher sind ohnehin absurd und völlig indiskutabel. Diese Ideen unterstreichen erneut das Bild eines austauschbaren und auf Knopfdruck jubelnden Fan, das viele Funktionäre und Vereine vor sich zeichnen, wenn sie an die Fankurven unseres Landes denken. Liebe, Kult und Hingabe sind und bleiben weiterhin scheinbar keine greifbaren Attitüde“, heißt es dazu in der Stellungnahme der Kieler Ultraszene, die damit die Saison 2019/2020 für beendet erklärt hat. Die Kieler Ultras rufen alle KSV-Fans auf, dem Umfeld des Holstein-Stadions bei den Geisterspielen fernzubleiben und die Spiele nicht in großen Gruppen zu verfolgen. (Faszination Fankurve, 16.05.2020)