25.12.2020 - Buchtipp

„Unter Ultras“: Capos bedeutender Gruppen geben Einblicke


Ende November ist mit „Unter Ultras - Eine Reise zu den extremsten Fans der Welt“ ein neues Buch von James Montague in deutscher Sprache erschienen. Der Autor, der u.a. auch für die New York Times schreibt, traf sich im Rahmen der Recherche mit zahlreichen namhaften Personen aus der weltweiten Ultraszene. Wir haben das Buch gelesen.

Der Autor hat für seine Buch-Recherche nach eigenen Angaben über zwei Dutzend Länder bereist. Doch nicht die Anzahl der bereisten Länder ist beeindruckend, sondern mit welchen Personen aus der weltweiten Ultraszene der Autor James Montague alles reden konnte. Cem Yakışkan von Çarşı, den Ultras von Besiktas aus Istanbul war einer der Gesprächspartner von Montague, von dem jedoch schon häufiger Aussagen in den Medien finden konnte. Doch es wurden noch viele weitere führende Ultras besucht.

In Italien sprach Montague u.a. mit Fabrizio „Diabolik“ Piscitelli, dem Anführer der Irriducibili von Lazio Rom, noch bevor dieser im August 2019 auf einer Parkbank im Parco degli Acquedotti an der Via Lemonia erschossen wurde (Faszination Fankurve berichtete), aber auch mit Claudio „Bocia” Galimberti, Capo der Curva Nord von Atalanta Bergamo, die eine völlig andere Ausrichtung, als die Ultras von Lazio Rom verfolgen.

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Immer wieder geht es in dem Buch vor allem um politische Aktivitäten von Ultragruppen auf der ganzen Welt und ihren Einfluss auf Gesellschaft und Politik der jeweiligen Region. Die Kapitel über Serbien und Kroatien behandeln die großen Ultragruppen beider Länder sowie ihren Einfluss zu Zeiten des Jugoslawien-Kriegs, aber auch in der heutigen Zeit. Im Zusammenhang von Griechenland und Nordmazedonien wird vor allem über die Ultras von PAOK Saloniki und Vardar Skopje berichtet. So traf sich der Autor ebenso mit einer Person aus der PAOK-Fanszene, die anonym bleibt, als auch mit Komiti Skopje. Beim Thema Albanien und Kosovo erzählt der Autor des Buches die Geschichte von der Person nach, die am 14. Oktober 2014 beim EM-Qualifikationsspiel zwischen Serbien und Albanien einen Quadrocopter (eine Art Drohne) mit einer „AUTOCHTHONOUS“-Flagge ins Partizan-Stadion fliegen ließ und damit nicht nur an diesem Tag für Chaos sorgte. Der Autor traf sich mehrfach mit der Person, die für diese weltweit beachtete Aktion verantwortlich war und erzählt, wie sich das Leben des Drohnenpilots, der später zwischenzeitlich im Gefängnis landete, nach der Aktion veränderte.

Beim Blick nach Deutschland geht der Autor neben politischen vor allem auf fanpolitische Themen ein. Aussagen von Fanvertreter und Fanvertreterinnen aus Dortmund, Freiburg und Bremen flossen in dieses Kapitel mit ein, in dem auch der Kampf der deutschen Fanszenen für den Erhalt der 50+1-Regel behandelt wird.

Für das Schweden-Kapital verabredete sich James Montague erneut mit einem Ultra der ersten Generation von Hammarby, mit dem er schon in Südamerika unterwegs war. Bei seinem Besuch in Stockholm traf der Autor jedoch auch Ultras anderer schwedischer Vereine in einer Kneipe. Zudem war er mit den KGB-Hooligans von Hammarby bei einem Angriff auf einen Lokalrivalen unterwegs.

Doch das „Unter Ultras“-Buch handelt nicht nur von Europa. Auch in Südamerika traf der Autor einflussreiche Fußballfans. Nach einem Spiel in Buenos Aires kam es zu einem vereinbarten Treffen an einer Tankstelle mit Rafael „Rafa“ di Zeo von La 12, der Barra Brava der Boca Juniors. Aus Uruguay erzählt der Autor außerdem die Geschichte vom ersten „Hincha“ und trifft dabei ebenso auf Familienmitglieder des „ersten Fans“, als auch die Barra „La Banda del Parque“ vom Club Nacional de Football aus Montevideo. In Brasilien ist Cláudio Cruz, Gründer der Torcida Raça Rubro-Negra von Flamengo aus Rio de Janeiro, der Gesprächspartner von James Montague. Abgerundet wird das Buch mit Blicken in die noch junge „Fankultur“ in den USA sowie nach Indonesien, wo sich eine respektable Ultrakultur entwickelt hat. Dort geriet der Autor in eine ziemlich brenzlige Situation, in der er sogar um sein Leben fürchten musste.

„James wollte mehr sehen und ist für die Recherchen für »Unter Ultras« in mehr als zwei Dutzend Länder gereist. Es gelang ihm, Zutritt zu der eigentlich medienscheuen und verschlossenen Welt der Ultras zu erhalten, und er ist mit einem Erlebnisbericht zurückgekehrt, den es so noch nicht gegeben hat. Montague beschreibt, wie sich Ultras politisierten und radikalisierten. Wie sie in Italien, der Ukraine und auf dem Balkan offen faschistisch und nationalistisch agieren. Aber auch antifaschistisch, gegen Homophobie und für demokratische Strukturen, wie in der Türkei, dem italienischen Bergamo oder den USA Er erzählt davon, wie serbische Fußballfans von Roter Stern Belgrad während des Balkankrieges Kriegsverbrechen begingen oder Anhänger von Dynamo Kiew in der Ostukraine als Freiwillige gegen prorussische Milizen kämpften“, kündigt der Verlag Copress das Werk an.

„Bei allen Problemen, auf die ich gestoßen war (insbesondere die Nähe der Ultras zur rechtsextremen Szene und zum organisierten Verbrechen in manchen Teilen der Welt), gibt die Bewegung Hundertausenden, wenn nicht sogar Millionen Menschen auf allen Kontinenten ein Gefühl der Heimat und der Identität. Die Szene besitzt politische Macht und sorgt im Idealfall für Veränderung zum Guten“, gibt der Autor James Montague Einblicke in seine Gedankenwelt während der Entstehung von „Unter Ultras“.

Das Buch ist vor allem für Leute interessant, die sich für politische Themen im Zusammenhang mit der weltweiten Ultrakultur interessieren. Einige Geschichten aus dem Buch werden dem informierten Leser vielleicht schon bekannt sein, doch vor allem die Treffen mit namhaften Persönlichkeiten aus der Ultraszene machen das Buch lesenswert. (Faszination Fankurve, 25.12.2020)

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Unter Ultras (deutsche Version)
Eine Reise zu den extremsten Fans der Welt
416 Seiten
Format 15 x 21,5 cm
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1312: Among the Ultras (Englische Version)
A journey with the world’s most extreme fans: