26.03.2015 - Hannover 96

Szenekundige Beamte müssen Daten löschen


Szenekundige Beamte, die die Fußballfanszene in Niedersachsen beobachten, führen teilweise eine Datei, in der Daten über Fußballfans gesammelt werden. Ein Fan von Hannover 96 bekam heute vor dem Verwaltungsgericht Hannover Recht. Deshalb müssen Daten dieser Person teilweise gelöscht werden.

Andere Daten dürfen laut dem Urteil weiterhin in der Arbeitsdatei der Szenekundigen Polizeibeamten aufgeführt werden. Die Fanhilfe Hannover will dagegen vorgehen. Außerdem will die Fanhilfe alle Fans von Hannover Vordrucke zur Verfügung stellen, damit diese abfragen können, welche Daten über sie in der Datei gespeichert sind. Bisher klagte ein Fan.

Nach Angaben der Fanhilfe werden in der Datei auch Kontakt- und Begleitpersonen von Personen der Fanszene gespeichert, die strafrechtlich noch nie in Erscheinung getreten sind. Die Arbeitsdatei der Szenekundigen Beamten sei demnach ein noch größerer Eingriff in die Persönlichkeitsrechte von Fußballfans, als seit Jahren in Fankritik stehende Datei Gewalttäter Sport. (Faszination Fankurve, 26.03.2015)

Faszination Fankurve dokumentiert die Pressemitteilung der Fahnhilfe Hannover:

Fanhilfe Hannover erreicht teilweise Datenlöschung in der SKB-Datenbank und kündigt Klage vor dem Oberverwaltungsgericht an

Das Verwaltungsgericht Hannover hat der Klage eines Mitglieds der Fanhilfe gegen die Polizeidirektion Hannover in erster Instanz teilweise stattgegeben. Drei Einträge in der "Arbeitsdatei Szenekundige Beamte (SKB)" müssen gelöscht werden. Die Anträge auf Löschung aller weiteren fünf Einträge der Klägerin wurden abgewiesen. Da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, wurde die Berufung zugelassen. Die Fanhilfe Hannover wird zeitnah mit den Rechtsbeiständen die notwendigen Schritte zur Berufung einleiten, um das Verfahren möglichst zeitnah voran zu treiben.

Die SKB-Datei in Niedersachsen ist dezentral in bisher drei bekannten Standorten eingerichtet. In Hannover (ca. 600 Personen), Braunschweig (ca. 300 Personen) und Wolfsburg (ca. 150 Personen) sind zahlreiche Fans darin mit umfangreichen persönlichen Daten erfasst. Neben Adressen und Namen sind auch zahlreiche private Daten zum sozialen Umfeld, Wohn- und Aufenthaltsorten, Vereins- bzw. Fanclubmitgliedschaften und dortige Funktionen oder Körpermerkmalen möglich. Eingetragen werden kann jede Person, die den sogenannten szenekundigen Beamten als wichtig erscheint. Hierzu zählen auch Kontakt- und Begleitpersonen die strafrechtlich relevant noch nie in Erscheinung getreten sind. Die sogenannte Arbeitsdatei „Szenekundige Beamte“ stellt somit einen noch größeren Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung dar, als die ohnehin seit Jahren kritisierte Datei „Gewalttäter Sport“, die in ihrem Umfang nur einen Bruchteil der Daten aus der SKB-Datei aufweist und zumindest in Speicherfristen klar geregelt ist. „Wir haben bei der SKB-Datei die absurde Eigenart, dass Datensätze über einen Zeitraum von über 10 Jahren gespeichert werden können“, erklärt Florian Meyer von der Fanhilfe Hannover. „Mit großer Sorge fragen wir uns natürlich auch, ob neben Fußballfans auch anderen Gruppen in entsprechenden Arbeitsdateien erfasst werden. Insbesondere nach der Causa Andrea Röpke ist leider davon auszugehen, dass wir es hier nur mit der Spitze des Eisbergs zu tun haben“.

Eine Mitglied der Fanhilfe hatte auf Löschung ihrer Daten in die "Arbeitsdatei Szenekundige Beamte (SKB)“ geklagt, da sie hierin einen massiven Eingriff in ihre Grundrechte sieht. Gespeichert waren u.a. Daten zu Strafverfahren (die allesamt eingestellt wurden), aber auch zu einfachen Personalienfeststellungen oder vermeintlichen Gefährderansprachen. Nachfragen des Verwaltungsgerichts zur Aussagekraft von einzelnen Einträgen konnte die Polizeidirektion Hannover nur sehr lückenhaft erklären. Es stellte sich beispielweise die Frage, was der Eintrag zur Personalienüberprüfung bei der Ausreise in Puttgarden nach Dänemark aussagen soll. An diesem Tag wurden in Puttgarden von rund 2.000 96-Fans die Personalien kontrolliert. Darüber hinaus bemängelte das Verwaltungsgericht, dass die Einträge aufgrund ihrer Unvollständigkeit Dinge suggerieren, die nicht der Wahrheit entsprechen.

Für alle Fans bietet die Fanhilfe Hannover an dieser Stelle spätestens am morgigen Freitag einen entsprechenden Vordruck zur eigenen Datenauskunft an.

Faszination Fankurve dokumentiert die Pressemitteilung vom Verwaltungsgericht Hannover:
Gericht hält Speicherung von Daten in der polizeilichen „Arbeitsdatei Szenekundige Beamte“ (SKB) grundsätzlich für zulässig.

Mit Urteil vom 26.03.2015 gibt die 10. Kammer der Klage eines weiblichen Fußballfans nur hinsichtlich der Löschung einzelner Eintragungen statt und weist die Klage zum überwiegenden Teil ab.
In der polizeilichen „Arbeitsdatei Szenekundige Beamte" sind personenbezogene Daten zu Personen gespeichert, die die beklagte Polizeidirektion Hannover der Problemfanszene zurechnet. Im Fall der aus Hannover stammenden Klägerin sind dies neben zwei Lichtbildern Name, Geburtsdatum und -ort der Klägerin, ein Spitzname, ihre Wohnanschrift, Erkenntnisse über gefahrenabwehrrechtliche Maßnahmen (Identitätsfeststellungen und Ingewahrsamnahmen) und strafprozessuale Ermittlungsverfahren mit der Angabe des Kurzsachverhalts und des „Bezugsspiels", in dessen Umfeld die Maßnahmen bzw. Ermittlungsverfahren stattfanden.
Soweit die Klägerin ursprünglich auch Auskunft über die über sie in der Datei gespeicherten Erkenntnisse verlangt hatte, konnte das Gericht das Verfahren einstellen, weil die Beklagte im Laufe des Verfahrens alle über die Klägerin gespeicherten Daten mitgeteilt hat und die Beteiligten das Verfahren insofern für erledigt erklärt haben.
Hinsichtlich des Löschungsbegehrens hat das Gericht der Klage teilweise stattgegeben und sie zum überwiegenden Teil abgewiesen.
Das Gericht hält die Einrichtung der Datei und die Speicherung von Daten auf der Grundlage von § 38 und § 39 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) jedenfalls zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung grundsätzlich für zulässig.
Gemäß § 38 und § 39 Abs. 1 Nds. SOG dürfen die Behörden Daten zum Zweck der Gefahrenabwehr erheben und speichern. Das gilt gemäß § 39 Abs. 3 Satz 1 Nds. SOG grundsätzlich auch für personenbezogene Daten, die im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren erhoben worden sind. Höhere Anforderungen gelten für diese Daten gemäß § 39 Abs. 3 Satz 2 Nds. SOG dann, wenn sie zum Zwecke der Verhütung von Straftaten gespeichert werden.
Die Arbeitsdatei SKB dient nach Überzeugung des Gerichts auch dem Zweck der Verhütung von Straftaten. Das ergibt sich aus der von der Beklagten vorgelegten Verfahrensbeschreibung und den Ausführungen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung.
Daten, die im Rahmen von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren erhoben worden sind, dürfen in die Arbeitsdatei SKB daher nur unter den strengeren Anforderungen des § 39 Abs. 3 Satz 2 Nds. SOG eingestellt werden. Erforderlich dazu ist der Verdacht, dass der Betroffene künftig vergleichbare Straftaten begehen wird.
Dieser Verdacht ließ sich bei einem der zu löschenden Einträge nicht erhärten.
Hinsichtlich zweier Einträge hat das Gericht die Beklagte zur Löschung verpflichtet, weil nicht erkennbar war, dass die Daten in der gegenwärtig eingetragenen Form zur Erfüllung der Zwecke erforderlich sind. Das Gericht hat ausdrücklich offen gelassen, ob es zulässig wäre, die betroffenen Sachverhalte mit ergänzenden Informationen erneut zu speichern.
Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage, ob die polizeiliche Datei auf der Grundlage von Bestimmungen des Nds. SOG geführt werden kann, hat die Kammer die Berufung zugelassen.
Aktenzeichen: 10 A 9932/14

Hier gibt es die Pressemitteilung von Rechtsanwalt Dr. Andreas Hüttl zum heutigen Urteil.
bi

Fanfotos Hannover 96




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