22.10.2014 - Hannover 96

Niedersachsenderby: Ermittlungserfolge der Polizei?


​Die Fanhilfe Hannover übt schwere Kritik an Polizei und Staatsanwaltschaft der niedersächsischen Landeshautstadt, die gestern eine Pressemitteilung veröffentlichten, in der von 272 Strafverfahren berichtete wird, die aufgrund der Ermittlungsgruppe „Derby“ eingeleitet wurden

Die Fanhilfe Hannover kritisiert die hohe Zahl, da in vielen Fällen die Ermittlungen bereits eingestellt seien. In der Pressemitteilung der Ordnungsbehörden sieht die Fanhilfe eine bewusste Täuschung der Öffentlichkeit. Ähnlich soll bereits 2013 nach Vorfällen in Achim verfahren worden sein, als auf 400 Ermittlungsverfahren keine einzige Verurteilung folgte.

In der Pressemitteilung der Polizei heißt es: „Diese intensiven Ermittlungsmaßnahmen führten nach polizeilicher Einschätzung auch dazu, dass die aktive Fanszene von Hannover 96 die Bundesligaspiele derzeit meidet.“ Die Fanhilfe kritisiert, dass hier die wahren Gründe für das Fernbleiben der Fanszene von den Spielen der Hannover 96 Profimannschaft bewusst verschwiegen wird, wie u.a. der Konflikt zwischen der aktiven Fanszene und Martin Kind bzw. weiteren Vereinsangestellten. Die Ermittlungsbehörden wollen sich dies als Erfolg auf die Fahne schreiben. (Faszination Fankurve, 22.10.2014)

Faszination Fankurve dokumentiert die Pressemitteilung der Fanhilfe Hannover und der Polizei Hannover:

Fanhilfe Hannover irritiert über die gemeinsame Pressemitteilung der Polizeidirektion Hannover und der Staatsanwaltschaft Hannover

Wie die Polizei und die Staatanwaltschaft heute bekannt gaben, sind die Ermittlungen der Ermittlungsgruppe "Derby" nahezu abgeschlossen. 105 Tatverdächtige sind ermittelt und 272 Strafverfahren eingeleitet worden. Die Fanhilfe ist irritiert, dass eine derartige Pressemitteilung heute bereits erging, obwohl bisher nicht ein Tatverdächtiger aus der Fanszene von Hannover 96 rechtskräftig verurteilt worden ist. Vielmehr liegen der Fanhilfe Hannover Informationen Betroffener vor, dass zahlreiche erhobene Tatvorwürfe sich nicht bestätigt haben und die Ermittlungen bereits eingestellt worden sind.

Hierbei zeigen sich Parallelen zu den Vorfällen von Achim im Februar 2013. Damals leiteten die Polizeibehörden über 400 Ermittlungsverfahren ein, die nach monatelangen Ermittlungen ausnahmslos eingestellt wurden. Nicht einem Fan konnte ein strafbares Verhalten nachgewiesen werden. Auch damals prahlte die Polizei gegenüber der Öffentlichkeit mit der hohen Zahl an eingeleiteten Verfahren. Selbiges ist mit der heutigen Pressemitteilung und mit den jüngsten Meldungen rund um das Amateurderby zwischen dem BTSV und Hannover 96 geschehen. "Wir sehen dahinter Methode und letztlich den Versuch der bewussten Desinformation der Öffentlichkeit", merkt Florian Meyer von der Fanhilfe Hannover an.

Mit großem Unverständnis nimmt die Fanhilfe zudem zur Kenntnis, dass scheinbar mehrere szenekundige Beamte der Polizei Hannover nicht in der Lage waren, den jahrelangen Streit zwischen Vereinsführung und aktiver Fanszene als Grund für das Fernbleiben der aktiven Fans bei den Spielen der ersten Mannschaft zu erkennen. "Es ist uns schleierhaft, wie man seitens der Polizei ernsthaft annehmen kann, dass die bloße Einleitung von Ermittlungsverfahren gegen bisher ausschließlich Tatverdächtige dazu geführt haben soll, dass eine drei- bis vierstellige Anzahl von Fans die Spiele der ersten Mannschaft meidet" sagt Florian Meyer.

"Uns drängt sich vielmehr der Verdacht auf, dass auf die Polizei ein großer Ermittlungsdruck durch das Innenministerium ausgeübt wurde, unter dem jetzt Ergebnisse erbracht werden mussten. Insbesondere das Thema Pyrotechnik ist bereits von Gerichten als einfache Ordnungswidrigkeit eingestuft worden. Ob eine Kostenumlage überhaupt rechtlich möglich ist, ist zudem ebenfalls erst einmal grundsätzlich zu klären." fährt Meyer fort.

In diesem Zusammenhang kritisiert die Fanhilfe Hannover erneut die Vergabe von 14 Stadionverboten im Rahmen der bisherigen Ermittlungen. "Wie bereits angesprochen, ist bisher keine Person einer Straftat überführt worden. Bis dahin gilt die Unschuldsvermutung. Mit der Vergabe der Stadionverbote untermauert der Verein Hannover 96 lediglich erneut, dass er rechtsstaatliche Prinzipien mit Füßen tritt." so Meyer weiter.

Bereits im Rahmen des Rückspiels Eintracht Braunschweig - Hannover 96 hatte der Verein unter Druck des Innenministeriums mehreren hundert Anhängern die Herausgabe der Tickets verweigert. Die Fans klagten gegen dieses Vorgehen. In allen der bisher abgeschlossenen Verfahren hatte der Verein vor Gericht Niederlagen einstecken müssen. Bei den noch ausstehenden Verfahren hat Hannover 96 bereits die Kostenübernahme der Verfahren erklärt, was als Schuldeingeständnis zu werten ist.

Sollten sich die erhobenen Tatvorwürfe in einigen Fällen als unberechtigt erweisen, schließt die Fanhilfe Anzeigen gegen Ermittlungsbehörden nicht aus. Sofern der Anfangsverdacht nicht ausreichend begründet war und dafür unverhältnismäßige Maßnahmen seitens der Ermittler angewendet worden sind, wie in diesem Fall massive Eingriffe in die Privatsphäre, wird die Fanhilfe allen Betroffenen Fans zu rechtlichen Schritten gegen die Polizei raten.

Fanhilfe Hannover, 21.10.2014

Gemeinsame Presseinformation der Staatsanwaltschaft Hannover und der Polizeidirektion (PD) Hannover Ermittlungen zum Bundesligaspiel Hannover 96 gegen Eintracht Braunschweig weitgehend abgeschlossen
Nach fast einem Jahr sind die umfangreichen Ermittlungen bezüglich der Ausschreitungen rund um das Niedersachsenderby vom 08.11.2013 nahezu abgeschlossen. Die Bilanz: 272 Strafverfahren und 105 ermittelte Tatverdächtige.

Aufgrund der Vielzahl von Straftaten rund um das Spiel war bereits im November 2013 die Ermittlungsgruppe "Derby" eingerichtet worden. Die Beamten konzentrierten sich überwiegend auf die Aufklärung "fußballtypischer" Straftatbestände wie Sachbeschädigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Landfriedensbruch, Körperverletzung und Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz (Abbrennen von Pyrotechnik). Es wurden insgesamt 22 Durchsuchungsbeschlüsse (17 in Hannover und fünf in Braunschweig) vollstreckt. Dabei konnte umfangreiches Beweismaterial - Computer, Bekleidung, pyrotechnische Gegenstände und Graffitizubehör - beschlagnahmt werden. Die Tatverdächtigen - ein Großteil Sympathisanten von Hannover 96 - haben neben den strafrechtlichen Konsequenzen auch mit erheblichen zivilrechtlichen Forderungen seitens des Vereins Hannover 96 zu rechnen. Zudem wurden im Zusammenhang mit den geführten Ermittlungen 14 Stadionverbote verhängt, weitere mögliche Stadionverbote werden seitens des Vereins geprüft.

Die gewonnen Erkenntnisse der EG "Derby" ergaben einen Einblick in die Fanstrukturen. Diese intensiven Ermittlungsmaßnahmen führten nach polizeilicher Einschätzung auch dazu, dass die aktive Fanszene von Hannover 96 die Bundesligaspiele derzeit meidet. Auch in Zukunft werden intensive Maßnahmen durchgeführt, um Gewalt und Straftaten im Zusammenhang mit Fußballspielen zu verhindern und Gewalttäter zu ermitteln.

Fanfotos Hannover 96




Weitere News:
26.10.2021: Offener Brief der Fanszene Hannover an die Landesregierung
08.10.2021: Fanszene Hannover nennt Bedingungen für Rückkehr
01.10.2021: „Voraussetzungen für die Rückkehr ins Stadion diskutieren“
20.08.2021: Mit Hannover 96 durch Europa
06.08.2021: Kneipenaktion der Hannover 96-Fanszene

Alle 377 News anzeigen