29.04.2021 - Hertha BSC

„Gefährdung des Staatswohls“. Es ist eine Farce


Die Fanhilfe von Hertha BSC hat sich in einer Stellungnahme damit beschäftigt, warum in Zeiten der Geisterspiele 1.056 Neueinspeicherungen in der bundesweiten Datei Gewalttäter Sport, davon 91 neue Einträge von der Berliner Polizei, vorgenommen wurden und dabei widersprüchliche Angaben analysiert.

Bei der Fanhilfe, die Hertha BSC-Fans bei Problemen mit Polizei und Justiz unterstützt, stellt man sich die Frage, warum in Antworten der Behörden solch widersprüchliche Angaben gemacht werden. Auf der einen Seite würden Zusammenkünfte in Zeiten der Geisterspiele für Neueintragungen verantwortlich gemacht, aber andererseits soll es gar keine „recherchefähigen Datenfelder“ für die Gründe einer Eintragung geben. „Woher das Bundesministeriums des Innern aber dann die Informationen hat, dass die Neueinspeicherungen auf dieser Grundlage erfolgen bleibt deren Geheimnis“, so der von der Fanhilfe offengelegte Widerspruch.

Abgeordnete und die Öffentlichkeit werden in den Augen der Fanhilfe deswegen vom Ministerium an der Nase herumgeführt. Als Zugabe verweigere das Innenministerium im Rahmen der Anfragen von Politikerinnen eine öffentliche Aufschlüsselung der Vereinszugehörigkeiten mit Verweis auf die „Gefährdung des Staatswohls“. Dies sei in den Augen der Fanhilfe aus Berlin, die eine Abschaffung der Datei „Gewalttäter Sport“ fordert, eine Farce. (Faszination Fankurve, 29.04.2021)

Faszination Fankurve dokumentiert die Stellungnahme der Fanhilfe Hertha B.S.C.:

Black-Box Datei „Gewalttäter Sport“ – Zeit für den Schredder

In den vergangenen Monaten ist die bundesweite Datei „Gewalttäter Sport“ erfreulicherweise verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Grundlage dafür sind zahlreiche parlamentarische Anfragen an die Bundesregierung. Ebenso wurde in diesem Zusammenhang auch im Berliner Abgeordnetenhaus nachgefragt. Eigentlich soll das Fragerecht der Parlamentarier*innen dazu dienen, das Handeln der Regierungen zu kontrollieren bzw. nachzuvollziehen. Diese blockieren hingegen jegliche Aufklärung und drehen sich bei ihren Antworten im Kreis. Und das, obwohl in dieser Datei 7.841 Personen gespeichert sind (Stand: 04. Februar 2021, 19/26771).

Die Bundestagsabgeordnete Monika Lazar hat seit Beginn des Jahres durch zahlreiche Anfragen versucht, Informationen u. a. zu den Speichergründen, Anzahl der Speicherungen sowie Zeitpunkten der Speicherung in Erfahrung zu bringen. Das im Zeitraum März bis Dezember 2020 insgesamt 1 056 Neueinspeicherungen erfolgten, obwohl dort keine oder nur sehr wenige Zuschauer in den Stadien waren, reicht eigentlich schon aus, um diese Datei zu entsorgen. Doch das zuständige Bundesinnenministerium (BMI) dreht sich nun auch bei der Argumentation, warum diese Personen unbedingt gespeichert werden müssen im Kreis. In der Antwort (Frage 12) vom 17.02.2021 heißt es:

„[…] Der Zeitpunkt der Neuspeicherung einer Person/eines Sachverhaltes in der DGS ist nicht zwingend an den Tatzeitpunkt gebunden. Neben der Frage der Sachverhaltsklärung im Rahmen notwendiger polizeilicher Ermittlungshandlungen, ist in Bezug auf die erforderliche Datenqualität vor einer Speicherung jeweils eine umfangreiche Prüfung des Einzelfalls über die Polizeibehörden der Bezugsvereine bzw. der Wohnort-Behörden notwendig, sodass zwischen Tatzeitpunkt und Eintrag in der DGS durchaus mehrere Monate liegen können. Darüber hinaus kam es auch im Zusammenhang mit Spielen unter Ausschluss der Öffentlichkeit (sog. Geisterspiele) teilweise zur Zusammenkunft von Fan-/ Störergruppen, z. B. in Verbindung mit dem organisierten Abbrand von Pyrotechnik sowie in Einzelfällen auch zu sog. Drittort-Auseinandersetzungen. […]“

Neben dem zeitlichen Verzug der Speicherung, den wir in der Praxis nicht feststellen können, sollen also laut BMI Zusammenkünfte am Rande der Geisterspiele für die Neuspeicherungen verantwortlich sein. Interessant ist nur, dass dasselbe Ministerium bei der Beantwortung einer neuerlichen Anfrage nun informiert, diese Gründe würden innerhalb der DGS gar keine recherchefähigen Datenfelder besitzen (19/28369, Frage 1 bis 8). Woher das BMI aber dann die Informationen hat, dass die Neueinspeicherungen auf dieser Grundlage erfolgen bleibt deren Geheimnis. Gewählte Abgeordnete und die Öffentlichkeit werden augenscheinlich an der Nase herumgeführt! Und als „Zugabe“ verweigert das BMI auch noch im Rahmen beider Anfragen eine öffentliche Aufschlüsselung der Vereinszugehörigkeiten mit Verweis auf die „Gefährdung des Staatswohls“. Es ist eine Farce.

Im März fragte der Abgeordnete des Berliner Abgeordnetenhauses, Niklas Schrader, den Senat, u. a. welche Anzahl an Speicherungen das LKA in den vergangenen zwölf Monaten vorgenommen hat. Auch hier dasselbe Bild: Im Zeitraum zwischen März 2020 und März 2021 wurden von der Berliner Polizei 91 Datensätze in die Datei „Gewalttäter Sport“ übermittelt (18/26920, Frage 4). Allein 46 Dateneinträge basierten laut Antwort der Innenverwaltung auf Personalienfeststellungen und hatten somit rein gar nichts mit einer Gewalttat oder Ähnlichem zu tun. Noch abenteuerlicher wird es aber bei der ebenso existierenden Berliner Datei „Szenekunde Sport“. Hier gab es im selben Zeitraum 71 Neueintragungen, davon 19 mit der Begründung „Gefährderansprache“ und 21 aufgrund von Identitätsfeststellungen. Und das alles auch hier in einem Zeitraum, in dem das Zuschaueraufkommen gegen null ging!

Es zeigt sich einmal mehr, dass diese Dateien auf Bundes- und Landesebene ein Eigenleben entwickelt haben, welches nicht mehr zu kontrollieren ist. Wer es dennoch versucht, wird bewusst blockiert und ausgebremst. Der Schaden für die betroffenen Personen ist hingegen enorm. Es ist endgültig Zeit für den Schredder!

Fanfotos Hertha BSC




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