01.01.2011 - Groundhopping

Unterwegs auf Balkantour mit Fabian Schlomm (Teil 8/10)


Im Spätsommer 2009 begab Fabian Schlomm sich über drei Wochen auf eine Groundhoppingtour Richtung Balkan. Faszination Fankurve veröffentlicht seine Erlebnisse in zehn Teilen. Im achten Teil sah der Groundhopper die Partie FK Bokelj Kotor gegen FK Celik Niksic.

11.10.2009 14:00 Uhr

FK Bokelj Kotor – FK Celik Niksic 2:1

Stadion pod Vrmcem

Zuschauer: ca. 300

0 Gäste

„Heavy thunderstorms and much much rain“, so lautete die Wetterprognose, mit der uns der montenegrinische Mobiltelefonanbieter per SMS versorgte. An sich ein netter Service, doch der Inhalt stimmte uns weniger froh. Hatten wir bisher auf der Tour mit dem Wetter wirklich Glück, so bahnte sich in naher Zukunft ein Unwetter an. Doch so richtig konnte man der Vorhersage keinen Glauben schenken, bei schönen 25 Grad und nur leicht bedecktem Himmel. Am kommenden Morgen folgte ein schüchterner Blick aus dem Hotelzimmerfenster, doch es war nur bewölkt, von peitschendem Regen und entsprechenden Ergüssen keine Spur. So machten wir uns nach dem Frühstück auf den Weg zur einzigen Bucht im Mittelmeer, der Bucht von Kotor. Dieses Schmuckstück taucht in jedem Reiseführer auf, aber im Gegensatz zu so Manchem, was in den Veröffentlichungen von Marco Polo & Co. das Prädikat „muss man unbedingt gesehen haben“ erhält, sich aber nachher als Rohrkrepierer und Touriabzocke entpuppt, ist die Bucht von Kotor wirklich einen Besuch wert! Sowohl die mittelalterliche Innenstadt als auch die bergige Umgebung bringen einen zum Staunen! Absolut atemberaubend! Doch zuvor mussten wir noch knapp 40 Kilometer kurvige Landstraßen nach Kotor hinter uns bringen. Und wie es in bergigen Gegend sooft der Fall ist: das Wetter kann von jetzt auf gleich dramatisch umschwingen. Und so mussten wir leider feststellen, das die Wettervorhersage doch mal wieder recht hatte. Und wie! Nun goss es wirklich aus allen Kübeln, wenn es Berg hoch ging kamen uns regelrechte Ströme an abfließendem Wasser entgegen und manche Autofahrer unterbrachen gar die Fahrt und stellten ihren PKW an der Seite ab und warteten. Wir setzten unsere Fahrt jedoch fort. Viel mehr Gedanken, als das wir vielleicht eine nicht sonderlich gute Sicht auf die Bucht hätten, machte mir natürlich eine drohende Absage des o.g. in Kotor stattfindenden Zweitligaspiels. So galt es, den ersten Stopp, in Kotor angekommen, am Stadion zu machen. Der Sportplatz mit neuem Vereinsheim und ca. 10 unüberdachten Stufen an einer Längsseite sollte sich laut Internet im Umbau befinden. Doch das einzige, was auf einen Umbau hinwies, waren der neue Parkplatz und reichlich sich darauf befindliche Säcke voll Kies. Unterhalb des Platzes ragten einige Rohre aus dem Boden, aus denen das ablaufende Wasser nur so sprudelte und ich konnte mir nach einem Blick auf den Platz wahrlich nicht vorstellen, das hier in wenigen Stunden gegen die Kugel getreten werden sollte. Nun ja, wir mussten eh abwarten.

Positiv: so schnell das Unwetter kam, so schnell verzog es sich auch wieder. Wir mussten zwar mit Regenschirm durch die mittelalterliche und absolut sehenswerte Innenstadt schlendern, doch spätestens, als wir die Ruinen der Stadtmauer hinauf liefen, hörte es zumindest auf zu regnen. Wir spazierten noch ein bisschen durch den kleinen Hafen, in dem gerade ein riesiges Kreuzfahrtschiff Halt machte, und versorgten uns im Supermarkt um die Ecke mit Nahrungsmitteln. Dann gingen wir zum Stadion. Auf dem Weg dorthin kommt man am riesigen Hotel „Fjord“ vorbei. Hierbei muss es sich dem Aussehen und der Größe nach zu urteilen einmal um ein Luxushotel gehandelt haben. Doch mittlerweile ist es verlassen und rottet vor sich hin, niemand scheint sich um das Gebäude zu kümmern.

Im Stadion angekommen verbreitete sich angenehme Freude, die Spieler beider Mannschaften machten sich warm. Wenn das Spiel wirklich nicht stattfinden würde, dann hätte man das mit Sicherheit schon längst kundgetan und die Gäste aus Niksic könnten den Heimweg in ihrem antiquierten Mannschaftsbus antreten. Doch statt dessen kamen immer mehr Zuschauer auf die kleine Tribüne.

Auf der anderen Seite waren einige Sparfüchse auf einige der großen Kiessäcke geklettert und verfolgten das Spiel über die Mauer schauend gratis.

Die Spieler beider Mannschaften ackerten über den Rasen, dass es eine wahre Wonne war. Oftmals blieb ein langer Diagonalpass an der Seitenlinie entlang einfach in den entstandenen Pfützen stecken und auch der ein oder andere Fernschuss wurde so entschärft. Trotzdem kamen die Amateure recht gut mit den Platzverhältnissen zurecht und es entwickelte sich ein spannender Kampf, den die Hausherren zu guter Letzt mit 2:1 für sich entscheiden konnten.

Nach dem Spiel machten wir einen Umweg über den Lovcen, einen großen Berg im gleichnamigen Nationalpark. Von der dort aufsteigenden Passtrasse aus hat man einen fantastischen Blick auf die Bucht, der uns für vorher aufgrund der tief hängenden Wolken nicht wahrzunehmende Aussichten entschädigte. Wenn man mit der Kamera zoomt kann man auch das Stadion direkt neben dem Hotel Fjord entdecken und ein schönes Luftbild machen. Wenn man auf der Höhe von nicht ganz 1.750 Metern angekommen ist führt die Strecke teilweise über eine Hochebene, auf der verstreut einzelne Dörfer und Häuschen liegen. Mittlerweile waren die Temperaturen durch das schlechte Wetter und die Höhe auf knapp 10 Grad gesunken. In einem Dorf lockte uns ein Schild in ein kleines Gasthaus. Dort war es super gemütlich und während uns der freundliche Koch eine Fleischplatte zubereitete staunten wir über die Teppiche und Wappen an den Wänden und ließen uns vom lodernden Feuer im offenen Kamin wärmen.

Nach dieser Rast ging die Fahrt weiter, die Bedingungen hatten sich allerdings erschwert, mittlerweile war es dunkel geworden und dazu war noch dicker Nebel aufgezogen. Mit einer minimalen Sicht eierten wir über die Serpentinen und kamen schließlich spät abends in Petrovac an.

Montag, 12.10.2009

Am Morgen mussten wir schweren Herzens unser lieb gewonnenes Hotel Daniel verlassen. Allzu oft hat man ja in Touristengegenden, und dazu mausert sich Montenegro (leider) gerade, einen schlechten Eindruck von Unterkünften und Hotels. Doch das war hier nicht so. Ein familiäres Hotel mit sehr freundlichem Personal und fairen Preisen (24,00€ für ein Doppelzimmer in der Nebensaison inkl. Frühstück), darüber kann man wahrlich nicht meckern.

Heute stand die Weiterfahrt nach Bosnien an. Doch wiederum wählten wir nicht den kürzesten und schnellsten Weg, was würde es uns an diesem fußballfreien Tag bringen, frühzeitig in Zenica, unserem Ziel, anzukommen? So entschlossen wir uns, über die Tara-Schlucht zu fahren, der zweit tiefsten Schlucht der Welt nach dem Grand Canyon. Der Weg würde uns danach auf einer Passstraße in teilweise 1.900 Metern Höhe durch den Durmitor Nationalpark führen, um dann knapp 20 Kilometer vor den bosnischen Grenze wieder auf die E762 zu stoßen.

Auch dieser Umweg war ein voller Erfolg. Unglaublich schöne Berglandschaften mit malerischen Wäldern säumen den Weg und es gibt reichlich Gelegenheiten, um die Fahrt zu unterbrechen und diese Naturschönheiten zu bestaunen. Touristisch wird die Gegend dort oben mittlerweile auch als Skigebiet genutzt, speziell Russen haben schon ganze Skidörfer errichtet. Aber von diesen baulichen Grausamkeiten abgesehen ist eine Fahrt von Mojkovac aus über Zabljak durch den Nationalpark ein unvergessliches Erlebnis und zeigt einmal mehr die nah beieinander liegenden Sehenswürdigkeiten Montenegros auf. Das soll nicht wie in einem Werbeprospekt für Montenegro klingen, es spiegelt wirklich nur wieder, wie man dieses Land erlebt.

Nach mehreren Stunden kurviger Straßen, unzähliger Serpentinen und dutzender Tunnel wurde die Straße immer schmaler und schließlich waren wir an der Grenze angekommen. Nach der montenegrinischen Grenzstation führt eine kleine, winzige Holzbrücke über den Fluss Drina zur bosnischen Station. Ich frage mich noch heute, welche Strecke der LKW-Transit von Montenegro Richtung Sarajevo nimmt. Diese Strecke kann es wohl kaum sein, allerdings sind Alternativen eigentlich nicht vorhanden.

Auf jeden Fall kann man hier, auf bosnischer Seite, gleich den Unterschied zu Montenegro erkennen. Die Landschaft ist weiterhin unbeschreiblich schön. Doch irgendwie erkennt man schon an vielen Häusern, dass man in ehemaligem Kriegsgebiet unterwegs ist. Die Anzahl der Häuser, die entweder Einschusslöcher vorweisen oder gar zerstört sind, nimmt freilich immer mehr ab. Doch man sieht viele neue Häuser, meistens zweistöckig und oftmals noch im Rohbau, wie es auf dem Balkan so häufig zu sehen ist. Irgendwie typisch.

Richtung bosnischer Hauptstadt werden die Berge etwas flacher und die Straßen wieder breiter. Lässt man den Stadtkern Sarajevos hinter sich kommt man auf eine 4spurige Straße, die nach Zenica führt und für die auch gleich eine Maut von knapp einem Euro fällig ist. Aber diese Maut zahlt man hier auf alle Fälle lieber als z.B. in Frankreich, nicht nur weil sie im Vergleich dazu spottbillig ist, sondern weil man wirklich den Eindruck hat, dass sie benötigt wird. In Zenica angekommen herrschten tiefe Temperaturen, wir bewegten uns mittlerweile nur noch knapp über dem Gefrierpunkt. Dumm, dass ich in Petrovac in kurzer Hose losgefahren bin.

Die Suche nach einer günstigen Unterkunft für ein Ehepaar im Urlaub gestaltet sich, wie so häufig in südosteuropäischen Großstädten, schwierig. In einem alten Schuppen in Stadionnähe wurden wir schließlich fündig, wobei man sofort das Gefühl hatte, dass die Lady an der Rezeption uns preislich über den Tisch zog, sobald sie merkte, dass wir keine Einheimischen waren. Meine kurze Hose hatte uns vermutlich enttarnt. Aufgrund von Jennys recht südländischem Aussehen könnte ich mir vorstellen, dass sie uns vielleicht sogar für spanische Fans oder Journalisten hielt. Na ja, egal, große Auswahl hat man in Zenica sowieso nicht. Also rein in die Bude, die zu Glanzzeiten des jugoslawischen Titostaates vermutlich mal ein richtig angesagtes Hotel war, aber mittlerweile derbe in die Jahre gekommen ist.

Na ja, immerhin hatte man aus dem Hotelfenster aus einen netten Blick auf eine Fabrik, die was weiß ich was produziert, jedenfalls regelmäßig eine dicke Wolke aus dem Schornstein pustete, die widerlich nach verbrannter Braunkohle stinkt. Egal, wir sind hier schließlich in Bosnien, vorbei der montenegrinische Urlaubsflair, hier wird malocht!

Nach kurzer Verschnaufpause marschierten wir durch die Innenstadt. Der Muezzin ruft auch hier per Lautsprecher aus den zahlreichen Minaretten. Ansonsten handelt es sich um eine ganz normale mittelgroße Stadt in Ex-Jugoslawien. Nur mit dem Unterschied, das heute schon Tickets en masse für den in 2 Tagen stattfindenden Kick angeboten wurden. Also Sorgen um Tickets braucht man sich jedenfalls nicht zu machen, auch wenn das Stadion Bilino Polje („Weißes Feld“) wesentlich kleiner ist als z.B. das Stadion „Asim Ferhatovic Hase“ in Sarajevo, in dem FK seine Heimspiele austrägt. Je nach Wichtigkeit des Spiels muss man eben bereit sein, einen gewissen Preis zu bezahlen.

Abends erkoren wir dann die Kneipe gegenüber des Hotels zu unserer Stammkneipe aus, der Typ hinter der Theke konnte ganz gut Englisch und war echt nett. Und außerdem war das Pivo recht günstig und frisch gezapft.

(Faszination Fankurve, 01.01.2011)






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