10.07.2011 - FC Zürich

Teure ungerechtfertigte Rayonverbote


Beim Zürcher Stadtderby am 6. Mai 2011 kam es nach dem Spiel zu mehreren Festnahmen, da die Verhafteten nach Angaben der Polizei an gewalttätigen Auseinandersetzungen teilgenommen hatten. Die Fans beteuerten ihre Unschuld und bekamen Recht. Die Steuerzahler kosteten die Verdächtigungen einen fünfstelligen Betrag.

Faszination Fankurve dokumentiert die Stellungnahme der Zürcher Südkurve:

Am 6. Mai 2010 verhaftete die Stadtpolizei Zürich nach dem Spiel GC gegen FCZ 17 Personen, welche angeblich an Ausschreitungen teilgenommen haben sollen. 8 Festgenommene beteuerten von Anfang an ihre Unschuld und ersuchten um anwaltlichen Beistand. Den eingeleiteten Strafverfahren folgten sogleich Rayon- und später auch Stadionverbote. Heute sind diese Strafverfahren alle eingestellt, die Rayon- und die Stadionverbote aufgehoben. Ende gut, alles gut?

Rayonverbote können gemäss dem nationalen Konkordat über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen auch bei blossem Vorliegen einer polizeilichen Anzeige ausgesprochen werden. Eine gerichtliche Verurteilung ist nicht erforderlich, eine Schuld muss den Betroffenen nicht nachgewiesen werden. Die zuständigen Polizeistellen sind jedoch frei darin, ob sie diesen vom Gesetz eingeräumten weiten Ermessensspielraum ausschöpfen wollen. Fans, die im Strafverfahren ihre Unschuld beteuern, ersuchen die Polizeibeamten denn auch oft, mit dem Aussprechen von Rayonverboten zuzuwarten, bis das Strafverfahren Klarheit gebracht hat. Die Stadtpolizei Zürich zeigt in dieser Frage jedoch wenig Gesprächsbereitschaft und verfolgt eine restriktive Praxis. Eine Praxis, die nicht nur rechtsstaatlich bedenklich ist, sondern den Steuerzahler auch teuer zu stehen kommen kann:

Haarsträubende Einzelfälle

Erachten sich die Fans als unschuldig, müssen sie die bereits ausgesprochenen Rayonverbote innert Frist anfechten. Es kommt zu kostspieligen Verfahren vor dem Bezirks- in manchen Fällen gar vor dem Verwaltungsgericht in zweiter Instanz. Ohne die Hilfe von fansicht und Südkurve hätten sich die Fans vorliegend wohl kaum gewehrt - das Kostenrisiko und der ungewisse und lange Verlauf von Straf- und Verwaltungsverfahren wirken zu abschreckend. Obsiegen die Fans im Verfahren jedoch, ist es die öffentliche Hand, die für die Kosten aufzukommen hat. Die Gleichung ist dabei einfach: Je länger und komplizierter das Verfahren, desto teurer wird’s.

In diesem konkreten Fall wurden die Strafverfahren von den zuständigen Staats- oder Jugendanwälten eingestellt, während sich die Fans im Rechtsmittelverfahren gegen die Rayonverbote befanden. Damit war den polizeilichen Rayonverboten, welche sich ja auf die polizeiliche Anzeige gestützt hatten, der Boden entzogen – die Rayonverbote wurden allesamt aufgehoben. Zum Teil waren aufgrund des übermotivierten Vorgehens der Polizeibeamten und der Haftrichter jedoch kostspielige Umwege erforderlich. Im Folgenden werden einige Einzelfälle portraitiert:

- In einem Fall interessierte es die Polizei nicht, dass ein Fan in den für ihn verbotenen Rayons wohnte und arbeitete. Statt dass die Situation bilateral zwischen Fan und Polizeibeamten geklärt werden konnte, war der Fan zu einer Beschwerde an den Haftrichter gezwungen. Dieser hob das Verbot sofort auf. Es war das einzige Mal in dem dies geschah, ohne dass von haftrichterlicher Seite der Ausgang des Strafverfahrens abgewartet worden wäre.

- In zwei anderen Fällen hatte der zuständige Haftrichter das Rayonverbot bereits bestätigt, bevor das Strafverfahren eingestellt worden war. Die Fans mussten deshalb noch vor das Verwaltungsgericht gehen. Ein solcher Umweg hätte mit etwas Weitsicht von Seiten des Haftrichters vermieden werden können.

Besonders ein Fall illustriert dies eindrücklich: Ein Fan wurde beschuldigt, bei der Festnahme einen Polizisten gebissen zu haben. Dies führte zu einer Strafuntersuchung auch wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte. Der Fan hatte von Anfang an beteuert, es müsse sich um eine Verwechslung handeln und einen DNA-Test verlangt. Die als Zeugen befragten Polizisten waren sich hingegen sicher, den richtigen Täter gefasst zu haben. Der für das Rayonverbot zuständige Haftrichter war selbst nachdem der DNA-Test endlich gemacht worden war und das Resultat nur zwei Wochen später vorgelegen hätte, nicht bereit, seinen Entscheid diese kurze Zeit auszusetzen. Er bestätigte das Rayonverbot. Der Fan wurde so zum kostspieligen Gang ans Verwaltungsgericht gezwungen. Das Resultat des DNA-Tests, welches wie vorausgesagt zwei Tage nach dem Haftrichterentscheid eingegangen war, schloss ihn als Täter zweifelsfrei aus. Das Verwaltungsgericht hob auch dieses Rayonverbot auf.

Übereilt ausgesprochene Rayonverbote verursachen immense Kosten

Fazit: Das vorschnelle Vorgehen der Stadtpolizei schränkte die Fans nicht nur zu Unrecht während einer gewissen Zeit erheblich in ihrer Bewegungsfreiheit ein, es verursachte für die öffentliche Hand auch Kosten in der Höhe von insgesamt 18'703.75.

Immer wieder wird im Zusammenhang mit Fussballspielen auf die horrenden Kosten hingewiesen, welche der Steuerzahler für Sicherheitsmassnahmen berappen muss. Als Verursacher werden dabei stets die Fans portraitiert. Das oben genannte Beispiel, welches sinnbildlich für die Praxis der Stadtpolizei Zürich im Umgang mit Rayonverboten steht, zeigt jedoch auf, dass auch die Sicherheitskräfte durch ein übermotiviertes und undifferenziertes Vorgehen manchmal an einem ganz unerwarteten Ort ebenfalls hohe Kosten verursachen. Übereilt und ohne Augenmass eröffnete Strafverfahren und ausgesprochene Rayonverbote sind ein Ausfluss einer Sicherheitspolitik, der eher daran gelegen scheint, Härte zu demonstrieren, denn Probleme auf sachgerechte Art und Weise zu lösen – koste es was es wolle.

Auch die Haftrichter trugen im vorliegenden Fall zu einigen Mehrkosten bei: In all den Fällen die mit den Vorfällen des 6. Mai 2010 zusammenhingen hatten die betroffenen Fans im Re-kurs von den Haftrichtern verlangt, das Rayonverbotsverfahren sei bis zum Abschluss des Strafverfahrens zu sistieren. Im Gegenzug verzichteten sie darauf, einen Antrag auf Wieder-herstellung der aufschiebenden Wirkung zu stellen. Damit hätten sie das Rayonverbot für die Dauer der Sistierung akzeptiert, aber es wären unnötige Kosten für alle verhindert worden. Die Haftrichter in Zürich waren leider nicht bereit, auf diesen Antrag einzugehen, obwohl ja damit das primäre Ziel eines Rayonverbotes – den Fan vom Stadion fernzuhalten – erfüllt gewesen wäre. Anscheinend ist es wichtiger, die Fans aufgrund des hohen Kostenrisikos davon abzuhalten, sich auch dann zu wehren, wenn sie im Recht sein könnten. (Faszination Fankurve, 10.07.2011)

Weitere Informationen:

Bilder und Informationen zur Fanszene

Fotoserie: Best of FC Zürich

Fanfotos FC Zürich




Weitere News:
01.10.2018: „3.Halbziit“: Hooligan-Rap aus Zürich im Video
10.04.2018: Zürcher Südkurve subventioniert Tickets für Pokalfinale
14.03.2017: Video: FCZ-Fans nutzen Stromausfall für Pyroshow
28.10.2016: Spektakuläres Feuerwerk in Zürich
26.05.2016: ​Video: FCZ-Fans stürmten nach Abstieg die Katakomben

Alle 32 News anzeigen