01.06.2006 - Italien

Saison endet mit Skandal


„Armer Fußball… zerschmettert vom Machtmissbrauch schändlicher Leute, die keine Scham kennen“ – das Spruchband vor der Gradinata Sud Sampdoria Genuas drückte wohl am besten aus, was fast alle fußballbegeisterten Italiener im Moment empfinden. Der italienische Fußball wird von einem Skandal ungeahnten Ausmaßes erschüttert. Beinahe täglich werden neue Details aus abgehörten Telefongesprächen bekannt, die Staatsanwaltschaften bringen immer neue Erkenntnisse an die Öffentlichkeit. Die Untersuchungen beziehen sich bis jetzt nur auf die Meisterschaft 2004/05, in der allein 19 Spiele manipuliert worden sein sollen; wahrscheinlich dürften Manipulationen in den letzten Jahren aber in fast allen Spielzeiten an der Tagesordnung gewesen sein.

Im Zentrum der Ermittlungen steht dabei Luciano Moggi, inzwischen zurückgetretener Generaldirektor von Juventus Turin. Er soll nicht nur über die Beeinflussung von Schiedsrichtern mehrere Spiele manipuliert haben (betroffen sind nicht nur Partien von Juve, da deren Gegner oft durch Platzverweise wichtiger Spieler bereits in der Vorwoche geschwächt wurden), sondern auch die Schiedsrichteransetzung gesteuert und auf die Fernsehberichterstattung über die Unparteiischen eingewirkt haben. Außerdem wird ihm vorgeworfen, über die Spielervermittlung seines Sohnes, „Gea“, weite Teile des Transfermarktes kontrolliert zu haben. Der bizarrste Anklagepunkt: Moggi muss sich wegen Freiheitsberaubung verantworten, da er nach dem Spiel bei Reggina Schiedsrichter Paparesta in der Umkleidekabine eingeschlossen haben soll.

In den Skandal ist auch der aus dem Amt scheidende Innenminister Pisanu verwickelt, der Moggi um Hilfe für seinen Lieblingsverein Torres bat. Pisanu hatte vor einem Jahr die neuen Sicherheitsnormen inklusive des namengebundenen Ticketsystems eingeführt und sich mit Moggi auch darüber ausgetauscht, wie gegen die Ultras mit größerer Härte vorgegangen werden könne.

Der Skandal beschränkt sich jedoch nicht auf Juventus. Von den neun weiteren betroffenen Clubs werden auch Fiorentina und Lazio verdächtigt, in der letzten Saison Spiele manipuliert zu haben; ihnen droht ebenso wie Juve schlimmstenfalls der Zwangsabstieg, während der ebenfalls verdächtigte AC Milan wahrscheinlich nicht um seine Ligazugehörigkeit bangen muss, da dem Club selbst wohl keine direkte Verantwortlichkeit nachgewiesen werden kann.

Im Zuge der Ermittlungen über Juve hingegen soll auch der Dopingskandal erneut aufgerollt werden. Darüber hinaus werden Torwart Buffon sowie mehrere Spieler anderer Vereine möglicherweise illegaler Wetten bezichtigt.

Rückenwind bekam Moggi dieser Tage einzig durch die Ultragruppen der Juve-Kurve: „Luciano, wir sind alle mit dir!!!“, hieß es auf einem großen Spruchband am vorletzten Spieltag. Auch als sich Juve eine Woche später – zumindest vorläufig – den 29. Meistertitel in Bari sicherte, gab es Unterstützung aus der Kurve für die Führungsriege, während in fast allen anderen italienischen Kurven Spruchbänder mit teils witzig-ironischen („Juve ist magisch: Schau nur, wie sie aus der Serie A verschwindet“, hieß es in Cagliari), teils bissig-wütenden Slogans („Carraro, Gea und Moggi: Die Mafia von gestern und heute. Der Fußball gehört dem Volk!“, so in Lecce) gegen den Rekordmeister präsentiert wurden. (Faszination Fankurve, 01.06.2006)

Fanfotos Italien




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