22.02.2015 - 1. FC Köln

Solidarisierungen & Proteste bei Köln - Hannover


Die Vorfälle beim rheinischen Derby überschatteten die gestrige Partie zwischen dem 1. FC Köln und Hannover 96. Die Ultràgruppen des 1. FC Köln, Wilde Horde, Coloniacs und Boyz Köln blieben dem Spiel aus Protest gegen Kollektivstrafen fern. Zahlreiche Fans positionierten sich gegen Gewalt.

Die Ultràgruppen sahen in den gegen die Boyz Köln ausgesprochenen Stadionverbote eine Kollektivstrafe. Die Südkurve kündigte noch vor dem Spiel an, dass Teile der Kurve leer bleiben würden (Faszination Fankurve berichtete). Zentral vor der Kurve hingen lange Zeit Spruchbänder mit der Aufschrift „Gegen Kollektivstrafen“ und „Wir sind gegen Kollektivstrafen - Werner Spinner, JHV 11.12.2012“. Mit letzterem sollte der Präsident des 1. FC Köln an seine Aussage erinnert werden, die er auf der Jahreshauptversammlung des Vereins Ende 2012 tätigte. Mehrere Gruppen sahen in der Aussprache der Stadionverbote gegen die Boyz einen Bruch dieser Aussage.

Kurz vor Anpfiff des Spiels verlass der Kölner Stadionsprecher Michael Trippel eine Rede, die sich in aller Deutlichkeit von den Ereignissen in Mönchengladbach distanzierte. Er forderte die Fans des 1. FC Köln auf, gegen Gewalt aufzustehen. Auf der Osttribüne wurden rote Karten gegen Gewalt gezeigt. Verschiedenste Fanclubs hatten Plakate mit Anti-Gewalt Slogans gezeigt. Das Stadion applaudierte nach den Worten des Stadionsprechers. Entsprechende Bekenntnisse wurden ebenfalls auf den LED-Walls eingeblendet.bAuf den Plakaten war u.a. „Weiße Anzüge, aber keine weiße Weste“, „Stadion – kein rechtsfreier Raum“ und „Gewalt? Nicht mit uns!“ zu lesen.

Die unteren Reihen in der Südkurve blieben in den Blöcken S3 und S4, dem Standort der Ultràgruppen, weitestgehend leer. Die Zaunfahnen der Ultras hingen nicht. Andere Fangruppen zeigten ihren Protest, indem sie ihre Fanclub-Fahnen auf dem Kopf stehen zeigten. Dieses Zeichen nutzen sowohl Fans in der Nord, als auch auf der Südtribüne. Auf beiden Seiten wurden zudem „Pro Boyz“ Fahnen gezeigt. Die Fahne auf der Süd wurde später wieder entfernt.


Der 1. FC Köln lag nach wenigen Minuten mit 1-0 zurück. In der Südkurve versuchten Fans den Wegfall der Mikrophonanlage und das Wegbleiben der Ultras zu kompensieren, indem immer wieder Gesänge, wie z.B. „1. Fußballclub Köln“ angestimmt wurden, mit mäßigem Erfolg. Richtig laut wurde es nach dem 1-1 Ausgleichstreffer und bei Protesten gegen den Schiedsrichter, der immer wieder mit „Schieber“-Rufen adressiert wurde. Ein Wechselgesang zwischen verschiedenen Tribünenteilen gelang teilweise auch ohne Koordinierung der Wilden Horde.

Auch aus dem Gästeblock waren nur ganz selten Fangesänge zu vernehmen. Die Ultras Hannover boykottieren schon seit Saisonbeginn die Spiele der ersten Mannschaft von Hannover 96. Die Stimmung erinnerte insgesamt an die 90er Jahre. Ein Hexenkessel war das Kölner Stadion gestern sicherlich nicht.

In der Halbzeit präsentierten die Navajos ein Spruchband mit der Aufschrift „Gegen Böller & Leuchtraketen – Gegen Online-Pranger & Kollektivstrafen!“. Im Block S4 zeigte ein einzelner Fan gleichzeitig ein Plakat mit der Aufschrift „Wir haben was gut zu machen – Ihr aber auch“. Beide Plakate zielten darauf ab, dass Teile der Fanszene beim Spiel in Mönchengladbach Fehler gemacht haben und diese auch eingestehen sollten, gleichzeitig die Aktivitäten des Vereins als überzogen wahrgenommen wurden.

Das Spiel endete schließlich 1-1 unentschieden. Die Südkurve spendete der Mannschaft Applaus. Doch wie geht es nun weiter in Köln? Die Proteste der Ultras werden bei den kommenden Heimspielen wohl weiter gehen. Schon am Freitag ist der 1. FC Köln zu Gast beim FC Bayern München. Die Boyz Köln dürfen das Spiel besuchen. Die Stadionverbote der Gruppe betreffen nur die Heimspiele des 1. FC Köln. Ob die Ultràgruppen ihren Verein auswärts gewohnt lautstark unterstützen werden, bleibt abzuwarten. Die Fotos aller Spruchbänder und Plakate, des leeren Bereichs der Ultras und vieles mehr gibt es oben in der Galerie. (Faszination Fankurve, 22.02.2015)

Statement der Coloniacs zu ihrem Fernbleiben:

Nach Mönchengladbach

Die Vorfälle vom vergangenen Samstag werden aktuell aufgearbeitet. Auch wir als Südkurve 1. FC Köln sind uns bewusst, dass einiges nicht in geordneten Bahnen abgelaufen ist. Gleichzeitig lehnen wir das Verhalten einiger Vereinsverantwortlicher ab, welche auf die Situation mit Online-Pranger und Kollektivstrafen reagieren. Wir können daher, trotz der angespannten sportlichen Situation nicht einfach zum Tagesgeschäft übergehen. Teile der Südkurve werden dem heutigen Spiel gegen Hannover daher fern bleiben. Jedoch werden ab Toreöffnung im Umlauf hinter der Südkurve neben dem Fan-Projekt-Glaskasten einige Ansprechpartner anwesend sein, um Fragen zu beantworten. Weitere Informationen folgen.

Südkurve 1. FC Köln e.V.

Liebe FC-Fans,

neben der Stellungnahme der organisierten Fangruppen des 1. FC Köln, möchten auch wir als Coloniacs die Möglichkeit nutzen und uns zu den Ereignissen rund ums Derby zu Wort melden. In Mönchengladbach ist es ganz klar zu Grenzüberschreitungen gekommen, die so nicht hätten passieren dürfen. Dessen sind wir uns uneingeschränkt bewusst und die interne Aufarbeitung der Vorfälle läuft bereits. Es fehlt uns ganz offensichtlich an Konsequenz und so konnte es im Rahmen dieses Spiels zu den, auch aus unserer Sicht, nicht gutzuheißenden Ereignissen kommen. Der Einsatz von Böllern und Leuchtspurmunition sind nicht tolerabel. Ein solch unnötiger Platzsturm, der durch unzählige Provokation der Gegenseite und einer mehr als schmerzhaften Derby-Niederlage im Affekt entstand, muss hinterfragt werden.

Ebenso erschrocken waren wir über die Reaktion von Seiten des 1. FC Köln. Es ist selbstverständlich klar, dass der Verein und seine Führungsmannschaft zum Handeln gezwungen wurden und eine harte Reaktion folgen musste. Das steht nicht zur Diskussion und ist absolut verständlich. Jedoch können wir in keiner Weise nachvollziehen, wie nun Kollektivstrafen nach dem Gießkannenprinzip ausgesprochen werden. Der Verein macht es sich einerseits zu einfach, wenn er eine einzelne Gruppe angreift, obwohl eine ganze Szene in Mönchengladbach agiert hat. Andererseits ist es ein absolutes Unding, nun Menschen zu bestrafen, die nachweislich nicht einmal in Mönchengladbach zugegen waren. Hier handeln noch immer Menschen und keine Gruppen per se. An den Boyz Köln soll nun ein nicht hinnehmbares Exempel statuiert werden, gegen das wir uns ganz deutlich und in jeder Form aussprechen. Wer Scheiße baut, der muss mit den Konsequenzen leben können, doch kann die Konsequenz nie in Sippenhaft und Generalverurteilung münden. Heute sind es die Boyz und morgen?

Wir appellieren an alle Seiten, Besonnenheit walten zu lassen, die Geschehnisse in Ruhe aufzuarbeiten und dann gemeinsam an einem Weg zu arbeiten, der für uns alle gangbar und nicht weiter vereinsschädigend ist.

Gleichermaßen erschrocken waren wir über die Veröffentlichung von Nahaufnahmen des Gästeblocks auf der Internetpräsenz des 1. FC Köln. Dort zu sehen sind eine Mischung aus vermummten und unvermummten Personen. Die Menschen, die ganz offensichtlich keinerlei Absichten hegten, waren auch entsprechend nicht vermummt. Genau diese werden nun aber öffentlich stigmatisiert und an den Pranger gestellt. Dies stellt eine enorme Verletzung der Persönlichkeitsrechte der Menschen dar und stößt bei uns auf völliges Unverständnis. Die Dramatik der Ereignisse in Mönchengladbach hätten auch anders dargestellt werden können. Der Aufruf zum Denunziantentum hilft uns nicht dabei, die Verhältnisse zu verbessern – ganz im Gegenteil!

Um allgemein Druck vom Kessel zu nehmen und erst einmal die zur Aufarbeitung aller Geschehnisse benötigte Ruhe einkehren zu lassen, werden auch wir heute beim Spiel gegen Hannover 96 im Stadion nicht als Gruppe auftreten. Mit diesem Schritt stellen wir unsere persönlichen Gruppeninteressen hinten an und wollen allen Beteiligten Zeit und Raum für eine kritische Aufarbeitung von allen Seiten geben. So kann es jedenfalls nicht weitergehen…

Wie immer werden wir heute unseren Infostand am Bus des sozialpädagogischen Fanprojekts geöffnet haben und sind dort jederzeit für Euch ansprechbar. Wir freuen uns auf den – gerne auch kritischen – Austausch mit Euch und werden uns unserer Verantwortung auch zukünftig sicher nicht entziehen.

“Wir sind gegen Kollektivstrafen von Fanclubs und Ganzkörperkontrollen in Containern”
Werner Spinner

Coloniacs im Februar 2015


Statement der Navajos, die im Stadion waren und ein Spruchband präsentierten:

„Gegen Böller und Leuchtraketen! –
Gegen Online-Pranger und Kollektivstrafen!“

Mit unserem Spruchband beim heutigen Heimspiel gegen Hannover 96 möchten wir Vorfälle im Zusammenhang mit dem Spiel in Mönchengladbach thematisieren.

Sowohl vor, während als auch nach dem Spiel kam es im Gästeblock zu unkontrolliertem Einsatz von Pyrotechnik. Das Werfen von bengalischen Fackeln ist für uns definitiv kein Ausdruck lebendiger Fankultur, sondern nimmt billigend Verletzungen von FC-Fans und anderen Stadionbesuchern in Kauf. Den Gebrauch von Böllern, Leuchtraketen und das Werfen von pyrotechnischen Gegenständen verurteilen wir entschieden.

Nach dem Fehlverhalten von Teilen der Kölner Fanszene war der FC zu Reaktionen gezwungen. Der Entzug des Fanclubstatus sowie die vorübergehende Beendigung des Dialogs mit einem Fanclub, von dem ein führendes Mitglied an den Vorfällen beteiligt war, ist nachvollziehbar. Pauschalisierende „Fahndungsbilder“ im Internet zu veröffentlichen, stellt jedoch einen drastischen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte dutzender FC-Fans dar. Diese Reaktion geschah aus unserer Sicht vorschnell und gegen viele der auf den Fotos abgebildeten Fans vorverurteilend. Zudem verhängte der FC Kollektivstrafen gegen eine ganze Fangruppe in Form von lokalen Stadionverboten. Diese Strafe trifft nachweislich unschuldige, in Mönchengladbach nicht anwesende und unbeteiligte Personen. Wir lehnen das Mittel der Kollektivstrafe ab und protestieren gegen die Vorgehensweise des 1. FC Köln im Zusammenhang mit den Vorfällen in Mönchengladbach.

Durch die oben genannten Maßnahmen scheint sich der Fokus der Derbynachbetrachtung in Teilen der Kölner Fanszene von anfänglicher Selbstreflexion hin zu Kritik am Vorgehen des 1. FC Köln zu verschieben. Die Kollektivstrafen des FC schwächten somit leider indirekt Positionen von Fangruppen, die Kritik an den Vorfällen in Mönchengladbach formulierten.

„Gegen Böller und Leuchtraketen! – Gegen Online-Pranger und Kollektivstrafen!“

NAVAJOS, 21. Februar 2015

Hier gibt es die Stellungnahme der Südkurve.
Hier gibt es die Stellungnahme der Boyz Köln.

Fanfotos 1. FC Köln




Weitere News:
08.11.2021: Ultras 1. FC Köln mit Stellungnahme zur aktuellen Situation
29.10.2021: Auch Kölner Fanszene macht für morgige Demo mobil
19.10.2021: Auseinandersetzung bei U19-Spiel zwischen Genk & Köln
15.10.2021: Plakate gegen Dietmar Hopp im Stadtbild von Köln
12.10.2021: „Bis auf weiteres keinen organisierten Support“

Alle 475 News anzeigen