29.10.2014 - Rassismus

Hat der Fußball ein Rassismus-Problem?


Nach der Großdemonstration rechter Hooligans in Köln und Übergriffen auf linksalternativ orientierte Ultras in den vergangenen Jahren, wie z.B. in Aachen, Braunschweig und Duisburg, wird das Thema Rassismus im Fußball und den Fankurven wieder stärker diskutiert.

Die Bilder von Transparenten oder auch Gesänge sind vielen Stadionbesuchern bekannt. Aktuelle Beispiele haben sich auch zur WM in Brasilien abgespielt. Deutschen Fans wurde beispielsweise das sogenannte Blackfacing während des Spiels gegen Ghana vorgeworfen. Aber auch in fußballbegeisterten Nationen wie Italien kommt es immer wieder zu Eklats. Rassistische Parolen werden hier gegenüber Spielern mit ausländischen Wurzeln geäußert. Genau solche Äußerungen führten zum Skandal um den ehemaligen Milan-Spieler Kevin-Prince Boateng im Jahr 2013. Aber auch im deutschen Fußball werden rassistische Äußerungen nicht erst seit der Demonstration von Rechten und Hooligans am vergangenen Sonntag in Köln diskutiert. Im Folgenden soll das Problem etwas genauer beleuchtet werden.

Anfeuerung vs. Beleidigung - wo lässt sich die Grenze ziehen?
Rassismus im Fußball ist ein Problem. Und scheinbar bekommen die Vereine und Fanverbände in Europa dies nicht vollständig in den Griff. Immer wieder wird die UEFA in den letzten Monaten wegen rassistischer Vorfälle aktiv. Dabei geht es nicht einfach nur darum, wie auf entsprechende Äußerungen oder Gesten reagiert wird. Vielmehr fällt bereits die Abgrenzung schwer. Symbole des Dritten Reichs sind eindeutig. Was ist aber mit Gesängen, die das gegnerische Team bzw. deren Fans beleidigen. In Italien wurden im letztem Jahr sogenannte territoriale Diskriminierung bestraft. Der AC Mailand ist dagegen vorgegangen und hat sich durchgesetzt. Der entsprechende Artikel wurde aus den Verbandsstatuten wieder entfernt. Zuvor wurden ganze Fankurven wegen Gesängen gegen die Gastmannschaft und deren Fans geschlossen.

Eines der aktuellen Beispiele lieferte die deutsche Nationalelf bei ihrem denkwürdigen Auftritt in Berlin. Die als „Gauchogate“ bekannt gewordene Tanz- und Gesangseinlage hat zu kontroversen Debatten geführt. In der deutschen Fankultur wird dieses Lied bereits seit einigen Jahren pflegt, auch bei Spielen der deutschen Nationalmannschaft, auch wenn sich Pressevertreter bis zum Sommer 2014 daran nicht gestört haben.

Bei jedem Seitenhieb in Richtung Gegner gleich die Rote Karte zu zücken, ist sicher falsch. Zumal man sich im Klaren sein muss, wer die Lieder anstimmt. Schließlich hat ein Teil der Spieler selbst Wurzeln im Ausland. Die Folgen rassistischer oder fremdenfeindlicher Äußerungen - etwa in Form von Fangesängen oder gezeigten Symbolen - können für die Verursacher übrigens erheblich sein.

Die Statuten der DFL sehen in § 4 Abs. 3 der Richtlinien zur einheitlichen Behandlung von Stadionverboten für:


  • rechtsextremistische Handlungen, insbesondere das Zeigen und Verwenden nationalsozialistischer Parolen ... und Beleidigungen (§ 185 StGB ) aus rassistischen bzw. fremdenfeindlichen Motiven“

deutschlandweite Stadionverbote vor. Äußerungen wie „Affe, Bimbo, Nigger“ oder „Judenkompanie“ dürften hier sehr eindeutig den zitierten Tatbestand umreißen. Wie soll man aber Vorfälle in einer Qualität von „Gauchogate“ bewerten? Das Ziehen einer roten Linie zwischen anfeuerndem Schlachtruf und offenem rassistischem Affront ist mehr als schwierig und sorgt innerhalb verschiedener Fanszenen zu kontroversen Diskussion.

Rassismus unter Fußballfans - ein ernstes Problem?
Anders als häufig in der Öffentlichkeit vermutet, sind es nicht häufig die Ultras, die durch rassistische Gesänge auffallen. Durch die Megaphone und Lautsprecheranlagen der Ultras werden nur die aller wenigsten rassistischen, homophoben oder diskriminierenden Fangesänge angestimmt.

Fakt ist, dass in Deutschland - aber auch vielen anderen Fußballnationen - Beleidigungen in Richtung der gegnerischen Klubs, aber auch rassistische Äußerungen durchaus in der Fankultur (wenn teils auch unter der Hand) verankert sind. Dabei darf allerdings nicht der Fehler gemacht werden, alle Fans eines Klubs pauschal zu verurteilen. Die Ansicht, rechte Parolen und Rassismus entstehen per se immer im Block der Ultras, ist falsch.

Vielmehr handelt es sich hier um einen Fanblock, der die intensive Verbindung zu seinem Fußballclub im Stadion überdeutlich zum Ausdruck bringt, oft aber ohne politische Zielsetzung agiert. Zahlreiche Ultràgruppen engagieren sich gegen Rassismus, wie aktuell in den laufenden FARE-Aktionswochen, und durch ein Erstarken der Ultràszene sind rassistische Gesänge aus manchen Stadien erst vollständig verschwunden. Diese Aussage bedeutet aber nicht, dass einige Ultràgruppierungen völlig frei von rassistischen Tendenzen sind. Leider ist Rassismus im Fußball ein Problem, das sich nicht einfach mit einer Schwarz-Weiß-Schablone fassen lässt. Wie einschneidend und weit die Übergriffe gehen können, zeigt das Beispiel des Leipziger Kickers Adebowale Ogungbure, gegen den sich sogar Handgreiflichkeiten von Fans gegnerischer Klubs gerichtet haben.


Leider existieren keine offiziellen Statistiken zum Thema Rassismus im Fußball. Medienberichte lassen allerdings den Schluss zu, dass vor allem in den unteren Ligen Rassismus in der Fankultur zur Belastung für Vereine, Spieler und „ehrliche“ Fußballfans geworden ist. Welche Dramatik das Thema hier entfalten kann, lässt sich an einer Episode aus dem Jahr 2007 erahnen. In Sachsen wurden im Februar 2007 mehr als 60 Spiele an nur einem Wochenende abgesetzt. Bei internationalen Spielen bleiben immer häufiger Fanblöcke nach rassistischen Vorfällen geschlossen. Das Thema Rassismus im Fußball wird natürlich auch online rege diskutiert.

Der Besuch im Stadion ist meist ein Erlebnis mit Gänsehautfaktor. Einstudierte Choreografien mit festen oder wechselnden Fan-Gesängen wirken imposant und reißen mit. Leider stören fremdfeindliche und rassistische Tendenzen immer wieder das Bild vom verbissenen, aber fairen Wettkampf der Fankurven. Ein Problem, das Fanverbände, Ordnungsbehörden, Fanszene und Vereine erkannt haben. Der Kampf verschiedenen Fangruppen dagegen dauert seit vielen Jahren an. Eine Verbesserung der Situation ist Woche für Woche in deutschen Stadien zu sehen und zu hören. Die Verhältnisse der 80er und 90er Jahre, als rassistische Fangesänge an der Tagesordnung waren, wünscht sich niemand zurück. Die Änderungen sind den Verbänden und Vereinen zu verdanken, die dem Thema eine größere Aufmerksamkeit schenkten. Aber auch den Fangruppen, wie zum dem Bündnis Aktiver Fußballfans, die sich seit Jahren gegen Rassismus im Fußball engagieren. Auch die Fanprojekte mit ihrer Arbeit spielen eine nicht unwichtige Rolle in der sich Entwicklung der vergangenen Jahre. Auch eine Demonstration von rechten Hooligans in Köln wird die jahrelange Arbeit der genannten Gruppen nicht mit einem mal zunichte machen. (Faszination Fankurve, 29.10.2014)






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