21.05.2014 - Rapid Wien

Rapidler weiter mit Fußfessel – Gericht in der Kritik


Mehrere Fans von Rapid Wien müssen nach den Vorfällen beim Testspiel gegen den 1. FC Nürnberg weiterhin eine Fußfessel tragen. Das Vorgehen der Gerichte im Nachgang der Vorfälle gerät immer mehr in die Kritik. Das Oberlandesgericht nahm Entscheidungen der vorherigen Gerichte zurück.

Faszination Fankurve dokumentiert die Mitteilung der Rechtshilfe Rapid:

§ 274 Landfriedensbruch – Entwicklungen im Fall Rapid-Nürnberg

In Bezug auf die Vorkommnisse nach dem Freundschaftsspiel gegen den FCN gibt es einige Neuigkeiten, über welche die »Rechtshilfe Rapid« hiermit berichten möchte.

Vor etwa einem Monat gab es den ersten großen Schritt Richtung Gerechtigkeit für die Beschuldigten der Ermittlungen hinsichtlich der Ausschreitungen im Anschluss an das Freundschaftsspiel Rapid-Nürnberg im September 2013.

Nachdem das Gericht die U-Haft für vier Rapid-Fans bei der zweiten Haftprüfung im März zwar verlängerte, wurde zumindest für alle die Variante der Fußfessel im elektronisch überwachten Hausarrest bewilligt. Die Staatsanwältin erhob beim früheren Ultras-Anführer Oliver P. allerdings Beschwerde, weshalb der Fall vom Oberlandesgericht Wien geprüft werden musste.

Das OLG hingegen sichtete das Beweismaterial offenbar gründlicher und objektiver und kam zu einem anderem Ergebnis als das Straflandesgericht. Richter Dietmar Krenn, Vorsitzender des Drei-Richter-Senats, kritisierte daraufhin sowohl die Staatsanwaltschaft, als auch das erstinstanzliche Urteil des Wiener Landesgerichts. Diese Kritik wurde erfreulicherweise auch öffentlich und mit Nachdruck geäußert, sodass kurzzeitig sogar so etwas wie medialer Druck auf diesen beiden Stellen lastete.

Entgegen einiger unwahrer Pressemeldungen1 wurden die anderen Fans jedoch nicht gegen gelindere Mittel enthaftet. Diese befinden sich weiterhin in Form der elektronisch überwachten Fußfessel in U-Haft.

Oliver P. hingegen wurde freigelassen, da die Videoaufnahmen der Überwachungskameras im Widerspruch zu den Behauptungen von Polizei und Staatsanwaltschaft stehen. Das Oberlandesgericht konnte keine strafbaren Handlungen auf den Beweismaterialien erkennen. Auch der Haftrichter wurde stark kritisiert. Es gab mehrere Haftprüfungsverhandlungen während der U-Haft, bei denen der Beschuldigte und sein Anwalt auf all die vom OLG festgestellten Dinge eingingen und diese Sicht darlegten. Die U-Haft wurde aber verlängert, weil der Richter dem Verdächtigen ein „Wegstoßen“ bzw. „Provozieren“ des Ordners unterstellt hatte . Eine Provokation ist laut OLG aber kein strafrechtlicher Tatbestand und das angebliche Wegstoßen wurde nicht einmal vom betroffenen Ordner selbst behauptet.

Weitere bemerkenswert kritische Aussagen bezüglich §274 StGB des OLG betreffen unbeteiligte Umstehende und Schaulustige, die sich lediglich in der Nähe aufhalten. Hierin liegt nämlich das große Problem des §274 Landfriedensbruch und dessen Auslegung. In der jüngeren Vergangenheit wurden bereits rechtskräftige Gerichtsurteile gefällt, denen zufolge es für einen Schuldspruch ausreichend ist, sich bloß im Umfeld von Ausschreitungen aufzuhalten, ohne dabei selbst konkrete Tathandlungen zu setzen.

Das OLG warnt diesbezüglich laut Medienberichten2,3 die Anklagebehörde vor großzügiger Auslegung des Paragrafen 274.

»Das OLG macht damit deutlich, dass die bloße Teilnahme an einer Demo oder Ansammlung nicht ausreicht, um den betreffenden Personen im Fall einer Eskalation ein im Sinne des § 274 tatbestandsmäßiges Verhalten zu unterstellen: „Die Notwendigkeit einer solchen Abgrenzung wird schon daran deutlich, dass andernfalls auch die in der Menschenmenge anwesenden Ordner oder Polizeibeamten zwangsläufig tatbestandsmäßig handeln müssten.“« 3

Das OLG ermahnt auch ausdrücklich zu "Objektivität und Sachlichkeit", was den Eindruck erwecken lässt, die obersten Richter wären der Ansicht, dass diese Attribute in der österreichischen Justiz – insbesondere bei gegenständlichen Verfahren - zu kurz kämen.


Mittlerweile hat die Staatsanwaltschaft Wien Anklage gegen 29 Personen erhoben. Gegen weitere 18 ursprünglich Beschuldigte wurde das Verfahren nach unserem derzeitigen Kenntnisstand eingestellt. Unteranderem wurde nun auch gegen eine Person Anklage wegen Landfriedensbruch erhoben, welche von sich aus als Entlastungszeuge für einen Rapidler ausgesagt hatte, bei dem das Verfahren nun eingestellt wurde.
Dieses bedenkliche Vorgehen, eigentliche Zeugen kurzerhand auf die Anklagebank zu setzen, kann als warnendes Signal für andere Personen verstanden werden, die sich am Ort des Geschehens aufgehalten und die Geschehnisse beobachtet haben. Solche Einschüchterungsversuche unschuldiger Menschen sind für einen Rechtsstaat besorgniserregend und zeigen einmal mehr das als autoritäre Machtdemonstration zu wertende Verhalten der Staatsgewalt auf.
Unter diesem Aspekt, aber auch aufgrund der Tatsache, dass in der Anklageschrift kein einziger „Entlastungszeuge“ beantragt wurde und die StA Wien offensichtlich, dem in der StPO verankerte „Offizialprinzip“ nicht folgte, ist die vom OLG eingeforderte „Sachlichkeit“ jedenfalls zu hinterfragen.

Die »Rechtshilfe Rapid« wird sich mehr denn je gegen die Kriminalisierung und für eine gerechte Behandlung von Fußballfans einsetzen.

Der Vorstand und die Aktivisten der Rechtshilfe Rapid

Fanfotos Rapid Wien




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