13.09.2021 - BFC Dynamo/BSG Chemie Leipzig

Tumulte & umstrittener Polizeieinsatz gegen Chemie-Fans


Im Nachgang der Regionalliga Nordost-Partie zwischen dem BFC Dynamo und der BSG Chemie Leipzig kam es gestern im Sportforum Hohenschönhausen zu Tumulten, an denen beide Fanlager beteiligt waren. Die Polizei ging im Gästeblock mit Pfefferspray gegen Chemie-Fans vor, die gar nicht in der Nähe von BFC-Fans waren.

Der BFC hatte sich den Sieg im gestrigen Heimspiel vor 2.000 Fans durch ein Tor in der 90. Minute endgültig gesichert. Nach Abpfiff verabschiedeten sich beide Mannschaften bei ihren Fans. Nachdem sich die Chemie-Spieler anschließend auf in Richtung Auswechselbank bewegten, kam es zu Provokationen zwischen Chemie-Spielern und BFC-Fans. Dabei sollen auch Gegenstände in Richtung der Chemie-Spieler geflogen sein. Die Auswechselbank befand sich in unmittelbarer Nähe zum Stimmungszentrum der BFC-Fans. Chemie-Fans im Gästeblock bekamen diesen Konflikt ebenfalls mit und so kam es, dass sich Chemie- und BFC-Fans aufeinander zubewegten.

Dies rief jedoch schnell die Polizei auf den Plan. Zu einem direkten Schlagabtausch beider Fanlager kam es nicht. Während gegen BFC-Fans vor allem vom Innenraum aus vorgegangen wurde, setzte die Polizei im Gästeblock Pfefferspray ein. Von diesem umstrittenen Polizeieinsatz waren jedoch nicht nur Chemie-Fans betroffen, die sich auf in Richtung BFC-Fans machten, sondern auch Gästefans, die an ihrem Standort in der Mitte des Gästeblocks verweilten. „Beim heutigen Spiel zwischen dem BFC und der BSG kam es im Bereich des Gästeblocks zu einem unverhältnismäßigen Einsatz von Pfefferspray durch die Berliner Polizei. Das Rechtshilfekollektiv verurteilt diesen Einsatz, welcher zu zahlreichen Verletzten führte. Es erfolgte zuvor keine Ansprache durch die Polizeibeamten, sodass die Fans etwa hätten ausweichen können oder Ähnliches. Die Verletzungen wurden offensichtlich bewusst in Kauf genommen und wären zu vermeiden gewesen“, kritisiert das Rechtshilfekollektiv Chemie Leipzig das gestrige Vorgehen der Polizei in Berlin.

Weil die Polizei beim Einsatz im Innenraum des Stadions offenbar einen Chemie-Spieler für einen Fan hielt und entsprechend gegen ihn vorgehen wollte, hagelt es weitere Kritik der Fanhilfe aus der Fanszene von Chemie Leipzig: „Dass die scheinbar überforderte Polizei ihre Aggressionen gegen einen Chemischen Spieler richtete, setzt dem Ganzen die Krone auf. Wir sind gespannt auf die kreative Begründung in der PM der Berliner Polizei, möchten hiermit unseren Protest gegen diese Maßnahme zum Ausdruck bringen.“

Mehrere Medien berichten unter Berufung auf Zeugen, dass es aus dem Bereich der BFC Dynamo-Fans gestern auch zu rassistischen Beleidigungen gekommen sein soll. „Wir sind sauer, richtig sauer!“, kommentierte die BSG Chemie Leipzig die gestrigen Vorfälle beim Kurznachrichtendienst Twitter. Weiter erklärte der Verein: „Wir können reinen Gewissens sagen dass zu keinen Zeitpunkt des Spieles Provokationen oder gar illegale Handlungen von Chemie Fans ausgingen.“ Chemie Leipzig-Trainer Miroslav Jagatic thematisierte Beleidigungen gegen seine Person in der Pressekonferenz nach dem Spiel, ohne dabei jedoch konkret auf gerufene Worte einzugehen. Gleichzeitig betonte der Chemie-Trainer, dass dieses Fehlverhalten von einzelnen Personen unter den BFC-Fans ausgegangen sei. (Faszination Fankurve, 13.09.2021)

Update: Der BFC Dynamo nahm zu den Vorfällen Stellung und erklärte: „Während unsere Mannschaft nach dem Spiel ausgelassen den 2:0-Heimsieg gegen die BSG Chemie Leipzig vor der Haupttribüne mit unseren Fans feierte, kam es nach Provokationen einzelner Spieler der BSG Chemie Leipzig vor der Gegengerade zu wechselseitigen Beleidigungen zwischen Fans des BFC Dynamo auf der einen Seite, sowie Spielern und dem Trainer der Gastmannschaft auf der anderen Seite. Die gegenseitigen Beleidigungen mündeten schließlich im Werfen von Bierbechern und Gegenständen. Statt besonnen und deeskalierend zu reagieren und den Platz zu verlassen, heizte der Chemie-Trainer die entstandene Situation mit seinem Verhalten leider weiter an. Infolgedessen überwanden einzelne Gästefans die Zäune des Gästeblocks, drangen dabei in den Pufferblock ein und versuchten anschließend in Richtung der BFC-Fans vorzudringen. Nach Auswertung des vorliegenden Bildmaterials waren die Zäune bereits während der Partie mit entsprechenden Materialien von den Gästefans präpariert worden, um ein schnelles Übersteigen zu ermöglichen. Durch das konsequente Eingreifen des Ordnungsdienstes und der eingesetzten Polizeikräfte konnte eine mögliche körperliche Auseinandersetzung zwischen den Fangruppen verhindert werden. Die Situation konnte so bereits nach wenigen Minuten wieder unter Kontrolle gebracht werden. Die Auswertungen und Ermittlungen zu den Personen, die die Zäune überstiegen haben, sind noch nicht abgeschlossen und dauern an.“. Zu den rassistischen Beleidigungen teilte der Verein mit: „Kurz vor Spielende wurde der Chemie-Spieler Benjamin Luis durch Affenlaute einer einzelnen Person rassistisch beleidigt. Engagiert griffen umstehende BFC-Fans sofort ein und unterbanden diese unfaire und unwürdige Verhaltensweise. Bereits im Verlauf der Partie wurde eine Person aufgrund des vermeintlichen Zeigens des verbotenen Hitlergrußes von der Polizei identifiziert. Der Ordnungsdienst des BFC übergab diese Person der Polizei zur Identitätsfeststellung und zur Aufnahme weiterer Ermittlungen. Nach Auswertung der Videoaufnahmen durch die Polizei konnte der Straftatverdacht nicht bestätigt werden. Der BFC Dynamo bedauert die Vorfälle im Stadion, jedoch ist es wichtig, dass nach den Vorkommnissen eine wahrheitsgemäße und sachliche Aufarbeitung erfolgt und nicht durch falsche oder einseitige Berichterstattung unser Verein verantwortlich gemacht wird!“

Update 14.09.2021: Mittlerweile hat auch Chemie Leipzig eine Stellungnahme zu den Vorfällen veröffentlicht. Demnach seien schon während des Spiels Gegenstände von BFC-Fans geflogen und rassistische Beleidigungen seien ebenfalls zu hören gewesen. Zu Situation nach Abpfiff teilte die BSG Chemie Leipzig mit: „Unserem Trainer Miroslav Jagatic, der erst später zu seinen Spielern hinzugestoßen war und die Mannschaft deeskalierend vom Brennpunkt entfernte, wurde unter anderem von einer Einzelperson zugerufen: „Deine Sippe gehört vergast!“ Erst daraufhin (!) verlor auch unser besonnener Trainer, in der Regionalliga überall bekannt als fairer Sportsmann, kurzzeitig die Ruhe und reagierte auf die Verbalattacken. Wir stellen fest: Mit diesem Zuruf gegen unseren Trainer sowie Herabwürdigungen gegen unseren Spieler Benjamin Luis ist für uns eine Grenze überschritten worden. Diese rassistischen, antisemitischen und menschenverachtenden Entgleisungen im gesprochenen Wort- und Liedgut, wie es im Sportforum lautstark zu hören waren, sowie Gestik einzelner lassen uns im Jahr 2021 entsetzt und fassungslos zurück.“