30.11.2018 - Kiel/Sandhausen

Kritik an Polizei- & Ordnereinsatz sowie an Lokalpresse


Am vergangenen Samstag war der SV Sandhausen im Holstein-Stadion in Kiel zu Gast. Im ausgelagerten „Gästeblock“ in der Ecke der Haupttribüne kam es zu einem umstrittenen Einsatz des Ordnungsdienstes und später auch der Polizei gegen die wenigen mitgereisten SV Sandhausen-Fans, die nicht mal in den eigentlichen Gästeblock durften.

Der Gästeblock wurde für Holstein Kiel-Fans freigegeben und in einer Ecke der Haupttribüne ein kleiner Bereich für die wenigen Gästefans aus Sandhausen geöffnet. Dort kam es zu einem Konflikt unter Gästefans, weshalb die Ordner einschritten und einen SVS-Fans aus dem Stadion werfen wollten, was zu Solidarisierungseffekten und später zu einem Polizeieinsatz führte, bei dem auch Pfefferspray eingesetzt und drei Gästefans verletzt worden sein sollen.


„Ohne groß zu meckern, begaben wir uns eben in ein Eck der Haupttribüne, wo ein kleiner Bereich für uns abgesperrt werden sollte. Viele ahnungslose Ordner und ein somit komplizierter Kauf der Tickets später, konnten wir endlich in den definitiv nicht auswärtsfangerechten Bereich. Trotz der bis dahin schon ärgerlichen Umstände sangen wir gut gelaunt ein paar Lieder zur Einstimmung auf das Spiel. Leider kam dies bei einem ebenfalls angereisten SVS-Fan überhaupt nicht gut an, was wir durch lautstarke Beleidigungen seinerseits deutlich zu spüren bekamen. Aber halb so wild - geht man halt zu der Person und stellt sie zur Rede. Obwohl dies unproblematisch und auf kommunikativer Ebene geschah, witterten die Ordnungskräfte Gefahr und schritten ein. Daraufhin wollten sie einen unserer Jungs des Blockes verweisen, obwohl er mit beschriebener Szene keinen direkten Zusammenhang hatte. Natürlich versuchten wir dies zu verhindern - ein kleines Handgemenge später setzte sich die Security allerdings durch und begleitete betroffene Person grundlos aus dem Block. Der Rest solidarisierte sich mit ihm und verließ den Block ohne groß zu zögern ebenso. Die anschließende verbale Äußerung unseres Unmuts gegenüber der Ordner kam bei ihnen überhaupt nicht gut an. Nach dem Versuch uns wegzuschubsen, kamen Polizisten hinzu und vereint wurde mit einer ordentlichen Portion Gewalt gegen uns vorgegangen. Drei der neun betroffenen Fans erlitten Verletzungen durch unseren Freund und Helfer, einer von ihnen durch komplett unverhältnismäßigen Einsatz von Pfefferspray. Nicht genug: Direkte sanitäre Hilfe für betroffene Person wurde unterbunden und ließ somit mehrere Minuten auf sich warten. Nach mehreren Fotos und Aufnahme der Personalien durften wir mit Begleitung die Heimreise antreten. Alles in allen sind wir also über 1300 Kilometer an einem Tag gefahren, um knapp zehn Minuten vom Spiel zu sehen, drei nicht unerhebliche Verletzungen einzustecken, zwei kurzzeitige Festnahmen(!) hinnehmen zu müssen und in den nächsten Wochen große Vorfreude auf einen Brief vom Staat zu haben. An dieser Stelle möchten wir öffentlich dem Verein danken, der uns seine Hilfe in dieser Angelegenheit direkt zusicherte“, blickt die Szene 1916 auf die Vorfälle in Kiel zurück.


In der Heimkurve war hingegen der Derbysieg von Holstein Kiel II im Derby gegen den VfB Lübeck aus der Vorwoche noch Thema. „Derbysieger! Ruhm und Ehre Holsteins Amateure!“, war dazu auf einem Spruchband der Holstein-Fans zu lesen. Auf einem weiteren Plakat wurde zudem die reißerische Derby-Berichterstattung der Lokalzeitungen über das Derby kritisiert. „KN und Sportbuzzer: Hetze gegen Verein und Fans! Ihr seid so krass!“, stand auf dem an die Kieler Nachrichten gerichteten Spruchband geschrieben. Das Fanprojekt Kiel hat sogar eine Stellungnahme zum Thema verfasst: „Die Diskussion über Pyrotechnik in Stadien ist ein Thema, was bundesweit seit Jahren sehr kontrovers diskutiert wird. Wir möchten als Fanprojekt diese Debatte an dieser Stelle nicht aufgreifen. Fakt ist, das Abbrennen von pyrotechnischen Gegenständen in deutschen Fußballstadien ist verboten. Nichtsdestotrotz möchten wir Stellung zu dem Kommentar in den KN 'Der Sport ist zweitrangig' vom 20.11.2018 nehmen. Die Art und Weise, in der dort über die Vorkommnisse des Spiels Holstein Kiel II und dem VFB Lübeck geschrieben wurde, war reißerisch und sehr einseitig dargestellt. Es war die Rede von '[…] Eltern mit ihren hilflosen Kindern […]', die '[…] den gefährlichen Zündeleien einer kleinen Fangruppe ausgeliefert waren' und einem möglichen Szenario eines durch Pyrotechnik verursachten Todesfalls. Wir als Fanprojekt waren mit vier Mitarbeiter*innen an diesem Spieltag vor Ort und haben die Geschehnisse rund um das Derby live miterlebt. Dass durch Pyrotechnik Verletzungen entstehen können, steht außer Frage. Wenn man sich diesem Thema widmet, sollte jedoch eine sachliche Diskussion und Betrachtung stattfinden. In der vergangenen Spielzeit (2017/18) wurden laut ZIS (Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze) 53 Verletzungen durch pyrotechnische Gegenstände (ZIS - Jahresbericht 2017/2018, S.15) in den ersten drei Ligen bei insgesamt 21,03 Millionen Zuschauern (ZIS - Jahresbericht 2017/2018, S.8 f.) erfasst. Dies ergibt eine statistische Wahrscheinlichkeit einer Verletzung durch Pyrotechnik von 0,00025 %, wobei die Zahl für Unbeteiligte effektiv noch geringer ist, da die Bereiche in den Stadien, in denen Pyrotechnik gezündet wird, in der Regel nicht von unbeteiligten Eltern mit Kindern besucht werden. Dies soll in keiner Weise den Einsatz von Pyrotechnik legitimieren, jedoch trägt eine angstschürende und reißerische Darstellung nicht zu einer sachlichen Auseinandersetzung mit diesem Thema bei. Wir als Fanprojekt lehnen jegliche Form von Gewalt ab. So auch den Vorfall nach dem Spiel. Dass die restlichen 2.757 Zuschauer jedoch ein friedliches Derby erlebten, findet keine Erwähnung. Wir leisten seit über 5 Jahren Soziale Arbeit mit und für Fußballfans der KSV Holstein. Gewaltprävention ist dabei eines der zentralen Themen unserer Arbeit. Diese Arbeit wird durch das mediale Aufbauschen von Negativereignissen nicht gerade erleichtert und spiegelt nicht die Wirklichkeit wider. Angst, ein Spiel der KSV zu besuchen, hatten wir in den 5 Jahren unserer Arbeit noch nie“, kritisierte auch das Fanprojekt die Berichterstattung der Lokalpresse. (Faszination Fankurve, 30.11.2018)