03.11.2015 - Viktoria Köln / Bayer Leverkusen

Stadionverbote wegen eines beleidigenden Banners?


Leverkusener Ultras hielten beim Pokalspiel bei Viktoria Köln ein „Jeder Kölner ist ein Hurensohn“ Banner in die Höhe. Zwei Ultras, die das Transparent gehalten haben, wurden von Viktoria Köln nun mit einem bundesweiten Stadionverbot belegt. Doch ist dies überhaupt mit den DFB-Richtlinien vereinbar?

Helmut Waldhaus, Sicherheitsbeauftragter bei Viktoria Köln bestätigte auf telefonische Nachfrage von Faszination Fankurve, dass heute zwei bundesweit gültige Stadionverbote an zwei Bayer Leverkusen Fans zugestellt wurden, die beim DFB-Pokalspiel das besagte Banner in die Höhe gehalten haben sollen. Nach Informationen von Faszination Fankurve erreichten diese Stadionverbote die Leverkusen-Fans bisher nicht. Auf welcher Grundlage diese bundesweiten Stadionverbote ausgesprochen wurden, wollte Waldhaus auf Nachfrage nicht erklären.

Der Inhalt des Spruchbands, das die Mütter aller Bewohner der Stadt Köln beleidigen sollte, diente dazu, andere Personen zu beleidigen. Doch ob es rechtlich überhaupt eine Beleidigung ist, darf bezweifelt werden, da Beleidigungen nur gegenüber natürlichen Personen oder einem überschaubaren Personenkreis ausgesprochen werden können. Bewohner der Stadt Köln gibt es immerhin über eine Million und von ihnen hat bisher wohl niemand Anzeige gegen die Ultras aus Leverkusen erstattet.

Und selbst eine Beleidigung reicht nicht aus, um Fußballfans mit einem bundesweit gültigen Stadionverbot zu belegen. Dies hat 2007 ein Fan von Eintracht Frankfurt in einem vom Fanrechtefonds finanzierten Präzedenzfall in einem Verfahren gegen den 1. FC Köln gerichtlich feststellen lassen (Faszination Fankurve berichtete). In den DFB-Richtlinien zur einheitlichen Behandlung von Stadionverboten ist in Paragraph 4 geregelt, wer mit einem bundesweit gültigen Stadionverbot belegt werden darf. Bundesweite Stadionverbote sollen laut DFB nur bei schweren Vergehen ausgesprochen werden. Bei anderen Vergehen reicht demnach ein lokales Stadionverbot. Doch Viktoria Köln setzte auf bundesweite Stadionverbote. Diese Art von Stadionverboten ist eigentlich für Fans vorgesehen, die Gewalt ausgeübt, Pyro gezündet oder geschmuggelt, Landfriedens-, Hausfriedensbruch oder Gefangenenbefreiuung oder andere schwere Straftaten begangen haben.

Zudem ist ein bundesweites Stadionverbot laut Paragraph 4 auch bei „Handlungen / Verhaltensweisen, die die Menschenwürde einer anderen Person in Bezug auf Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, Geschlecht oder Herkunft verletzen, insbesondere durch herabwürdigende, diskriminierende, verunglimpfende Äußerungen oder entsprechende Aufschriften auf Transparenten“ möglich. Dieser eigentlich für rechtsextremistisches Fehlverhalten von Fans geschaffene Unterpunkt der Stadionverbotsrichtlinien kann in dem vorliegenden Fall wohl ebenfalls keine Anwendung finden, da das Transparent „jeden Kölner“ beleidigte. Ob jemand offiziell Kölner ist oder nicht, bestimmt jedoch nicht seine Herkunft oder Abstammung, sondern ob er beim Einwohnermeldeamt der Stadt Köln gemeldet ist. Andernfalls müssten Woche für Woche zahlreiche Stadionverbote wegen Beleidigung der gegnerischen Fans, Mannschaft oder Stadt ausgesprochen werden.

Die Verwendung des Wortes „Hurensohn“ ist sicherlich nicht die feine englische Art und auch streitbar, jedoch sind solche als Schimpfwörter benutzten Begriffe in fast allen Fankurven in Deutschland üblich. Auch beim 1. FC Köln war das besagte Wort am Samstag zum Beispiel auf Plakaten zu sehen und in Fangesängen zu hören. Wer Stadionverbot wegen Beleidigungen fordert, müsste bald auch Fußball in halbleeren Stadien ohne nennenswerte Stimmung ertragen.


Am kommenden Samstag kommt es in Leverkusen zum rheinischen Derby zwischen Bayer Leverkusen und dem 1. FC Köln. Zwei weitere Leverkusen Fans dürfen dieses Spiel wohl nicht im Stadion verfolgen, weil es wohl einen längeren Zeitraum dauern wird, um gegen die ausgesprochenen Stadionverbote vorzugehen. Seit Jahren kritisieren Fanvertreter, dass ein Vorgehen gegen zu Unrecht ausgesprochene Stadionverbote zu lange dauert. Mit der Aussprache von Stadionverboten schaffen die Vereine Fakten, die Gerichte erst später für möglicherweise rechtswidrig erklären. Den betroffenen Fans, die zahlreiche Spiele ihres Vereins verpasst haben, nützt das wenig.

Im Vorfeld des Heimspiels des 1. FC Köln gegen die TSG Hoffenheim tauchten am vergangenen Wochenende in Köln-Müngersdorf Flyer mit der gleichen Aufschrift auf, die Leverkusener Ultras beim Pokalspiel bei Viktoria Köln zeigten. Gegenseitige Beleidigungen werden wohl auch beim Derby am kommenden Samstag nicht ausbleiben. Hoffentlich werden deshalb nicht massenweise Stadionverbote ausgesprochen. (Faszination Fankurve, 03.11.2015)

UPDATE: Mittlerweile haben die Ultras Leverkusen eine Stellungnahme abgegeben, in der sie sich auch zu der Pyroaktion und der Beleidigung positionieren.