07.04.2016 - Nationalmannschaft

„Mit Megaphonen & Trommeln bei allen Spielen“


In Deutschland wurde zuletzt über die schlechte Stimmung bei Länderspielen der Nationalmannschaft diskutiert. Dass es auch anders geht, zeigt die Gruppe Hurricanes Österreich, die das Nationalteam im Nachbarland bei jedem Spiel über 90 Minuten mit Megaphonen, Trommeln und Gesängen unterstützt.


Faszination Fankurve: In Deutschland wurde zuletzt breit über die Stimmung bei Heimspielen der Nationalmannschaft diskutiert. Wie wird der Support der österreichischen Nationalmannschaft bei Heimspielen von euch organisiert?
Hurricanes Österreich: Grundsätzlich koordinieren wir mit Megaphonen und Trommeln bei allen Heim- aber auch bei allen Auswärtsspielen die Stimmung im österreichischen Fansektor. Zusätzlich sorgen wir mit einem intensiven Fahneneinsatz und Choreografien für optische Akzente. Andere Teamfanklubs helfen uns dabei die Stimmung im Fansektor weiter nach außen zu tragen, indem sie lautstark mitsingen. Im Wiener Ernst-Happel-Stadion – das größte Stadion Österreichs – sind die Fanklubs sehr gut aufgestellt, womit die Stimmung ungemein profitiert, weil dadurch mehr Leute in der Kurve sind, die das Team 90 Minuten pushen wollen. Aber das Nationalteam trägt seine Heimspiele nicht immer in Wien aus. In den letzten Jahren spielte das Nationalteam auch in Graz, Innsbruck, Klagenfurt, Linz und Salzburg. In den anderen Bundesländern sind wir – wie auch die anderen Teamfanklubs – kleiner aufgestellt, da diese Spiele für uns mit einer längeren Anreise verbunden sind und diese somit mehr Zeit, Geld und Mühen kosten. Wir probieren freilich auch dort das Maximum herauszuholen, aber mit Wien kann kein Bundesland ansatzweise mithalten. Unserer Meinung nach ist es wichtig, dass das Nationalteam ein eigenes Stadion hat und nicht den Spielort wechselt, denn nur so kann man von einem echten Heimstadion sprechen und nur so kann schließlich eine gute Fankultur aufgebaut werden. Man muss hier aber auch sagen, dass die Bauweise des Happel-Stadions für die Stimmung nicht besonders förderlich ist, da die Kurve vom Spielfeld sehr weit entfernt ist und der erste Rang – wo sich hauptsächlich die Post abspielt – sehr langgezogen, aber kaum hoch ist.

Die Stimmung beim letzten Heimspiel im Video:

Faszination Fankurve: 2010 stand man in Österreich vor ähnlichen Stimmungs-Problemen, wie heute in Deutschland. Erzählt doch mal, wie daraus eure Gruppe entstand.
Hurricanes Österreich: Unsere Gründungsmitglieder waren schon vor dem Jahr 2010 viele Jahre bei den Spielen der Nationalmannschaft in Wien. Wir versuchten immer alles für rot-weiß-rot zu geben, doch im Laufe der Zeit mussten wir leider beobachten, dass die Stimmung in der Kurve allgemein bergab ging. Schuld daran war womöglich auch die Leistung der Mannschaft, denn damals war man an einem Tiefpunkt angelangt. Anstatt blöd zu reden, entschieden wir uns die Sache selbst in die Hand zu nehmen und so gründeten wir die Hurricanes Österreich. Unser erstes Spiel als Fanklub war am 17. November 2010 in Wien gegen Griechenland. Mittlerweile war unser Fanklub bereits bei 44 Länderspielen vertreten und seit November 2011 haben wir kein Match mehr verpasst.

Faszination Fankurve: Wie werden eure Vorsänger vom Rest des Publikums angenommen?
Hurricanes Österreich: Wir finden, dass die Harmonie zwischen Vorsängern und Fankurve passt. Man muss sich als Vorsänger den Ruf und die Anerkennung aber hart erarbeiten, indem man seinen Job gut macht und immer, sowohl daheim als auch auswärts, dabei ist.


Faszination Fankurve: Wie viele Mitglieder habt ihr aktuell und wie kann man bei euch aktiv werden?
Hurricanes Österreich: Wir zählen aktuell etwas über 100 Mitglieder. Bei uns kann an und für sich jede/r Mitglied werden, der/ die das 16. Lebensjahr vollendet hat. Wir erwarten jedoch von unseren Mitgliedern, dass sie nicht nur im Stadion alles geben, sondern auch abseits bei unseren Fanklubaktivitäten und Choreoarbeiten aktiv dabei sind. Wir nehmen natürlich nicht jede/n willkürlich auf, sondern wollen unsere Mitglieder erst kennenlernen.

Faszination Fankurve: Wie werden die Choreografie, die ihr durchführt, finanziert und gemalt?
Hurricanes Österreich: Unsere Choreografien werden ausschließlich von unserem Fanklub bezahlt und vorbereitet. In einer Fankurve mit über 13.000 Plätzen geht das natürlich sehr ins Geld und ist mit viel Arbeit verbunden. Wir versuchen dennoch bei jedem Match, bei dem die Kurve gut gefüllt ist, etwas zu organisieren. Und auch auswärts konnten wir schon für schöne Bilder sorgen und da hat man dann nur ein paar hunderte oder tausende Fans im Sektor. Unsere Choreografien sind immer mit unserem Wappen (hauptsächlich auf den zugehörigen Spruchbändern) gekennzeichnet. Natürlich gibt es auch Choreografien in Zusammenarbeit mit anderen Teamfanklubs, wo man sich dann die Kosten und die Arbeit aufteilt. Manchmal organisiert der ÖFB als Verband – eventuell unter der Mithilfe anderer Teamfanklubs – Choreografien.


Faszination Fankurve: Welche weiteren Fangruppen gibt es in Österreich, die die Nationalmannschaft lautstark unterstützen?
Hurricanes Österreich: Es gibt sehr viele weitere Fangruppen und es werden stetig mehr. Auf unserer Webseite haben wir eine (unvollständige) Liste der Teamfanklubs.

Faszination Fankurve: Wie bekommt ihr es bei Heim- und Auswärtsspielen hin, dass der Stimmungskern zusammensteht?
Hurricanes Österreich: Die Eintrittskarten werden vom ÖFB so vergeben, dass die Fanklubs möglichst zusammenstehen – sowohl daheim als auch auswärts. Man muss sich zum Wohle der Stimmung dann aber auch untereinander absprechen, wo welches Banner hängt und wo schließlich wer steht. Es ist nämlich so, dass die Fanklubvertreter meistens hinter ihrem Transparent stehen, sodass wir oft keinen kompakten Block haben, sondern eher eine lang gezogene Reihe.

Faszination Fankurve: Gibt es bei Länderspielen der österreichischen Nationalmannschaft Konflikte zwischen Fans verschiedener Vereine?
Hurricanes Österreich: Freilich kommt es vor, dass es kleine Differenzen zwischen Personen unterschiedlicher Vereinszugehörigkeit gibt, aber im Großen und Ganzen ist das beim Nationalteam kein Thema. Bei uns im Fanklub im Speziellen spielt dieses Thema überhaupt keine Rolle und wir haben von sehr vielen österreichischen Vereinen Anhänger dabei. Es geht um Österreich und da sollte man dieses Denken ausschalten können!

Faszination Fankurve: Wie sieht eure Unterstützung bei Auswärtsspielen aus? Werden gemeinsame Fahrten organisiert?
Hurricanes Österreich: Wir organisieren für unsere Mitglieder immer die Auswärtsreisen, manche von uns reisen aber auch individuell. Je nach Spielort, Datum und Kosten kommen mehr oder weniger Leute mit. Am einfachsten sind natürlich immer Busfahrten aber auch viele Flugreisen wurden von uns schon organisiert. Wir versuchen natürlich auch auswärts das Maximum herauszuholen und so nehmen wir auch in den anderen Ländern Megaphone, Trommeln und Fahnen mit. Auch einige Choreografien konnten wir auswärts bereits durchführen.


Faszination Fankurve: Was ist von eurer Seite für die Europameisterschaft 2016 in Frankreich geplant?
Hurricanes Österreich: Unsere Kerngruppe wird während der Europameisterschaft pendeln. Wir spielen zunächst in Bordeaux und dann zweimal in Paris. Nach Bordeaux werden wir fliegen und nach Paris zweimal mit dem Bus fahren. Es gibt aber auch Mitglieder, die sich die Reise selbst organisiert haben und einen längeren Aufenthalt in Frankreich verbringen. Momentan steckt alles noch in Planung, aber wir werden in Zusammenarbeit mit anderen Teamfanklubs und dem ÖFB auch in Frankreich versuchen Choreografien durchzuführen.

Faszination Fankurve: Seit Bestehen eurer Gruppe kam es in WM und EM-Qualifikationsspielen zu insgesamt vier Aufeinandertreffen mit Deutschland. Wie habt ihr dabei die Stimmung der deutschen Fans erlebt?
Hurricanes Österreich: Ihr hattet Stimmung? Spaß beiseite. Also wenn ihr nicht immer gewonnen hättet, hätte man euch wohl gar nicht wahrgenommen. In Wien, aber auch in München, waren die Österreicher tonangebend. In Gelsenkirchen war es noch eher ausgeglichen, aber da verloren wir auch 2:6. Man merkt schon, dass es in Deutschland keinen organisierten Support wie bei uns gibt.

Faszination Fankurve: Unterscheidet sich eure Einschätzung der deutschen Stimmung bei Spielen in Österreich und Deutschland?
Hurricanes Österreich: Wir glauben nicht, dass sich die deutsche Stimmung bei Spielen in Österreich und Deutschland wirklich unterscheidet. Bei uns wird das Team 90 Minuten lang supportet. Wir versuchen auch immer wieder neue Fangesänge einzuführen, um mehr Vielfalt in die Kurve zu bekommen. Bei uns im Block gibt es auch einen starken Fahneneinsatz. Dies sind alles Dinge, die es vielleicht beim deutschen Nationalteam nicht gibt, aber euer grundlegendes Problem ist wohl, dass ihr kein eignes Nationalstadion habt, wo sich etwas aufbauen kann. Wenn das Team jedes Spiel den Ort wechselt und so klein ist Deutschland auch nicht – dann ist es sicher immens schwer eine gute Fankultur zu etablieren.


Faszination Fankurve: Von 2004 bis 2007 organisierten die Tornados Rapid die Stimmung und die Choreografien bei Länderspielen. Dieses Engagement wurde nach Konflikten mit dem Österreichischen Fußballverband eingestellt. Wie ist euer Verhältnis zu den ÖFB-Offiziellen?
Hurricanes Österreich: Das Verhältnis zwischen ÖFB und Hurricanes Österreich ist sehr gut. Es kann nur gemeinsam funktionieren, weil wir voneinander „abhängig“ sind. Es hat sich aber auch seit damals einiges beim ÖFB verändert. Man muss an dieser Stelle auch anmerken, dass man beim Nationalteam nicht dieselben Maßstäbe wie bei Bundesliga-Vereinen anlegen darf. Das sind zwei unterschiedliche Welten. (Faszination Fankurve, 07.04.2016)

Video mit Fanaktionen der Hurricanes aus dem Jahr 2015:​






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