01.04.2006 - SV Waldhof Mannheim

In guten wie in schlechten Zeiten


Ein Blick zurück in die Saison 2002/2003: Diskussionen um eine mögliche Fusion mit dem ungeliebten Stadtrivalen VfR Mannheim verbunden mit Protesten gegen eine Umbenennung des hochverschuldeten SV Waldhof in „SV Mannheim“ sorgten für Aufruhr. Auf der Jahreshauptversammlung stimmten die Mitglieder des Zweitligisten schließlich der Fusion mit dem VfR zu, verweigerten aber den vom potenziellen Sponsor MVV Energie AG geforderten Namenswechsel. Daraufhin platzte die Spielgemeinschaft, von der der Geldgeber sein finanzielles Engagement abhängig gemacht hatte, und der SV Waldhof stieg wegen der fehlenden Lizenz für die Regionalliga geradewegs in die Oberliga ab.

Der SV Waldhof Mannheim spielt nun schon das dritte Jahr in der Oberliga Baden-Württemberg. Als man seinerzeit unter maßgeblicher Initiative der Fans in der 2. Liga die Namensumbenennung in „SV Mannheim“ ablehnte, musste der Verein nach der Nichterteilung der Lizenz für die Regionalliga den direkten Weg in die Oberliga antreten. Ein mutiger Schritt, hinter dem die Fanszene des SV Waldhof nach wie vor steht. „Wir können morgens aufstehen und mit Stolz in den Spiegel schauen“, sagen die Ultras Mannheim.

Seitdem ist es ruhiger geworden um den Verein aus der Quadratestadt. Was jedoch nicht für die Fanszene gilt: Auf den Rängen des Carl-Benz-Stadions bietet sich weiterhin ein lebhaftes Bild, wenn auch mit deutlich weniger Zuschauern als in früheren Tagen. Nach dem Abstieg verließen die Fans die ungeliebte Süd-Ost-Ecke und positionierten sich hinter dem Tor auf der Ostkurve, wo sie unter Federführung der Ultras Mannheim für optische und akustische Akzente sorgen. Heute heißen die Gegner nicht mehr Aachen oder Karlsruhe, sondern Crailsheim, Lauda und Nöttingen. Kann sich die Fanszene angesichts der vielen Dorfvereine überhaupt noch motivieren? „Die Motivation bei den Ultras ist noch vorhanden. Allerdings ist sie extrem schlecht bei den normalen Fans. Nach dem dritten Jahr Oberliga ist auch das Interesse nach dem ,Neuen‘ nicht mehr gegeben“, so die Ultras Mannheim.

Trotz der vielen Dorfvereine bietet die vierte Liga im Südwesten auch ein paar Highlights. Allen voran das Stadtderby gegen den VfR Mannheim. „Hier pilgern 10.000 Mann ins Stadion, und die Stimmung sowie die Show sind gut“, bekunden die Ultras. Mit größeren Choreografien sorgen sie bei diesem Spiel regelmäßig für einen würdigen Rahmen. Die aufgeheizte Stimmung ist bei Begegnungen gegen den VfR im Stadion deutlich spürbar. Die Rivalität, die sich nach den Vorkommnissen um die geplatzte Fusion immer mehr zugespitzt hat, geht sogar so weit, dass viele das Auswärtsspiel beim VfR boykottieren, weil sie dem ungeliebten Nachbarn kein Geld in die Tasche stecken wollen. Die Rivalität beschränkt sich aber eher auf den Verein an sich, da der VfR über keine nennenswerte Fanszene verfügt.

Neben den Spielen gegen den VfR sind aus Sicht der Fans noch zwei andere Partien nicht uninteressant. Mit dem SSV Ulm und dem SSV Reutlingen befinden sich zwei weitere „Schicksalsgenossen“ in derselben Liga, die ebenfalls früher höherklassig gespielt haben und wegen Finanzproblemen direkt in die Oberliga durchgereicht wurden. Zwar sind die Spiele gegen diese beiden Vereine aus Fansicht eine willkommene Abwechslung, da man hier wenigs-tens ein paar Gästefans zu Gesicht bekommt, allerdings sind beide Begegnungen keine Derbys, und es fehlt ein wenig die Brisanz. Diese bieten nur die traditionellen Rivalen, gegen die man in letzter Zeit aber nicht mehr gespielt hat. Gerade deswegen und auch aufgrund fehlender sonstiger Berührungspunkte ist die Feindschaft mit dem alten Hassgegner Kaiserslautern ein wenig eingeschlafen. Viele jüngere Fans sehen aktuell im Karlsruher SC den Hauptgegner, obwohl man auch hier nicht mal mehr gegen deren Amateure spielt. „Dies ist durch Veränderungen im Einzugsgebiet zu erklären“, heißt es von Seiten der Ultras Mannheim zum angespannten Verhältnis zwischen Kurpfälzern und Badenern. Einige Ultras beider Vereine kommen aus dem Raum Heidelberg, und so habe es in letzter Zeit in dieser Region außerhalb des Fußballs des Öfteren „Spannungen“ gegeben.

Eine Freundschaft pflegen die Waldhöfer mit der Szene des FC Basel – und schon seit über 20 Jahren mit den Fans von Eintracht Braunschweig. „Anfang der 80er Jahre hatte jede Fanszene ihre Fanfreundschaften, die eine mehr, die andere weniger. Nur die zwei Vereine aus Mannheim und Braunschweig waren noch ohne, was bestimmt auch daran lag, dass beide Fanszenen nicht gerade sehr zimperlich mit Gästen umgingen. Der Eintracht- Braunschweig-Fanclub „Die Schluckspechte“ wollte dies ändern und machte sich am ersten Bundesliga-Aufeinandertreffen am 20. August 1983 in Braunschweig auf in die Nordkurve, um den Kontakt mit den Waldhof-Fans aufzunehmen“, berichten die Ultras Mannheim von der Entstehung.

Die Anhänger des SV Waldhof sind nicht nur für ihre Treue bekannt, ihnen eilt auch der Ruf voraus, keine Kinder von Traurigkeit zu sein. Das Spiel gegen die Offenbacher Kickers mit heftigen Auseinandersetzungen vor einigen Jahren ist sicher vielen noch in Erinnerung. Während sich diese Szene andernorts stark rückläufig entwickelt, ist das Gewaltpotenzial in der Arbeiterstadt Mannheim nach wie vor groß. Berüchtigt und bekannt sind vor allem die Gruppen „The Firm“ und „City Boys Mannheim“. Der raue Charakter der Mannheimer Fanszene stand andererseits seit jeher für eine gewisse Hierarchie und Ordnung innerhalb der Szene. Entsprechend hart traf die Anhänger im vergangenen Jahr der Tod von Thomas F., Mitbegründer der City Boys. Einige aufwändige Aktionen im Stadion für die verstorbene Szenegröße waren die Folge.

Wegen des Konfliktpotenzials ist auch das Polizeiaufgebot bei Auswärtsspielen immens. „Von mit Kabelbindern verbundenen Bauzäunen bis zu drei Meter hohen engmaschigen Zäunen ist alles vertreten“, erzählen die Ultras Mannheim vom Alltag in den Gästeblöcken der Oberliga. Da mit Ulm und Reutlingen zwei weitere Vereine mit Fanpotenzial durch das „Ländle“ reisen, haben die Verbände jüngst die Regelungen des DFB hinsichtlich der Stadionverbote auf die Oberliga Baden-Württemberg ausgeweitet, die somit die einzige Oberliga in Deutschland ist, in der bundesweite Stadionverbote ausgesprochen werden dürfen.

Aktuell sorgt die Diskussion um den SAP-Gründer und Hoffenheimer Mäzen Dietmar Hopp, der aus seiner TSG Hoffenheim durch eine Fusion mit zwei weiteren Vereinen den „FCH Heidelberg 06“ gründen und diesen mit seinen Geldern bis in die Bundesliga führen will, für große Verärgerung in der Mannheimer Szene. Finanzielle Mittel für Neuverpflichtungen sind bei Dietmar Hopp ausreichend vorhanden, und ein neues Stadion mit dem Namen „Kurpfalz-Arena“ mit Fassungsvermögen für 30.000 Zuschauer ist auch schon geplant. Ein Umstand, der im benachbarten Mannheim natürlich auf heftigen Widerstand stößt: „Dieser neue Retortenverein wird schon gefeiert, als würde die Vitrine aufgrund der vielen Pokale aus allen Nähten platzen.“ Auch bundesweit erntet dieses Vorhaben, einen „künstlichen“ Verein ohne Tradition in die Bundesliga zu führen, in den Fanszenen ausschließlich Kritik.

Wohin indes der Weg des SV Waldhof Mannheim im dritten Jahr Oberliga geht, ist ungewiss. Vom Aufstiegsplatz ist man schon wieder ein gutes Stück entfernt. Und so dümpelt „der Waldhof“ mal wieder im Niemandsland der Tabelle. Hinter der sportlichen Zukunft stehen viele Fragezeichen, bei einem kann sich der Verein aber sicher sein: Seine traditionsbewussten Anhänger würden ihm auch ein weiteres Jahr in den Niederungen der vierten Spielklasse die Treue halten.?(Faszination Fankurve/Harry Leif/01.04.2006)






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