16.07.2014 - VfL Osnabrück

„Solche Vorfälle in Zukunft verhindern“


Im Interview mit Faszination Fankurve erläutert Marc Hülsmann vom Fanprojekt Osnabrück, warum sich die Kommunikation zwischen Verein und Ultras verbessert hat. Außerdem sprach er über die Vorfälle am Bahnhof beim Derby in Münster und über die Einladung von Flüchtlingen.

Faszination Fankurve: Oftmals wird von Außenstehenden wahrgenommen, dass der Kontakt zwischen Verein und der Fanszene immer problematischer wird bzw. zum Teil nicht mehr existent ist. Wie sehen Sie als Vermittler das allgemein und vor allem im Hinblick auf Ihren Verein?
Marc Hülsmann: Im Hinblick auf den VfL Osnabrück kann man sagen, dass durch personelle Umstrukturierungen im Präsidium im November 2012 und der Neubesetzung des Hauptgeschäftsführers es den Fans des VfL derzeit wesentlich leichter möglich ist, mit ihren Anliegen beim Verein Gehör zu finden, als in den Jahren zuvor. Das gilt für alle Fans, inklusive der Ultras. Meist sind Treffen zwischen Verein und Fans anlassbezogen. Dabei geht man auch auf Argumente der Gegenseite ein und geht konstruktiv miteinander um. Seitdem die Fanabteilung als eigenständige Abteilung im VfL Osnabrück e.V. vor gut einem Jahr gegründet wurde, haben die Fans eine gute Möglichkeit, Einfluss und Mitwirkung im Verein zu erzielen. Die Gründung der Fanabteilung wurde von den Fans von daher auch als positiver und wichtiger Schritt angesehen.

Faszination Fankurve: Letztes Jahr haben die Clubs der 1 bis 3. Liga Strafen in Höhe von ca. 1,7 Millionen Euro nach Fanaktionen zahlen müssen. Die Vereine reagieren unterschiedlich, immer mehr versuchen die Strafe auf die Verursacher zu übertragen. Wie stehen Sie als Fanprojekt zur Übertragung solcher Strafen und wie wirken diese auf betroffene Fans und deren Umfeld?
Hülsmann: Die Übertragung von Verbandsstrafen auf den oder die Verursacher sehen wir als fragwürdig an. Ziel des Verbandes ist es ja eigentlich, den Verein zu bestrafen und nicht die Fans. Durch die Umlegung kommt es zu erheblichen finanziellen Belastungen der oftmals noch jungen Fans, die teilweise existenzbedrohend sein können. Vielen Verursachern ist ihr Handeln bzw. dessen Folgen, die sich so ergeben können, gar nicht bewusst. Hier ist es natürlich wichtig, dass wir als Fanprojekt Aufklärungsarbeit leisten. Kritisch sehen wir auch, dass die Höhen der Strafen für das gleiche Vergehen variieren und so ein Fan wesentlich empfindlicher getroffen werden kann als ein anderer.

Faszination Fankurve: Immer wieder beklagen Fanprojekte eine Unterfinanzierung. Sind Sie mir den Mitteln, die Ihnen im Moment zur Verfügung stehen zufrieden? Was würden Sie konkret mit weiteren Mitteln umsetzen?
Hülsmann: Zunächst einmal ist es zu begrüßen, dass der DFB seine finanzielle Unterstützung für die Fanprojekte langfristig ausgebaut hat und nun 50 Prozent der Fördergelder beisteuert. Allerdings sind auch Kommune und Bundesland gefragt, ihre finanzielle Förderung weiter aufrecht zu erhalten und jetzt nicht zurück zu fahren. Momentan kommen wir in Osnabrück mit den Mitteln, die wir zur Verfügung haben, gut zurecht. Allerdings ist es perspektivisch sicherlich wünschenswert, die finanzielle Förderung weiter auszubauen.

Faszination Fankurve: Die Mehrheit der Strafen hat mit dem Einsatz von Pyrotechnik zu tun. Seit Jahren ist der Einsatz von Pyro das zentrale Thema, ohne dass sich etwas bewegt. Lässt sich überhaupt eine Lösung finden?
Hülsmann: Momentan scheint es so, dass man sich beim Thema Pyrotechnik in einer Sackgasse befindet, sowohl auf Seiten der Fanszene wie auch auf Seiten der Verbände. Die rechtliche Grundlage ist dabei eindeutig und auch allen klar: Die Verwendung von Pyrotechnik in Stadien ist aktuell nicht erlaubt und zieht polizeiliche Ermittlungen und ggf. ein Stadionverbot nach sich. Um aus der Sackgasse wieder herauszukommen ist es aus unserer Sicht notwendig, dass Verbände und Fangruppierungen aufeinander zugehen. Wenn beide Seiten ihre momentan starre Haltung beibehalten wird keine Lösung beim Thema Pyrotechnik zu erreichen sein.

Faszination Fankurve: Was waren die relevanten Fanthemen in Ihrem Verein/Fanszene in der vergangenen Saison?
Hülsmann: Ein wichtiges Thema in der Fanszene, aber auch bei vielen anderen VfL-Fans waren die Derbys gegen Münster und da speziell die Geschehnisse, die sich nach dem Spiel in Münster am Bahnhof abgespielt haben. Dort kam es zu Schwierigkeiten und Auseinandersetzungen mit Einsatzkräften der Polizei. Die Fanszene, einzelne Fanclubs und Einzelpersonen baten anschließend darum, diese Vorfälle aufzuarbeiten, was dann auch gemeinsam durch Fanabteilung, Fanbetreuung und dem Fanprojekt geschehen ist. Wichtig dabei war, solche Vorfälle in Zukunft zu verhindern.
Des Weiteren gab es Dinge, die die hiesige Fanszene (mit) angestoßen hat. Hier möchten wir nur den 80ten Geburtstag der Bremer Brücke erwähnen, den die Fanszene, u.a. mit einer tollen Choreografie, entsprechend würdigte und auch rund um diesen Geburtstag noch einiges Tolles bot. Auch die Woche der Traditionen, von der Fanabteilung zum ersten Mal ins Leben gerufen, bot viele Veranstaltungen rund um das Thema Tradition beim Fußball und speziell beim VfL Osnabrück. Bei diesen Veranstaltungen wurde immer wieder deutlich, mit welcher Hingabe und Emotionalität sich die Fans für den VfL einsetzen und welche große Bedeutung der Verein bei den Menschen hat. Weiterhin zu erwähnen ist außerdem noch der alljährliche Solidaritätsspieltag für die Stadionverbotler.

Faszination Fankurve: Die Ultràgruppen in Deutschland sind längst aus den Kinderschuhen gewachsen. Teilweise verfügen die Gruppen über eigene Räumlichkeiten, greifen teilweise immer weniger auf Angebote der Fanprojekte zurück. Wie steht es zu Ihrem Kontakt zu den Ultras im Moment und inwiefern haben Sie als Fanprojekt noch Einfluss auf die Ultras bei Ihrem Verein?
Hülsmann: Die Ultragruppen in Osnabrück bestehen nun schon eine lange Zeit, so dass man sagen kann, dass sie ihre Kinderschuhe schon vor einiger Zeit verlassen haben. In Osnabrück war es vor dem Start des Fanprojekts vor drei Jahren so, dass die Ultragruppen ein Fanprojekt sogar gefordert haben und diese Einrichtung immer kommentiert und konstruktiv begleitet haben. Natürlich werden alltägliche Dinge auch alleine geregelt, so dass sich ein hohes Maß an Eigenständigkeit in der Osnabrücker Fanszene etabliert hat. Trotzdem hat die Fanszene unsere Einrichtung durchweg positiv betrachtet und man stand uns von Anfang an recht offen entgegen. Das erleichterte uns natürlich den Start und die Kontaktaufnahme zu den Ultras. Dieser gute Kontakt besteht nach wie vor. In der Arbeit ist es uns wichtig, wiederholt auch gemeinsame Angebote mit den Ultras gemeinsam durchzuführen. Ein gutes Beispiel sind da die Schal- und Fahnenmaltage, die wir nun schon des Öfteren gemeinsam angeboten haben und die sich großer Beliebtheit erfreuen.

Faszination Fankurve: In zahlreichen Fanszenen gab es in den vergangenen Jahren Übergriffe rechtsgerichteter Fans auf linksgerichtete Fans innerhalb der gleichen Fanszene. Gab es solche Vorfälle bei Ihnen auch und wie haben Sie interveniert oder versuchen Sie schon vorab präventiv aktiv zu werden?
Hülsmann: Solche Übergriffe innerhalb der Fanszene gab es in Osnabrück nicht, wobei sich die Fanszene auch ausdrücklich als unpolitisch sieht. Nichtsdestotrotz arbeiten wir natürlich auch präventiv im Bereich der Anti-Diskriminierung. So haben wir beispielsweise mit einer Jugendgruppe das Konzentrationslager in Dachau besucht, was den Jugendlichen sicher in Erinnerung bleiben wird.
Des Weiteren haben wir vom Fanprojekt das Projekt „Ankommen“ initiiert, wo In Kooperation mit dem VfL und verschiedenen Fangruppen in Osnabrück lebende Flüchtlinge zu Heimspielen des VfL eingeladen und ins Stadion begleitet werden. Neben der Integration der Flüchtlinge war uns dabei wichtig, die VfL-Fans über die Lebensumstände der Flüchtlinge fernab ihrer Heimat zu informieren und vor allem mit den Flüchtlingen selber in Kontakt zu kommen.

Faszination Fankurve: Das Thema Gewalt wird in den Medien häufig thematisiert. Wie würden Sie die aktuelle Lage in der Fanszene einschätzen? Kommt es häufig zu Auseinandersetzungen, Hausbesuchen, Raub von gegnerischen Fanutensilien etc.?
Hülsmann: Die Fanszene mit ihren Ultragruppen sucht nicht grundsätzlich die Gewalt oder körperliche Auseinandersetzungen mit gegnerischen Fans. Trotzdem gibt es natürlich solche Vorfälle, wie sie oben beschrieben werden, in Osnabrück. Auch scheint es ein Trend zu sein, dass immer mehr junge Leute diese Dinge anziehend finden. Hier ist es uns wichtig die Leute aufzuklären, welche Konsequenzen ihr Handeln nach sich ziehen kann. Oftmals scheint dies den Handelnden nämlich gar nicht bewusst zu sein. Man sollte aber bitte nicht den Fehler begehen, diese Leute als Kriminelle abzustempeln. Außerdem darf bei der ganzen Diskussion um das Thema Gewalt nicht dessen große Rolle und Bedeutung in der Gesellschaft außen vor gelassen werden. Es handelt sich nämlich nicht nur um ein Phänomen, das ausschließlich Fußball auftritt. (Faszination Fankurve, 16.07.2014)

Fanfotos VfL Osnabrück




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