18.05.2020 - Werder Bremen

Wanderers & HB Crew mit Stellungnahme zu Geisterspielen


Nachdem sich die Ultragruppe Infamous Youth bereits zum Thema Geisterspiele zu Wort meldete und den Abbruch der Saison forderte (Faszination Fankurve berichtete), haben vorm heutigen Heimspiel von Werder Bremen gegen Bayer Leverkusen auch die Gruppen Wanderers Bremen und Hansestadt Bremen Crew Stellung genommen.

In beiden Statements wird deutliche Kritik an Entwicklungen im deutschen Profifußball formuliert und die Entscheidung, dass die Bundesliga in der aktuellen Situation mit Geisterspielen fortgesetzt wird, kritisiert. Sowohl die Wanderers, als auch die HB Crew kritisieren jedoch nicht nur die DFL, sondern auch den SV Werder Bremen für seinen Umgang mit der Krise.


„Die jetzige Krisensituation des Fußballs ist nicht coronabedingt, sondern hausgemacht und die Geldmaschine druckt nur weiter, wenn der Ball wieder rollt, auch ohne Fans. Doch ob das wirklich so sein wird, wird man noch sehen müssen, denn die gesellschaftliche Akzeptanz schwindet im Angesicht der Profitgier der Fußball-Millionäre. Es geht nicht, dass Spielerberater die Vereinskassen um Millionen erleichtern, Spielern die Gehaltsabrechnung wichtiger ist als die Punkte auf dem Konto der Vereine und das Sponsoren und PayTV immer mehr Einfluss in den Vereinen zugestanden wird und nicht zuletzt die 50+1 Regel immer öfter und stärker ausgehöhlt wird. Was zählt im Fußball und was den Fußball ausmacht sind die Emotionen. Emotionen, die durch die Fans generiert und getragen werden. Doch wir Fans, die wir der Dreh- und Angelpunkt dieses 'Wirtschaftszweiges' sind, stehen außen vor und werden durch die Fortsetzung der Bundesliga endgültig ins Abseits gestellt und sollen zu Fernsehkonsumenten degradiert werden. Oder am besten noch für passive Unterstützung in den Stadien sorgen. Wir können und werden, unter diesen Umständen die Geisterspiele 'als notwendiges Übel' nicht akzeptieren. Wir lieben Werder und wollen natürlich gemeinsam mit dem Verein durch diese sportlich schwierigen Zeiten gehen. Doch die sportliche Realität rückt durch die momentane Situation in so weite Ferne, dass die Emotionen gänzlich abkühlen. Außerdem unterstützt der SV Werder Bremen die Pläne der DFL vollumfänglich und kann daher bei unserer Kritik an der jetzigen Fortsetzung der Bundesliga nicht ausgenommen werden. Das Krisenmanagement der Geschäftsführung stößt dabei besonders übel auf. Es wird mit einer Initiative mit dem passenden Namen 'Kurvenheld' an das Gewissen der Fans appelliert, in diesen schweren Tagen, das Geld für die schon bereits gekauften Eintrittskarten nicht zurückzufordern. Wir sprechen uns dagegen aus, dem Verein diese Almosen zu geben und fordern jeden Werderfan auf es uns gleich zu tun! Behaltet das Geld, falls ihr es braucht, oder besser spendet das Geld an 'Die Bremer Suppenengel e.V.' oder an eine andere Organisation eures Vertrauens. Aber schmeißt euer Geld nicht denen hinterher, die sowieso genug haben bzw. falsch mit horrenden Summen gewirtschaftet haben. Man könnte diese Krise nutzen, um den Bann des immer weiter, höher und schneller endlich zu durchbrechen. Dem Sport sein Gesicht zurückgeben und den Fans ihre Passion. Einzelne Stellrädchen zurückschrauben, Missstände korrigieren und es einfach mal besser machen, als in der Vergangenheit. Es muss uns klar werden, dass wir Fußballfans gerade am Hebel sitzen und dem Fußball, wie er sich heute darstellt, ein Schnippchen schlagen können, indem wir ihn gegen die Wand fahren lassen. Um nicht falsch verstanden zu werden: wir lieben Werder und den Fußball, aber wir haben auch schon immer mit dem Finger auf die Missstände im Fußball gezeigt und das tun wir auch jetzt. Wir wollen nicht, dass Werder absteigt, wir wollen aber auch keinen Sport unterstützen, der seinen Profit über die gesellschaftliche Verantwortung stellt“, heißt es dazu im Statement der Wanderers Bremen.

Die HB Crew ergänzt in der eigenen Stellungnahme: „Unsere Kritik richtet sich nicht alleine gegen die DFL, das übergeordnete 'System Profi-Fußball' und den Bremer Innensenator Ulrich Mäurer, der in der Debatte wieder einmal wenig Besseres von sich zu geben wusste, als sinnentleert in Richtung Ultra-Szene zu schießen, sondern schließt ganz ausdrücklich auch den Verein ein, den wir so sehr lieben, der uns aber in diesen Tagen ebenso wie der gesamte Profi-Fußball immer fremder erscheint. Während der SV Werder seit Jahren mit dem Slogan 'Soziale Verantwortung' für sich wirbt und beispielsweise mit seiner Inklusions- oder Anti-Diskriminierungsarbeit tatsächlich lobenswerte und fortschrittliche Wege im Bereich CSR beschreitet (die hiermit auch nicht in Abrede gestellt werden sollen), konterkariert man diesen Slogan und lässt all die positiven Dinge verblassen oder gar heuchlerisch wirken, wenn man in seiner Obrigkeitshörigkeit den Vorschlägen der DFL blind folgt und seine Einwände darauf beschränkt, doch bitte noch etwas mehr Zeit zum Trainieren zu bekommen. Auch in der gegenwärtigen Situation engagiert Werder Bremen sich und unterstützt beispielsweise regionale soziale Projekte mit Geld- und Essensspenden. Dieses Engagement ist richtig und wichtig. In Bezug auf den Liga-Spielbetrieb hätten wir uns von den Verantwortungs- und Entscheidungsträgern bei Werder Bremen gewünscht, dass man der sozialen Verantwortung, die man sich auf die Fahne schreibt, auch im größeren Maßstab gerecht wird. Stattdessen begrüßt man die Wiederaufnahme des Spielbetriebs, sendet damit das gleiche fatale Zeichen wie die DFL und versucht, die Fanszene zu beschwichtigen und um Verständnis für die angebliche Unumgänglichkeit der Geisterspiele zu buhlen. So gern wir den Abstiegskampf angenommen hätten, so gern wir uns Woche für Woche im Weserstadion und den Gästeblöcken der Liga dafür zerrissen hätten, unseren Beitrag zum Klassenerhalt zu leisten, so sehr es uns schmerzt, ohnmächtig dazustehen- so fremd werdet ihr uns und in so weite Ferne von dem, was wir lieben und mit dem wir uns identifizieren rückt ihr euch mit eurem ignoranten Verhalten. Wir sind maßlos enttäuscht, wütend und fassungslos.“ (Faszination Fankurve, 18.05.2020)

Fanfotos Werder Bremen




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