22.06.2020 - F_in

Netzwerk F_in kritisiert Freispruch


Unter dem Titel „Wir. Sind. Fassungslos.“ hat das Netzwerk Frauen im Fußball (F_in) am Freitag Stellung genommen, nachdem öffentlich bekannt wurde, dass der Borussia Mönchengladbach-Fan, dem nach der Sonderzugrückfahrt von München im April 2018 ein Sexualdelikt vorgeworfen wurde, in zweiter Instanz freigesprochen wurde.

In erster Instanz wurde der Fan am 24. Mai 2019 vom Amtsgericht Mönchengladbach noch zu einer Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Das Gericht sah es damals als erwiesen an, dass der Mönchengladbach-Fan, der bereits vorbestraft gewesen sein soll, einen weiblichen Fan auf der Toilette des Sonderzugs vergewaltigt habe (Faszination Fankurve berichtete). Der Sonderzug wurde damals in Flörsheim gestoppt, damit die Frau aus dem Zug aussteigen konnte. Die Polizei kontrollierte anschließend die Personalien von den 750 Insassen an verschiedenen Bahnhöfen.

In zweiter Instanz folgte nun ein Freispruch für den Borussia Mönchengladbach-Fan und damit eine Rücknahme der Verurteilung von 2019. Das Netzwerk F_in, das seit 2004 als wichtiges Sprachorgan für viele weibliche Fußballfans auftritt, kritisiert den Freispruch, der noch nicht rechtskräftig ist: „Wir. Sind. Fassungslos. Wir sind keine Juristinnen, wir sind Fußballfans. Und wir sind Frauen. Wir leben in dieser Welt, waren schon in Stadien und Sonderzügen und haben unsere Erfahrungen gemacht. Die 'in dubio pro reo' und 'So ist das nunmal in unserem Rechtssystem' - Kommentare kann sich jede*r sparen. Zwar ist das Urteil noch nicht rechtskräftig und die Staatsanwaltschaft hat bereits Revision eingelegt, es geht aber um das Signal, das dieser Fall für alle Frauen sendet und um die Konsequenzen. Auch wenn das Sexualstrafrecht erneuert wurde, nun ein 'Nein heißt Nein' und nicht mehr nur körperliche Gegenwehr als Basis genommen wird, scheint es in diesem Fall nicht ausgereicht zu haben, Nein zu sagen. Ohnehin ist es schwierig, solche Fälle überhaupt anzuzeigen. Aus Scham, aus Kraftlosigkeit, aus Angst, aus Schuldgefühlen, alleine weil erneute Aussagen retraumatisierend sein können und die Prozedur alles andere als leicht ist. Dass die Betroffene mit dem Angeklagten geflirtet hat, ist nach wie vor keine Einladung, im nächsten Moment sexuell intim zu werden und weist ihr die Schuld für das Geschehene zu. Ihrer Aussage nach hat sie “Nein” gesagt und diesen weiteren Schritt nicht gehen wollen. Wir glauben ihr und müssen betonen: Auch wenn man nicht in der Lage ist, klar und deutlich Nein zu sagen, weil solche Situation extrem überfordernd oder lähmend sein können, ist Konsens verdammt wichtig! Es müssen endlich alle kapieren, dass gefragt werden muss, bevor es weitergeht, man sensibel für eine Situation sein sollte und nicht nur den eigenen Willen im Kopf haben kann. Auch nicht bei 3,0 Promille, auch nicht, wenn es vorher noch voll nett war. Wenn man sich so sicher ist, dass das gerade alles einvernehmlich ist, hat man bei einer Frage nichts zu verlieren. Und wenn doch ein 'Nein' kommt oder sich etwas komisch anfühlt, heißt es nun mal 'Stopp'! Allen, die jetzt sagen: 'Macht’s mal nicht so umständlich und unsexy, das zerstört die ganze Stimmung', kann man nur antworten: Wisst ihr, was nicht nur die Stimmung, sondern ganze Leben zerstören kann? Ungewollte sexuelle Handlungen“, kritisiert F_in das Signal, das von diesem Urteil ausgehe. (Faszination Fankurve, 22.06.2020)






Weitere News:
19.12.2019: F_in Konferenz im Juni 2020 in Berlin
31.03.2017: Netzwerk F_in Treffen in Wien
20.02.2015: 11. F_in Vernetzungstreffen
20.02.2011: Mein Leben als Capa. Frauen in der Fußballfanszene.