01.12.2010 - VfB Stuttgart

Sich zu seiner Geschichte zu bekennen


In Stuttgart wird seit dieser Saison verstärkt für die Rückkehr zum alten Wappen des VfB Stuttgart gekämpft. Faszination Fankurve sprach mit der Faninitiative „Pro altes VfB-Wappen“ über die Geschichte des Wappens und natürlich auch über die Zukunft des Vereins und der Fanszene im umgebauten Stadion.

Faszination Fankurve: Vor kurzem trat in Stuttgart-Bad Cannstatt die Faninitiative „Pro altes VfB-Wappen“ öffentlich in Erscheinung. Wer steckt eigentlich dahinter und was für Ziele werden mit der Initiative verfolgt?

Pro altes VfB-Wappen: In der Stuttgarter Fanszene war das Thema „Wappen“ immer auf der Agenda. Schon direkt nach den ersten Änderungen im Wappen machte sich breiter Widerstand bemerkbar. Über die Jahre hinweg konnten verschiedene Initiativen Erfolge erzielen, wurden dann aber wieder vor vollendete Tatsachen gestellt. Nämlich, dass das Wappen doch wieder seine neue Form behalten würde. In den letzten Jahren schien das Thema dann etwas einzuschlafen. Sicherlich gab es immer noch auf diversen Mitgliederversammlungen Redebeiträge, doch wurden diese Einwürfe nun recht schnell klein gehalten und es gelang nicht das Thema wieder nach vorne zu bringen. Es war nun einfach an der Zeit das Thema für einen vielleicht letzten Versuch zu reanimieren. Nach langer Vorlaufphase nahm sich diesem Thema dann im Sommer der Schwabensturm 02 an und brachte die Initiative mit einem ersten Kommuniqué auf den Weg. Allerdings wollen wir an dieser Stelle betonen, dass die Aktion nicht nur von der Ultraszene getragen werden soll und wird, sondern inzwischen schon über 30 Fanclubs und Gruppen aller Couleur sich beteiligen und uns unterstützen.

Das endgültige Ziel ist natürlich, dass das alte Vereinswappen zurück gewonnen wird. Dies wurde ab dem Jahr 1994 schleichend verändert und mit den absurdesten Begründungen dem Bundesligageschäft angepasst. Diese Änderungen sollen zurückgenommen werden und unsere Brustringkicker sollen wieder mit dem traditionellen Wappen auf der Brust auflaufen. Der Verein VfB Stuttgart soll sich zu seiner Tradition bekennen und seine Geschichten und Wurzeln achten. Gerade im so oft zitierten „modernen Fußball“ ist Tradition immer auch ein Aushängeschild gegen Übel wie Hoffenheim oder Rasenball Leipzig.

Faszination Fankurve: Ihr betont, dass Ihr das traditionelle Wappen des Vereins für Bewegungsspiele aus Stuttgart gerne zurückhaben möchtet. Geht doch bitte ein bisschen auf die Geschichte Eures Wappens ein und wie es sich die letzten Jahre schleichend verändert hat.

Pro altes VfB-Wappen: Schon im Jahr 1910 – zwei Jahre bevor sich der FV Stuttgart 1893 und der Kronenclub Cannstatt zum VfB Stuttgart zusammenschlossen – liefen die Spieler des FV Stuttgart mit dem württembergischen Wappen auf. Traditionsbewusst trug die Mannschaft die schwarzen Geweihstangen auf gelbem Grund.

Im Jahr 1923 entwarf der Künstler Stammler das Wappen, das man heute als das traditionelle Wappen des VfB Stuttgart kennt. Allerdings hat der Verein erst ab dem Jahr 1949 auch das Selbstbewusstsein – aus dem Erfolg als „Württembergischer Meister“ und „Deutscher Vizemeister“ heraus – mit diesem Wappen aufzulaufen und sich neben dem Bekenntnis zur württembergischen Heimat auch zu den Buchstaben des Vereinsnamens zu bekennen. Seitdem stehen die drei Buchstaben, die Geweihe Württembergs und die Zahl 1893 in Einheit mit dem roten Brustring für den Verein für Bewegungsspiele.

Im Jahr 1994 begannen dann die ersten Änderungen des Wappens. Schritt für Schritt wurden die Geweihe verformt, die Farbe der Umrandung geändert nun die Zahl 1893 durch den Stadtnamen Stuttgart ersetzt. Um moderner zu wirken, wird auch der Schriftzug VfB abgeändert und verliert an Form und Wirkung. Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man über die damalige Begründung auch heute noch lachen....Der Vorstand wollte in Asien (!) präsenter sein und diesen Markt neu ergründen. Zumindest war das der weitverbreitete Hintergrund der Wappenänderung. Heute stellt man sich natürlich die Frage, wie eine solche Aussage zu werten ist. Es hies damals, dass dies allein mit dem VfB im Wappen nicht möglich gewesen wäre, da der Verein dort noch nicht weitläufig genug bekannt war.Mit dem Namen der Stadt Stuttgart, die durch ihre wirtschaftliche Entwicklung und als Standort verschiedenster Industriegrößen in den dortigen Ländern bereits ein Begriff war, bestand die Möglichkeit, den Verein so zu positionieren, dass die Marke VfB sehr schnell auch dort wahr- und aufgenommen wurde. So zumindest die Theorie von damals. Heute allerdings kann von solchen Aussagen, beziehungsweise Gründen in unseren Augen nur Abstand genommen werden.

Faszination Fankurve: Einen ähnlichen Weg wie Ihr Euch wünschen würdet gingen in der jüngsten Vergangenheit beispielsweise der 1. FC Kaiserslautern und Alemannia Aachen. Haben Euch diese Beispiele in Eurer Meinung bestärkt?

Pro altes VfB-Wappen: Definitiv. Gerade die Beispiele des 1.FC Kaiserslautern und Alemannia Aachen machen uns deutlich, dass es keinen Grund gibt, sich nicht zu seiner Geschichte zu bekennen. Es zeigt uns, dass Entscheidungen, die so wichtig sind, rückgängig gemacht werden können, ohne dass sich irgendjemand einen Zacken aus der Krone bricht. Aus unserer Sicht bemerkenswert ist, dass die Aktion von den Vereinen ausging – aus diesem Grund darf man sicher auch gespannt sein, wie der VfB auf Dauer mit unserer Aktion, die aus der Fanszene kommt, umgehen wird. Es soll an dieser Stelle aber auch betont werden, dass wir nicht gegen den Verein arbeiten. Wir wollen gemeinsam mit den Verantwortlichen Lösungen erarbeiten und ihnen die Wichtigkeit des alten Wappens für die Fanszene des VfB Stuttgart aufzeigen.

Faszination Fankurve: Nun hängt Eure Fahne schon eine ganze Weile im Stadion und Ihr betreibt auch eine intensive Öffentlichkeitsarbeit. Gab es bisher schon Reaktionen des Vereins auf Eure Bemühungen?

Pro altes VfB-Wappen: Bisher gab es uns gegenüber noch keine konkreten Aussagen, allerdings wissen wir aus unterschiedlichen Quellen, dass das Thema beim Verein auf der Tagesordnung ist.

Allerdings gibt es in den kommenden Tagen ein erstes großes Gespräch, in dem beide Seiten sich gegenüber sitzen. Hier wird dann sicherlich zeigen, welche Richtung der Verein einschlagen möchte bzw. bereits getan hat. Danach ist es dann auch für uns leichter zu entscheiden, in welche Richtung wir mit dem Ganzen gehen müssen, um Erfolg zu haben.

Faszination Fankurve: Eine Art der oben angesprochenen Öffentlichkeitsarbeit war/ist unter anderem eine Unterschriftenaktion. Wie viele Teilnehmer hatte die Aktion bereits?

Pro altes VfB-Wappen: Nach dem letzten Heimspieltag gegen Köln sind wir momentan bei knapp 1000 Unterschriften. 1000 Menschen, die uns bestärken, in unserem Kampf weiter zu machen und nicht aufzugeben. Allerdings ist mit Sicherheit noch viel Potential vorhanden, das wir über weitere Aufklärungsarbeit ausnutzen müssen. Letztlich macht uns gerade auch die bauliche Situation ums Neckarstadion herum ein wenig zu schaffen. Dennoch sind wir guter Dinge, dass wir noch viele Personen dafür gewinnen können, ihre Unterschrift abzugeben.

Faszination Fankurve: Auch im Stadion wird in der aktuellen Spielzeit am Neckar verstärkt auf die Werte der Tradition hingewiesen. Geht doch bitte etwas auf Eure bisherigen Aktionen ein und gebt einen kleinen Ausblick, was eventuell noch folgen könnte.

Pro altes VfB-Wappen: Gestartet wurde das Ganze mit einer kleinen Auswärtschoreo am 1. Spieltag in Mainz, in der wir das Thema Tradition aufgriffen. Der Startschuss in die heiße Phase fiel dann in die Woche vor dem Heimspiel gegen Bayer Leverkusen am 6. Spieltag. Wir informierten die Mitglieder des Fanausschusses und den Verein selbst über die Initiative. Mit dem Spruchband „Denn Tradition wird Sieger sein – Gemeinsam das alte Wappen wiederbeleben – www.pro-altes-VfB-Wappen.de“ wurde die Aktion im Stadion publik gemacht. Die kommenden Tage und Wochen waren dann von viel Aufklärungsarbeit geprägt. Neben den verschiedenen organisatorischen Aufgaben wie der Einrichtung eines Newsletters und der Unterstützerliste, legten wir vor allem Wert darauf, die Aktion in Stuttgart bekannter zu machen. Dazu verteilten wir in Kneipen, Gaststätten, Dönerläden, Friseuren, Bäckereien und unzähligen anderen Örtlichkeiten in Stuttgart insgesamt 20000 Flyer. Im nächsten Schritt begannen wir dann mit der bereits oben erwähnten Unterschriftenaktion. Dazu gab es im Stadion immer mal wieder Spruchbänder, so griffen wir unter anderem auch die Aktion „Fahne pur“ der Berliner Fanszene auf und zeigten gegen Bremen ein Spruchband „Ob Stuttgart oder Berlin, Vereine bekennt euch zu Tradition und Herkunft – Traditionelle Wappen wieder einführen“.

Genaueres im Hinblick auf die Zukunft wollen wir natürlich nicht verraten, aber es sei an dieser Stelle versichert, dass es in der Hinrunde noch die ein oder andere etwas größere Aktion geben wird, in der es sich um die Initiative dreht.

Faszination Fankurve: Trotz den zum Teil aufwendigen und großen Aktionen blieb das mediale Echo über Eure Initiative aber bisher aus, oder?

Pro altes VfB-Wappen: Inzwischen ist auch die regionale Presse auf die Initiative aufmerksam geworden und hat Kontakt zu uns aufgenommen. Allerdings ist es richtig, dass sonst bisher kaum Medien auf die Aktion aufmerksam wurden oder aufmerksam werden wollten. Aber auch hier sind wir zuversichtlich, dass sich über diverse Kanäle noch etwas ergibt und die Initiative bekannter macht.

Faszination Fankurve: Der VfB ist einer der mitgliederstärksten Vereine in Deutschland. Wie seht Ihr die Chancen für Eure Initiative und lassen sich die meisten Mitglieder überzeugen, wie wichtig es sein kann, dass sie ihre Stimm- und Mitspracherecht bei der Jahreshauptversammlung wahrzunehmen?

Pro altes VfB-Wappen: Gerade hierauf werden wir in den kommenden Wochen den Fokus richten. Zum Ersten müssen die Mitglieder für die Initiative gewonnen und im nächsten Schritt sensibilisiert werden, wie notwendig es ist – auch mal unabhängig von der Aktion – das Stimmrecht wahrzunehmen.

Für uns ist wichtig, dass wir auch Nichtmitglieder dazu bringen, über eine Mitgliedschaft zumindest nachzudenken, damit sie mitbestimmen können, was in ihrem Verein passiert. Aus diesem Grund haben wir an unserem Stand auch immer Mitgliedsformulare des VfB ausliegen und auch diese wurden schon in Anspruch genommen.

Faszination Fankurve: Das Jahr 2010 neigt sich schon wieder dem Ende zu und es tat sich auch abseits Eurer Faninitiative einiges bei der VfB-Fanszene. Bis zum Ende der Saison müssen die VfB-Fans in der Untertürkheimer Kurve Platz nehmen. Wie hat sich die Szene mit den Umständen arrangiert?

Pro altes VfB-Wappen: Zu Beginn der Saison waren die Veränderungen schon relativ deutlich zu merken und es brauchte seine Zeit, bis sich alle Abläufe eingespielt hatten. Für die Fanszene insgesamt stellt sich die Situation etwas schwierig dar. Momentan gibt es im Stadion keinen Verkaufswagen und somit fehlt im Neckarstadion ein zentraler Anlaufpunkt. In Sachen Support hat sich inzwischen ein – im Gegensatz zum Saisonstart – deutlich verbessertes Niveau eingestellt. Man merkt, dass die Gruppen ihren Platz auch in der „fremden“ Kurve endlich gefunden haben.

Faszination Fankurve: Die neue Untertürkheimer Kurve lässt ja erahnen was auf Euch in der Cannstatter Kurve zukommen könnte. Wie steht Ihr dem Umbau gegenüber? Überwiegt der Wehmut an alte Tage und das weite Rund der Cannstatter Kurve oder herrscht Vorfreude auf die neue große Stehplatztribüne im Unterrang, die evtl. einen kompletten Neuanfang bedeutet?

Pro altes VfB-Wappen: Dies sieht wohl jeder ein wenig anders. Es ist natürlich ein großes Stück Wehmut dabei, wenn man in das große Loch auf der anderen Seite des Stadions blickt, in dem unsere altehrwürdige Cannstatter Kurve stand, mit der jeder Einzelne so viele Erlebnisse und Geschichten verbinden kann. Trotz der Weitläufigkeit und der miesen Akustik war sie doch etwas Besonderes, die sich vom Einheitsbrei vieler neuer Arenen abgehoben hat.

Dennoch müssen wir der Realität ins Auge sehen und insgesamt sind wir schon positiv überrascht von der jetzigen Untertürkheimer Kurve. Auch das „neue“ Neckarstadion wird sich zukünftig von den anderen Stadien der Republik abheben. Gerade akustisch bietet dann die neue Cannstatter Kurve wohl einige Möglichkeiten, von denen wir früher nur träumen konnten. Bleibt zu hoffen, dass wir diese Möglichkeiten dann auch zu nutzen wissen! (Faszination Fankurve, 01.12.2010)

Weitere Informationen:

Informationen zur Fanszene

Homepage der Faninitiative Pro altes VfB-Wappen

Fanfotos VfB Stuttgart




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