01.02.2006 - 1. FC Köln

„Kölner Modell“ bricht Tabus


Nachdem Fans des 1. FC Köln zuletzt mehrfach unangenehm aufgefallen sind, versucht der Club nun mit fragwürdigen Methoden, Kontrolle über die eigenen Anhänger zu erlangen. Auswärtskarten gibt es nur noch personalisiert, und bei neuerlichen Vorfällen soll ab sofort der ganze Fanclub haften.

104.000 Euro. Seit einigen Tagen geistert diese Zahl durch das Umfeld des 1. FC Köln. Es handelt sich dabei um die Höhe der Geldbußen, die die DFL dem Club in den letzten zweieinhalb Jahren aufgebrummt hat. Für den Verein ist dieser Betrag, zusammen mit der Androhung, bei der nächsten Auffälligkeit ein „Geisterspiel“ austragen und sich Regressforderungen von Sponsoren und Kartenbesitzern stellen zu müssen, Legitimation, mit einer in dieser Form nicht gekannten Härte gegen die Fans vorzugehen, deren Verhalten die Strafen ausgelöst hat.

Und nicht nur gegen die, denn nach dem Willen des FC könnten die Schadensersatzforderungen auch den gesamten Fanclub des Täters treffen, „da dieser durch das Gruppengefühl stärker in die Prävention gegen Ausschreitungen eingebunden werden soll“, so die Argumentation des Vereins. Mit einem den Fanclubs Mitte Januar zugestellten Schreiben werden die Vorsitzenden aufgefordert, der neuen Regelung zuzustimmen, die zukünftige Zuteilung von Eintrittskarten sei an die Einverständniserklärung zu diesen veränderten AGBs gebunden. Weiterhin wird es Auswärtskarten nur noch unter Angabe der Personalien geben.

Die Tragweite der nun beschlossenen Regelung könnte sich als immens erweisen. Macht das „Kölner Modell“, der Begriff hat sich inzwischen bundesweit etabliert, Schule, wäre es die bisher radikalste Maßnahme im restriktiven Umgang der Clubs mit ihren Anhängern. Und die reagierten entsetzt. Im Internet-Forum und in persönlichen Gesprächen weigerten sich viele Fans, die Vorgaben zu unterschreiben. Andere Fanclubs gingen auf Nummer sicher und kündigten gleich ihre Abmeldung an. Eine Kollektivhaftung sei nicht nur unpraktikabel, hieß es, denn welcher Fanclub-Vorsitzende möchte schon die Hand für bis zu 400 Mitglieder ins Feuer legen, auch liege hierbei ein sittenwidriges Prinzip zu Grunde.

Ähnlich sehen es Fans anderer Vereine. „Ein skandalöser Vorgang“, sagt der Schalker Rolf Rojek gegenüber „Reviersport“, „ich habe schon viel erlebt, aber so was noch nicht. Sollte jemand bei uns auf so eine Idee kommen, kann er das gleich vergessen.“ Und einige Fanszenen der Vereine, die dem FC in der nächsten Zeit gegenüber stehen werden, boten an, während der Spiele etwaige Protestaktionen zu unterstützen. Die DFL hingegen lobte das Vorgehen. „Das Verfahren wegen der Feuerzeugwürfe in Bielefeld ist eingestellt worden. Wir gehen davon aus, dass unsere Maßnahme honoriert wurde“, sagt der Kölner Fanbeauftragte Rainer Mendel.

Nach Auskunft des FC haben inzwischen 300 der 1.000 Fanclubs unterschrieben, doch nahezu alle „aktiven“ Fanclubs mobilisierten binnen Wochenfrist Widerstand. Rund 100 kamen auf Anregung von „Wilde Horde“ und „Fan-Orga“ zusammen, berieten das weitere Vorgehen, verschafften sich zudem einen Überblick über die möglichen Konsequenzen. „Jeder ernsthafte Jurist lacht sich darüber kaputt“, sagte ein Teilnehmer der Diskussionsrunde und verwies darauf, dass die Regelung ohnehin nicht wasserdicht sei. Holger Richter, der die zweistündige Versammlung leitete, geht ins Detail: „Grundsätzlich ist entscheidend, ob ein Fanclub „e.V.“ ist. In diesem Fall müsste er sich im Falle einer Strafe wahrscheinlich auflösen, wenn sie das Vereinsvermögen überschreitet. Wenn es eher eine lose Gruppierung ist, wäre jedes einzelne Mitglied haftbar.“ Was im Bereich des Möglichen liegt, da der FC bereits vor Jahren Mitgliederlisten der Fanclubs anforderte.

Vorerst haben die Fans einen Aufschub erreicht, denn die Frist, bis zu der die Unterschriften geleistet werden sollen, wurde bis März verlängert. Wenn dann keine Lösung herbeigeführt werden kann, fällt auf der Geschäftsstelle viel Arbeit an. „Durch den Aufschub ist das Spiel in Mönchengladbach nicht betroffen, doch könnte es für das Spiel auf Schalke relevant werden. Wenn der Vertrag nicht vorliegt, wird die Bestellung nicht bearbeitet“, sagt Mendel. Viele Karten würden dann an Nachrücker fallen.

„Wir befinden uns da in einer besonders schwierigen Situation“, sagt Boris Gehlen, der 1.Vorsitzende des Fan-Projekts, das für den FC den Verkauf der Auswärtskarten abwickelt, „wir haben dem Verein mitgeteilt, dass wir die Regelung nicht glücklich finden.“ Zum anderen entsteht eine gewisse Brisanz aus der Mitgliedschaft des Fan-Projekts im Fan-Bundesverband „Unsere Kurve“. Dieser hat in einer Pressemitteilung unmissverständlich klargemacht, was er von der Angelegenheit hält. „Sippenhaft und gläserne Fußballfans sind kein tragbares Zukunftsmodell für ein Sicherheitskonzept in deutschen Stadien“, heißt es dort.

Rainer Mendel wirbt weiter für das FC-Modell: „Von sieben zuletzt identifizierten Fans seien drei unorganisiert gewesen, vier konnte man einem Fanclub zuordnen aber keiner davon war als Vereinsmitglied registriert. Kein Nachweis über Täterprofile“, meint Mendel, „aber eine Tendenz ist zu erkennen“. Zudem seien rund 80 Prozent der Karten bisher bereits personalisiert gewesen, „aber es fällt doch auf, dass es die Probleme gerade bei den Spielen wie Bielefeld, Hamburg oder Duisburg, immer dann, wenn es einen freien Verkauf gab, auftraten. Und in keinen Fall konnten wir nachweisen, dass die Leute die Karten zuvor nicht bei uns gekauft hatten. Zudem haben wir bei all diesen Spielen im Stadion Leute mit Stadionverbot entdeckt.“

Aktuell entsteht jedoch das Bild eines Clubs, der eine zweifelhafte Vorreiterrolle im unnachgiebigen Umgang mit Fans eingenommen hat. Nach dem ersten Knall sind alle Seiten derzeit um moderatere Töne bemüht. „Ich frage mich immer noch, was den Verein da geritten hat“, sagt Holger Richter, „aber es gibt ein Gesprächsangebot. Man muss es noch mal im Guten versuchen.“ „Wir wollen ja nicht in erster Linie Strafen weiterleiten, sondern erreichen, dass sich die Fans endlich mit der Problematik auseinandersetzen. Mit den Gesprächsangeboten in der Vergangenheit ist uns das leider bislang nie gelungen“, sagt Rainer Mendel. Boris Gehlen entgegnet: „Ich hoffe, dass sich der Verein noch mal bewegt.“ (Faszination Fankurve, 1.02.2006)

Fanfotos 1. FC Köln




Weitere News:
08.11.2021: Ultras 1. FC Köln mit Stellungnahme zur aktuellen Situation
29.10.2021: Auch Kölner Fanszene macht für morgige Demo mobil
19.10.2021: Auseinandersetzung bei U19-Spiel zwischen Genk & Köln
15.10.2021: Plakate gegen Dietmar Hopp im Stadtbild von Köln
12.10.2021: „Bis auf weiteres keinen organisierten Support“

Alle 475 News anzeigen