30.01.2017 - Bayer 04 Leverkusen

Nordkurve Leverkusen nimmt Stellung


Nach der Pyroaktion vor dem Heimspiel von Bayer Leverkusen gegen Mönchengladbach nimmt nun die Nordkurve Leverkusen Stellung zur aktuellen Situation und distanziert sich von Böller- und Fackelwürfen. Gleichzeitig versucht der Dachverband eine Spaltung innerhalb der Fanszene zu verhindern.

Die Nordkurve 12 versucht die Entwicklungen in Leverkusen in den letzten Monaten Revue passieren zu lassen und erklärt, wie sich das Verhältnis zwischen Fanszene und Verein kontinuierlich verschlechtert hat. Das Ziel der Nordkurve Leverkusen ist es, wieder ein Vertrauensverhältnis zwischen Fans und Verein herzustellen, damit gemeinsam an einem Strang gezogen werden kann. Die Nordkurve schlägt deshalb vor, dass sich auch Ultras und Vereinsvertreter wieder an einen Tisch setzen, zum Beispiel begleitet von einem neutralen Schlichter. (Faszination Fankurve, 30.01.2017)


Faszination Fankurve dokumentiert die ausführliche Stellungnahme des Dachverbands Nordkurve Leverkusen:

Durchatmen

Leverkusen – An Pyrotechnik scheiden sich seit jeher die Geister. Befürworter und Kritiker werden bei diesem Thema gleichermaßen emotional wie bei kaum einem anderen, sachliche Diskussionen scheinen kaum mehr möglich und sind vielleicht auch gar nicht gewollt. Und dennoch ist es gerade nach den Ereignissen von Samstag zwingend notwendig, sich sachlich mit der Thematik auseinanderzusetzen. Denn die Eskalation ist letztlich nur das Ende einer Entwicklung, die womöglich vermeidbar gewesen wäre, wenn die Verhältnisse zwischen vielen Fans (beileibe nicht nur den Ultras!) und der Vereinsführung in Leverkusen nicht derart zerrüttet wären, dass schon seit längerem jeder Schritt des Gegenübers von allergrößtem Misstrauen begleitet wird.

Aus unserer Sicht sind jetzt zwei Dinge nötig: Wir müssen einerseits die Dinge klar beim Namen nennen und gleichzeitig den Blick nach vorne richten, um eine weitere Eskalation zu verhindern. Denn eine Spaltung kann keiner wollen, weder zwischen Verein und Fans, noch innerhalb der Fanszene. Insbesondere wir als Dachverband, der die Interessen aller aktiven Fans vertreten möchte, sehen uns darin gefordert, aus Leverkusen wieder die Einheit zu machen, die wir mal waren, derzeit aber ganz offensichtlich nicht mehr sind.

Die Pyro-Debatte hat viele Aspekte, die diskutabel sind und zu denen mehrere Positionen legitim sein sollten. Wer aber beispielsweise Böller verwendet oder bengalische Fackeln wirft und damit andere in Gefahr bringt, der nimmt sich selbst alle Argumente und disqualifiziert sich für eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Thema. Dabei ist es vollkommen unerheblich, ob dabei jemand verletzt wird oder nicht. Dass dem am vergangenen Samstag so war, setzt dem ganzen aber die Krone auf. Wir können das Geschehene nur bedauern und wünschen beiden verletzten Personen eine schnelle und gute Besserung. Wir distanzieren uns klar und deutlich von der Verwendung von Böllern sowie dem Werfen von bengalischen Feuern. Was dort vor Spielbeginn im Stadion passiert ist, ist vollkommen inakzeptabel.

Doch wie konnte es überhaupt soweit kommen? Warum herrscht in Leverkusen ein solch aggressives Klima zwischen einem Teil der Fans und dem Verein?

Schon seit der Auswärtstour in Paris 2014, als nach dem unsäglichen Umgang der französischen Polizei mit hunderten Bayer-Fans jede Rückendeckung der Vereinsführung fehlte, schwelt ein Konflikt. Viele Fans haben nicht vergessen, dass der Verein sich damals vor seiner Verantwortung drückte, den eigenen Anhängern den Rücken zu stärken. Dies hatte bis vor kurzem zwar keine größeren Konflikte provoziert, Reibungspunkte gab es aber immer wieder – auch weil immer wieder das Gefühl aufkam, nicht ernst genommen zu werden. Ein „Fan der Fans“ zu sein äußert sich nicht darin, dies immer wieder medienwirksam zu bekräftigen, sondern auch Taten folgen zu lassen, die Vertrauen schaffen.

Am Ende der Entwicklung, die mit der Eskalation am Samstag endete, steht das Banner, mit dem sich Bayer-Fans im Dezember 2016 gegen eine Mega-Stelze und für die Tunnellösung beim Ausbau der A1 aussprachen selbiges verboten und mit einem Stadionverbot bestraft wurde. Mittlerweile wurde die Strafe nach einer Intervention unseres Verbandes zumindest reduziert.

Zudem gab es unlängst durch den DFB bundesweit gültige Stadionverbote für die beiden Vorsänger, weil diese beim Pokalspiel in Pirmasens auf dem Zaun standen, wie ihre Rolle als Vorsänger das nunmal vorsieht. Auch wenn die Verbote nicht durch Bayer 04 ausgesprochen wurden, sorgten diese sie für weitere Unruhe in der Nordkurve. Gleiches gilt für die geplante Choreo des Fanclubs „Farbenstadtinferno“, die mit dem Hinweis auf die Brandsicherheit durch den Verein verboten wurde, weil offenbar schadhaftes Material verwendet wurde. Für einen zweiten Anlauf wurde die Choreo dann mit Unterstützung des Vereins brandsicher gemacht. Dieses mal griff jedoch die Stadt Leverkusen ein und verbot die Choreo, ohne eine erneute Brandprüfung vor Ort zu unternehmen.

Viele Fans machen jedoch auch dafür Bayer 04 Leverkusen verantwortlich. Das ist ein deutliches Zeichen dafür, wie groß das Misstrauen mittlerweile ist. Fakten sind mittlerweile nicht mehr wichtig, es regieren Stimmungen und Emotionen. Das ist in einem gewissen Maße in Ordnung, muss aber Grenzen haben. Grenzen, die in der Vergangenheit bereits überschritten und die am Samstag in inakzeptabler Art und Weise eingerissen wurden.

Auch die betroffenen Ultras oder ihr Umfeld können nicht von sich behaupten, an der Eskalation unschuldig zu sein. Statt sich mit dem Verein an einen Tisch zu setzen und zu versuchen, langsam wieder ein zartes Pflänzchen Vertrauen wachsen zu lassen, reagieren Fans und Verein mit größtmöglicher Härte. Der Verein sanktioniert und bestraft, verhängt immer härtere und rigidere Strafen. Einige Ultras reagieren gleichzeitig immer kompromissloser und versuchen zu zeigen, dass sie sich nichts verbieten lassen. Miteinander zu reden und Lösungen zu finden, scheint bei keiner der beiden Parteien besonders hoch im Kurs zu stehen. Ein Jammer, denn auf diese Art und Weise sind wir in eine Spirale aus Aktion und Reaktion geraten, die für die breite Masse der Fans ärgerliche Züge angenommen hat.

Auch die nicht direkt beteiligten Fans im Stadion und Internet kennen nur noch zwei Lager: Gut oder Böse, Schwarz oder Weiß. Munter wird auf teils so derbe Art und Weise aufeinander eingeprügelt, dass man sich fragen muss, ob uns allen das Gleiche – der bedingungslose Support unseres Vereins – wichtig ist oder ob es nur noch darum geht, seine festgefahrene Meinung durchzusetzen.

Dabei ist die sportliche Situation doch aktuell bereits beschissen genug. Eigentlich sollten wir viel eher über die Frage diskutieren, warum unsere hochbegabte Truppe einen solchen Fußball spielt, die Hinrunde komplett und auch den Start in die Rückrunde teilweise in den Sand gesetzt hat, dabei fußballerisch kaum mehr glänzt und sich gegen Gladbach nicht einmal mehr vernünftig zu wehren wusste. Diskutieren, ob der Trainer die Mannschaft noch auf Kurs Europa bringen kann oder vielleicht doch nicht mehr der Richtige ist. Stattdessen ergehen wir uns mehr und mehr in internen Scharmützeln untereinander und mit dem Verein.

Die durch Böller völlig aus dem Ruder gelaufene Pyroaktion beim Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach muss ein Weckruf für alle Beteiligten sein: für die Vereinsführung um Michael Schade, für den Unternehmensschutz um Ralf Ziewer, für die Ultras, aber auch für die Nicht-Ultras. Machtspielchen, ein kompromissloses Beharren auf der eigenen Meinung und das starre Ausleben von Eitelkeiten führen uns noch weiter in die völlig falsche Richtung und weg von unseren ordinären Zielen.

So kann es nicht weiter gehen. Es ist an der Zeit, sich endlich an einen Tisch zu setzen, sich zu hinterfragen und das eigene Vorgehen zu reflektieren. Angesichts dessen, dass das derzeitige Vertrauen ineinander auf dem Nullpunkt liegt, halten wir es für unbedingt sinnvoll, diesen Prozess unverzüglich zu beginnen und hierfür einen neutralen Mediator einzuschalten, damit beim Blick in die Zukunft kein vollends gespaltener Block und keine vollends vom Verein abgewandte Fanszene zu sehen sind, sondern eine Einheit, die unsere Mannschaft zu größtmöglichen Erfolgen antreiben kann. Lasst uns handeln!

Fanfotos Bayer 04 Leverkusen




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