02.11.2016 - Karlsruher SC

​Medienkritik der KSC-Ultras nach dem Derby


Nach der Berichterstattung rund um das Baden Württemberg Derby von vergangenem Sonntag melden sich nun die Ultras des Karlsruher SC mit einer Stellungnahme zu Wort, in der Kritik am Verhalten der Medien geübt wird. Die Ultras wünschen sich in Zukunft eine objektivere Berichterstattung. (Faszination Fankurve, 02.11.2016)


Faszination Fankurve dokumentiert die Stellungnahme von ULTRA1894.de:

Wie man ein künstliches Horror-Szenario heraufbeschwört, Teil 2

Am vergangenen Sonntag erlebte eines der gefürchtetsten Derbys des deutschen Fußballs eine Neuauflage: KSC gegen VfB. Auf allen anderen Ebenen ein erfolgreiches Derby, lediglich das Ergebnis stimmte am Ende nicht. Doch eben dieses sportliche Resultat war in der öffentlichen Wahrnehmung schon im Vorfeld der Partie zweitrangig und ist es in gewisser Hinsicht immer noch. Denn abseits des Spielfelds, soviel war allen Sport-, Polizei- und Medienvertretern in den Wochen vor dem Spiel klar, würden sich grausame Szenen zwischen den gegnerischen Fanlagern bzw. mit der Polizei abspielen. Sie sollten recht behalten. Die Bilanz nach dem Spiel liest sich dementsprechend verheerend: keine physischen Auseinandersetzungen, weder zwischen Fans, noch mit der Polizei, null Verletzte, null Tote, keine Personalienfeststellungen, keine festgesetzten Fangruppen, keine nennenswerten Festnahmen und diesbezügliche Anzeigen oder vorübergehende Ingewahrsamnahmen und erstattete Anzeigen, kein Einsatz von Schlagstock, Pfefferspray oder Wasserwerfer – noch nicht einmal verletzte Polizisten gab es zu beklagen. Etwas enttäuscht resümierte folglich die Onlineausgabe der Pforzheimer Zeitung nach dem Spiel: „Keine Krawalle trüben Fußballspaß beim Derby.“

Für uns war die gerade beschriebene Bilanz des Spiels zwar zu erwarten, für die Öffentlichkeit bzw. insbesondere die Medien allerdings scheinbar nicht. Doch drehen wir die Uhr um etwas mehr als zwei Wochen zurück und schauen, wie es dazu kam: Auslöser der Hysterie waren allem Anschein nach Plakate und Aufkleber im Großraum Karlsruhe, die als morgendlichen Treffpunkt für das Derby den Karlsruher Friedrichsplatz ausgaben. Deren Rhetorik passte sich dem üblichen Stadion- bzw. dem Sportjargon an: „Tod [und Hass] dem VfB“ hallt es seit Jahrzehnten durch den Wildpark, Aufkleber und Sprechgesänge mit dem Slogan „Tod und Hass Verein XY“ gibt es mehr oder weniger in jeder Stadt. Verfolgt man eine Mannschaft in der Tabelle, „jagt“ man sie für gewöhnlich und gewinnt man dann auch noch gegen sie auf dem Spielfeld, hat man sie „geschlagen“. Insbesondere die letzten beiden Begriffe gehören zum standardmäßigen Repertoire eines jeden Sportjournalisten und haben in diesem Zusammenhang längst ihren militanten Hintergrund verloren. Dass die Rhetorik der Plakate zweideutig interpretiert werden kann und vermutlich dementsprechend auch so gewählt wurde, ist keineswegs zu verneinen, was Medien, Polizei und Vereinsvertreter daraus gemacht haben, ist jedoch höchst fragwürdig: Ka-news meldete, dass Plakate in der Innenstadt den VfB-Fans den „Tod“ wünschen würden. Die BNN spekulierte wild über mögliche Treffpunkte von Schlägereien, etwa am Durlacher Bahnhof, und wohl etwas naiv meinte die Stuttgarter Zeitung schon den Ort der Krawalle zu kennen, da sie schließlich auf den Plakaten für 10 Uhr am Friedrichsplatz angekündigt waren. Ein Kolumnist des SWR verfehlte schließlich völlig den Kontext und forderte zwar zu Recht Gerichtsprozesse für Menschen, die andere Menschen totschlagen wollen, nur war das eben nicht auf den Plakaten zu lesen. Auch Einsatzleiter Rüffel von der Karlsruher Polizei gab naturgemäß seinen Senf zur Sache und stellte gleichzeitig dabei seine Untauglichkeit unter Beweis: Diese Dimension sei ihm neu und eine Wortwahl wie „Tod dem VfB“ bis jetzt völlig unbekannt – Es stellt sich die Frage, ob er bei seinen wöchentlichen Einsätzen im Stadion durchgehend im Cateringbereich verweilt oder Probleme mit dem Hören bzw. der Wahrnehmung hat. Unsere Vereinsführung, blass und unkritisch wie sie sonst auch immer ist, ließ sich natürlich in das Horror-Szenario mit einspannen und erstattete Anzeige aufgrund der Plakate.

Die Kirsche auf der Sahne war schließlich ein Brand in einem neben dem Fanprojekt gelegenen Reifenlager am vergangenen Donnerstagabend. Die Brandursache ist zwar noch nicht geklärt, verschiedene Medien (ntv, sat1, BNN etc.) spekulierten aber früh über einen Anschlag auf das Fanprojekt durch VfB-Fans. Dass man, wenn man ein Haus in Flammen sehen will, eher das betreffende Haus, als ein Nachbargrundstück anzündet, sollte sich von alleine verstehen. Was die Medien allerdings wiederum daraus machen, ist ein vortreffliches Beispiel dafür, wie verschoben und irrational die Sicht durch die Schaffung eines Horror-Szenarios vor dem Derby durch Medien, Polizei und Vereinsvertreter ist.

Die Medien sind im Vorfeld des baden-württembergischen Derbys nicht ansatzweise ihrem öffentlichen Auftrag einer objektiven, reflektierten und vor allem nicht verzerrten Berichterstattung nachgekommen. Oder um es auf den Punkt zu bringen: Nicht eine vermeintlich unvernünftige und infantile Grundhaltung in den Fangruppen, deren angeblich einzige Maxime im Leben Hass und Abgrenzung zu anderen Fangruppen zu sein scheint, sind Auslöser für die aufgeheizte Stimmung vor diesem und auch anderen Derbys. Es ist vielmehr die (bewusste oder unbewusste) unreflektierte und einseitige Berichterstattung in den Medien, meist gestützt auf übertriebene Darstellungen der Polizei, die eine breite Öffentlichkeit mobilisiert, die in einen Rauschzustand verfällt und explizit bei diesen besagten Fußballspielen schwerste Auseinandersetzungen nicht nur erwartet, sondern geradezu fordert. Finden diese, wie eben am letzten Sonntag nicht statt, muss etwas konstruiert werden: Dann ist das Anzünden eines Plüschkrokodils außerhalb des Stadions eben ausnahmsweise schlichtweg plötzlich gleichzusetzen mit „Fan-Randale“ und „Krawallen“ (BILD online) oder die Wortwahl der angemeldeten und genehmigten (!) Choreografie, die unglücklicherweise in den sensationsgeilen Medien bei so einem Spiel keine Würdigung findet, für den Kommentator bei Sport1 höchst unpassend.

Zukünftig wäre zu wünschen, dass Medien reflektiert und objektiv im Vorfeld eines Derbys berichten. Andernfalls heizen sie die Stimmung nur auf, dichten größeren Bevölkerungsschichten ein hohes Maß an Aggression an, schaffen eine sich selbst selbsterfüllende Prophezeiung und behindern darüber hinaus auf verschiedenen Ebenen die Polizeiarbeit.

Angemerkt sei noch am Rande, dass zwar über 1.000 Polizisten im Einsatz waren, diese aber dennoch nicht verhindern konnten, dass rund um den Wildpark erneut Autos während des Spiels aufgebrochen wurden.

Fanfotos Karlsruher SC




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