07.05.2014 - Hamburger SV

Pfeffersprayeinsatz im Block 22c


Ein Polizeieinsatz beim Spiel zwischen dem Hamburger SV und Bayern München sorgt für große Diskussionen. Im Block 22c kam es wegen einem Banner mit der Aufschrift „ACAB“ zu einem Pfeffersprayeinsatz. Die Chosen Few und der Hamburger SV reagierten auf den Vorfall.

Offener Brief der Chosen Few an den Vorstand vom Hamburger SV:
Offener Brief an den Vorstand des Hamburger Sport-Vereins

Lieber Vorstand,

mit Erstaunen, nein, mit Wut und Enttäuschung haben wir das Pamphlet gelesen, das Ihr als "Stellungnahme" zu den Ereignissen am 3. Mai 2014 während des Spiels gegen den FC Bayern veröffentlicht habt. Wir haben uns daher dazu entschieden, Euch einen offenen Brief zu schreiben.

Zuerst einmal: Die Abkürzung "ACAB" stellt keine Beleidigung im strafrechtlichen Sinne dar. Dies bestätigt nicht nur das von uns in unserer Stellungnahme vom 4. Mai veröffentlichte Urteil aus Karlsruhe, sondern ferner auch der an der Universität Hamburg lehrende Prof. Dr. Ulrich Karpen, der heute, am 6 Mai 2014 im Hamburger Abendblatt zitiert wird. Um genau zu sein, spricht Karpen der Polizei sogar das Recht ab, in diesem Falle wegen des Banners einzugreifen. Somit liegt auch kein Verstoß gegen die Stadionordnung vor, wie von Euch perfider Weise behauptet wird. Hier liegt weder der Tatbestand der Diskriminierung, wie in §6, Absatz 2, Satz l der aktuellen Arena-Ordnung beschrieben, vor, noch der Tatbestand von Personengruppen oder Institutionen, wie in §6, Absatz 4, Satz a der Arena-ordnung zu lesen ist. Das alles hättet Ihr als Hausrechtsinhaber übrigens wissen können, wenn nicht sogar müssen, denn in Euren Reihen befindet sich mit Oliver Scheel ein Volljurist und Rechtsanwalt. Doch lasst uns raten: Er war nicht in die Erstellung Eurer Stellungnahme und schon gar nicht in den Einsatz am Sonnabend involviert. Oder sollten wir uns irren? Nebenbei: Wenn Ihr so sehr Beleidigungen verabscheut, warum dürfen dann irgendwelchen Individuen auf Eurer Facebookseite und in den Foren ungestraft noch weitaus Schlimmeres als Pfefferspray für die "Totengräber aus 22c" fordern?

Richtig ist hingegen, dass wir uns geweigert haben, das Banner mit der Aufschrift "ACAB" zu entfernen. Dies wurde dem tatsächlich löblich deeskalierend agierenden Ordnungsdienst und der Fanbetreuung mitgeteilt und plausibel begründet. Dass diese gehindert wurden, das Banner zu entfernen, ist schlichtweg frei erfunden. Vielleicht solltet Ihr nicht jeden Mist aus der Mopo glauben. Eure Aussage, dass daraufhin Polizisten in die Mundlöcher von 25a und 22c beordert wurden, ist bereits sachlich falsch. Zum Einen, weil es hinter 25a gar keine Mundlöcher gibt, zum Anderen, weil die Beamten bereits deutlich vor der Unterredung mit dem Ordnungsdienst an den Mundlöchern von Block 22c auf ihren Einsatz warteten, und zwar voller Vorfreude und in Aufwärmübungen vertieft. Im Übrigen hat dies auch die Fanbetreuung sowie das Fanprojekt bestätigt, die Ihr ganz offenbar gar nicht erst gefragt habt. Diese haben der Polizei übrigens dringend von einem Einsatz abgeraten. Es ist absolut unverständlich, dass Ihr diese Tatsache einfach unter den Tisch fallen lasst. Noch viel unverständlicher ist übrigens, dass Herr Jarchow diesen Einsatz vereinsinternen Quellen zufolge abgesegnet hat. Oder um es in Euren Worten zu sagen: Wir sehen den Vorstandsvorsitzenden (nicht erst seitdem) als "zumindest problematisch" an.

Wie bereits in unserer Stellungnahme am 4. Mai geschrieben, wurden die Beamten keineswegs angegriffen. Vielmehr wird andersherum ein Schuh daraus. Die Beamten der eingesetzten Einheiten stürmten den Block und setzten unverzüglich Schlagstöcke ein, woraufhin sich die Anwesenden zur Wehr setzten. Später kam auch der Einsatz von Pfefferspray hinzu. Kleine Nachhilfestunde für Euch: Pfefferspray ist in der internationalen Kriegsführung verboten, darf aber von der deutschen Polizei als sogenannte Distanzwaffe gegen Zivilisten eingesetzt werden. Das ist eigentlich an sich schon ein Skandal, dass dies allerdings in einem mit 1.500 Fans (unter anderem auch Kinder) besetzten Block und in den angrenzenden Nebenblöcken geschieht, sollte eigentlich dazu führen, dass eine Vereinsführung vehement dagegen protestiert anstatt sich auf die Seite der Polizei zu schlagen. Nun seid Ihr schon immer Duckmäuser und Nichtskönner gewesen, doch so viel Augenmaß hätten wir selbst Euch zugetraut. Wie die Polizei übrigens mit ihrer chemischen Distanzwaffe umgeht, lässt sich hervorragend auf dem bei mopo.de hochgeladenen Video erkennen. Hier ist unter anderem erkennbar, wie ein Beamter einem Fan, der nicht einmal die Hand erhoben hat, aus weniger als einem Meter sein Pfefferspray ins Gesicht sprüht.

Lapidar erwähnt Ihr in Eurer Stellungnahme, dass unser Banner zerrissen wurde und sich die Beamten daraufhin entfernten. Richtig, nachdem man diverse Personen verletzt hatte, zerriss man noch unser Banner – wohlwissend, welche Auswirkungen dies haben würde – und verließ den Block. Die Auseinandersetzungen setzten sich, das ist ganz richtig, auf den Umläufen fort. Allerdings waren hier nicht "Fans" beteiligt, sondern Fans und Mitglieder Eures Arbeitgebers, die von einer den Knüppel schwingenden und Pfefferspray sprühenden Horde Beamter angegriffen wurden und deren Freunde schwer verletzt wurden (um es im Beamten-Deutsch auszudrücken). "Fans" und Mitglieder, denen diese beiden Anführungszeichen sicherlich nicht nur die Zornesröte ins Gesicht treiben, sondern für die diese beiden Anführungszeichen ein härterer Schlag ins Gesicht sind, als ihn jeder Hamburger Polizist mit seinem Schlagstock ausführen kann.

Interessant wird es dann am Ende, denn Ihr wollt auf die Polizei zugehen, um die Ereignisse intern aufzuklären. Wir schreiben heute den 6. Mai 2014. Es sind also bereits drei Tage ins Land gegangen, in denen Ihr es nicht für angebracht gehalten habt, überhaupt einmal bei den Betroffenen nachzufragen, was in Block 22c passiert ist, geschweige denn ob alle Fans Wohl auf sind. Nicht einmal die Fanbetreuung scheint in Eure "Aufarbeitung" einbezogen zu werden. Stattdessen wollt Ihr Euch mit einem Polizeiapparat zusammensetzen, dessen Beamte mehr als 150 Personen aus einem nichtigen Grund verletzt haben.

Ihr werdet uns nachsehen, dass wir noch ein paar Fragen an Euch haben.

1. Ist ein Spruchband, dass von der freien Meinungsäußerung gedeckt wird, tatsächlich ein Grund für einen Polizeieinsatz? Oder anders gefragt: Macht Ihr Euch das Recht, wie es Euch gerade in den Kram passt?

2. Wurde die Fanbetreuung in Eure Stellungnahme involviert?

3. Stimmt es, dass Herr Jarchow diesen Einsatz angeordnet und damit das ganze Chaos ausgelöst hat?

4. Ist es richtig, dass wir den Verschlag räumen müssen, in dem unsere Choreo-Materialien lagern? Falls ja: Warum und warum auch Poptown?

6. Wie kann man ein solches Statement raushauen, wenn man Zeuge des Angriffs durch die Polizei geworden ist?

7. Was wäre eigentlich passiert, wenn man den Banner einfach hängen gelassen hätte?

Mittlerweile gibt es eine Senatsanfrage, um den Polizeieinsatz in 22c aufzuklären. Das macht uns zumindest ein wenig Hoffnung, wenngleich wir eigentlich davon ausgehen, dass sich die Hamburger Polizei, bzw. Innensenator Naumann wieder einmal in Wischiwaschi-Ausreden verlieren wird. Kritikfähigkeit ist bei den Sicherheitsbehörden eben grundsätzlich ein Fremdwort. Dazu haben wir sehr viel Zuspruch, selbst von Kritikern, erhalten. Vielen Dank dafür!

Weniger großartig ist dann die Tatsache, dass Ihr, verehrter Vorstand, uns derart in den Rücken fallt. Denen, die Euer Team bedingungslos nach vorne peitschen und über die gesamte Saison, selbst in akuter Abstiegsgefahr und trotz katastrophalem Verhalten der Vereinsführung noch Choreografien und andere Aktionen auf die Beine gestellt haben. Damit meinen wir auch Eure Stellungnahme, in der Ihr offenbart, wes Geistes Kind Ihr seid. Vor allem aber meinen wir den Austausch der Schlösser an unserem Materialraum, das Ganze kurz vor dem ersten entscheidenden Spiel in Mainz und eventuell zwei weiteren Entscheidungsspielen in der Relegation, zu dem wir eigentlich auch gerne diesem Raum für eine Choreo genutzt hätten. Aber was solls: Ihr habt es ja auch in den vergangenen Monaten nicht geschafft, den HSV souverän durch den Abstiegskampf zu leiten und seine Fans und Mitglieder auf allen Seiten mitzunehmen, wie konnten wir erwarten, dass es ausgerechnet bei diesem Thema besser wird…

Chosen Few Hamburg, am 06 Mai 2014

Stellungnahme der Chosen Few zu den Vorfällen beim Spiel gegen Bayern München:

Stellungnahme zu den Vorkommnissen vor und während des Spiels Hamburger SV – FC Bayern München

Vor dem Spiel des Hamburger SV gegen den FC Bayern kam es zu 25 Ingewahrsamnahmen gegen Mitglieder der HSV-Fanszene, die für uns teilweise absolut nicht nachvollziehbar waren und mit unnötiger Brutalität durch die Polizei durchgeführt wurden.

Um hiergegen zu protestieren, entschieden sich die Gruppen Poptown Hamburg und Chosen Few Hamburg dafür, zwei Spruchbänder mit der Aufschrift ACAB (All Cops are Bastards) vor ihren jeweiligen Standorten im Stadion aufzuhängen. Nun mag man darüber streiten, ob der Wortlaut angebracht war, strafrechtlich relevant ist er jedenfalls laut eines Urteils des Landgerichtes Karlsruhe vom 8. Dezember 2011 (Aktenzeichen 11 Ns 410 Js 5815/11) nicht. Der Aufforderung, das Spruchband zu entfernen, kamen beide Gruppen nicht nach. Die Begründung ist einfach. Der Protest mittels Spruchband war und ist die einzige Möglichkeit, um gegen Willkürmaßnahmen der Staatsmacht zu protestieren. Anzeigen und Dienstaufsichtsbeschwerden verlaufen in diesem Staat in aller Regel im Sand, schlimmer noch: wer Anzeige gegen Beamte erstattet, muss fest davon ausgehen, dass ihn eine Gegenanzeige erwartet.

Während im Block 25a, dem Standort von Poptown, keine Einsatzkräfte einmarschierten, geschah genau dies kurz vor dem Ende der Halbzeitpause im Bock 22c, wo die Chosen Few beheimatet ist. Fanbetreuung und Leitung des Ordnungsdienstes hatten im Vorwege dringend davon abgeraten, den Block zu stürmen. Dies hat die Einsatzleitung der Polizei konsequent ignoriert. Wir fragen uns: Wer hat hier eigentlich das Hausrecht und wer eigentlich einen solchen Wahnsinnseinsatz veranlasst? Gibt es ein Veto-Recht des HSV, und wenn ja – warum wurde davon nicht Gebrauch gemacht?

Von einem direkten Angriff auf die Polizisten, wie von der Pressestelle der Hamburger Polizei behauptet, kann gar keine Rede sein. Vielmehr berichten Augenzeugen, Fanbetreuer und Ordner einhellig davon, wie sich die eingesetzten Beamten voller Vorfreude hinter dem Block 22c aufwärmten, als ginge es gleich in einen (un-)sportlichen Wettkampf.

Der Angriff auf Block 22c wurde sofort mit Knüppel und Pfefferspray durchgeführt. Parallelen zum Spiel Schalke 04 – PAOK Saloniki sind deutlich zu erkennen. Allerdings hätten wir nicht gedacht, dass nach dieser desaströsen Fehlleistung der Polizei Gelsenkirchen so etwas auch in Hamburg möglich ist. Erneut offenbart sich hier die nicht vorhandene Kritik- und Lernfähigkeit der Polizei.

Neben der Tatsache, dass unter dem Einsatz massiver Gewalt – auch vor Familien mit Kindern wurde nicht Halt gemacht – unseren Schätzungen nach etwa 150 bis 200 Verletzte zu beklagen sind, wurde zudem deutlich über das Einsatzziel hinausgeschossen. So entwendete die Polizei nicht nur das besagte Transparent, sondern zerstörte außerdem vorsätzlich die Zaunfahne der Chosen Few. An zwei Stellen zerrissen Beamte diese. Eine reine Provokation, die nebenbei noch den Tatbestand der Sachbeschädigung erfüllt.

Über die Konsequenzen dieses Einsatzes, der für die aktive Fanszene des HSV einer Kriegserklärung der Polizei gleichkommt, wird nachzudenken sein. 150 bis 200 Verletzte und Dutzende Personen, die hinter den Blöcken liegen und sich übergeben sowie ärztlich behandelt werden müssen, sprechen eine klare Sprache und sind der Beweis dafür, dass ein ACAB-Transparent, um das es am Ende lediglich ging (nicht um Gefahr im Verzug, eine Horde brandschatzender Gewalttäter, etc.) mehr als angebracht war und ist.

Am Ende bleibt uns nur noch "Danke" zu sagen. An die zahlreichen freiwilligen Helfer, den Block 22c für die Unterstützung, an den Ordnungsdienst, der im Gegensatz zur Polizei den gesamten Tag über Fingerspitzengefühl zeigte, an die Mitarbeiter von Aramark, die unbürokratisch und wie selbstverständlich mit Bechern und Wasser ausgeholfen haben, an die Fanbetreuung, das Fanprojekt und den SC, die Schlimmeres verhindert und klare Worte gefunden haben und last but not least an die Schickeria München, die sich trotz aller Rivalität solidarisiert hat, anstatt unnötige Schmähgesänge anzustimmen.

Kein Dank gebührt all jenen Medienvertretern, die ohne Befragung der Fanvertretung Halbwahrheiten verbreiten. Aber damit sind sie ja mit unserem unfähigen Vorstandsvorsitzenden in guter Gesellschaft, der monatelang gar nicht in Erscheinung tritt und dann natürlich ohne Befragung seiner eigenen Mitarbeiter noch mehr Öl ins Feuer gießt.

Chosen Few Hamburg am 4. Mai 2014

Hier geht es zur Stellungnahme des Hamburger SV zum Thema.
Hier geht es zu einer Anfrage der Partei Die Linke zum Thema.
Hier geht es zur Facebook-Seite besorgter Eltern, deren Kinder bei den Vorfällen verletzt wurden.

Fanfotos Hamburger SV




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