23.08.2013 - FC Schalke 04

Weitere Stimmen zum Polizeieinsatz auf Schalke


Der Polizeieinsatz beim Champions League Qualifikationsspiel am vergangenen Mittwoch schlägt weiter hohe Wellen. Inzwischen haben sich auch die Schalker Fanabteilung gemeinsam mit dem Fanprojekt und dem SFCV sowie das bundesweite Fanbündnis ProFans zu Wort gemeldet.

Faszination Fankurve dokumentiert die Stellungnahmen:

Stellungnahme der Fanbetreuung zu dem Polizeieinsatz in der Nordkurve

Zwei Tage ist das Spiel gegen PAOK Saloniki her, die Bilder aus der Nordkurve sind aber weiterhin präsent und lassen uns als Fanbetreuung nicht einfach zum normalen Alltagsgeschäft übergehen. Unverhältnismäßig und unverständlich trifft es als Bezeichnung für den Einsatz am ehesten, weshalb wir, mit entsprechendem Abstand, unsere Sicht der Dinge darlegen wollen und den Darstellungen der Gelsenkirchener Polizei deutlich widersprechen:

Von Seiten der Fanbeauftragten und des Vereins gab es zu keinem Zeitpunkt die Forderung eines Polizeieinsatzes, im Gegenteil. Es wurde darauf hingewiesen, dass es sich bei der Fahne nicht um einen volksverhetzenden Inhalt handelt, die Fanfreundschaft zu den Anhängern von Vardar Skopje seit 2004 besteht und die Fahne von Komiti Düsseldorf schon häufiger, u.a. gegen Olympiakos Piräus, ohne jegliche Probleme, hing. Die vor Ort anwesenden Verantwortlichen der UEFA hatten ebenfalls keine Beanstandung und versicherten die Unbedenklichkeit dieses Symbols nach den Statuten des Verbandes.

Wir sind verwundert warum der aufgebaute Druck der Gästedelegation und die fragwürdigen Einschätzungen eines griechischen Polizeibeamten als Grund für dieses Vorgehen ausreichen, anstatt im Dialog mit den lokalen Ansprechpartnern eine Lösung zu finden. Viel Ahnung scheint der szenekundige Beamte aus Saloniki auf jeden Fall nicht zu haben, wie die Pressemitteilung der Polizei Gelsenkirchen zeigt. Eine mazedonische Fahne war gewiss nicht der Auslöser für erhebliche Ausschreitungen beim Spiel PAOK – Rapid Wien, aufgrund dessen das kommende Rückspiel am Mittwoch ohne Zuschauer stattfinden wird.

Zudem hatte der Polizist aus Griechenland, nach unserer Beurteilung, keinen direkten Kontakt zu den mitgereisten Anhängern, weshalb wir über die Einschätzung bezüglich eines möglichen Gefahrenpotentials im Gästeblock nur den Kopf schütteln können. Für uns stellte sich die Situation bei den Gästeanhängern, die von einem S04-Fanbeauftragten ab der Vorspielphase bis zum Abpfiff begleitet wurden, nicht als besorgniserregend dar. Von einer unmittelbar bevorstehenden Eskalation kann daher keine Rede sein, was die Polizei ähnlich gesehen haben muss oder warum wurde sogar auf die, bei internationalen Spielen sonst übliche, Blocksperre für die Gäste verzichtet? Während der Begegnung gab es keine Verstärkung des Ordnungsdienstes, verwunderlich wenn angeblich ein Sturm aufs Spielfeld geplant sei. Die Entscheidung blieb ohne negative Folgen und wir stellen uns die Frage, warum bei solchen Drohungen von der üblichen Praxis abgewichen wird und nicht der Auswärtsblock verstärkt abgesichert wird.

Die Einsatzkräfte konnten die Fahne zwar nicht sicherstellen, aber für die Entscheidungsträger, die den Einsatz angeordnet haben, war das Ziel am Ende erreicht. Für sie trat eine Entspannung der Lage ein. Wer am vergangenen Dienstag in der Arena war, der kann diese Einschätzung gewiss nicht teilen und kommt, wie wir, zu einer ganz anderen Bewertung der Lage. Statt 30 Verletzter liegen uns vom DRK andere Zahlen vor. Mehr als 80 Personen wurden behandelt, zwei Sanitäter mussten ihren Einsatz abbrechen und sicherlich wird sich nicht jeder bei den Einsatzkräften gemeldet haben oder konnte durch hilfsbereite Fans geholfen werden. Uns erreichten viele Beschwerden von Anhängern über das rücksichtlose Vorgehen der Polizei und aus allen Ecken des Stadions regte sich großer Unmut über diesen Einsatz. Verständnis dafür konnte niemand aufbringen, die Wut entlud sich nach dem Spiel an den Beamten der Einsatzhundertschaften, die für die Planung nicht verantwortlich sind, aber sich die Kritik für ihre Vorgesetzten anhören mussten. Leider war dies nicht der erste unverhältnismäßige Polizeieinsatz im Zusammenhang mit Fußballfans, wir erinnern uns z.B. an den Polizeikessel 2008 am Spieltagstreff des Schalker Fanprojekts an der Glückauf-Kampfbahn. Es gab am Ende kein greifbares Ergebnis, die Vorwürfe entpuppten sich als haltlos und das eh schon belastete Verhältnis zwischen Polizei und Fans in Gelsenkirchen verschärfte sich unnötig.

Für uns als Fanbetreuung stellt sich die Frage wie es in Zukunft weitergehen soll, wenn unseren Einschätzungen der Situation und jahrelanger Erfahrung kein Wert zugemessen wird. Ein Blick nach Dortmund, wo am vergangenen Wochenende zwar keine Tribünen gestürmt wurden, aber sich Fans im Polizeikessel wiederfanden, legt der Verdacht nahe, dass dies eine neue Linie der Polizei ist. Dies können wir als Fanbetreuung nicht akzeptieren und stellen eindringlich fest, dass es zur offenen und ehrlichen Kommunikation für uns keine Alternative gibt. Wir erwarten eine lückenlose Aufarbeitung des Vorfalls und das sich solche Szenen nicht mehr wiederholen.

Schalker Fanprojekt

Schalker Fanabteilung

Schalker Fan-Club Verband

ProFans: Polizeieinsatz in Gelsenkirchen muss Konsequenzen haben

Hamburg, den 23. August 2013

Das Positive vorweg: ProFans dankt dem FC Schalke 04 für die Loyalität gegenüber seinen Fans. Es gibt sicher nicht viele Vereine, die sich derart bedingungslos schützend vor ihre Fans stellen und unabhängig von der öffentlichen Meinung einen Polizeieinsatz verurteilen. Vollkommen zu Recht übrigens, denn der Einsatz der Polizei gegen friedliche Fußballfans hat eine neue Qualität erreicht.

Es ist eine Schande für den Rechtsstaat, was am Abend des 21. August 2013 in der Arena auf Schalke passiert ist. Da befiehlt ein Einsatzleiter, einen vollen Block zu erstürmen, weil dort eine in Deutschland vollkommen legale Fahne hängt. Nämlich die der Republik Mazedonien (von1992 bis 1995), versehen mit der Aufschrift „Komiti Düsseldorf“. Komiti Düsseldorf ist eine Sektion der mit den Ultras Gelsenkirchen befreundeten Komiti Skopje.

Die Fahne habe den Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt, will die Polizei Gelsenkirchen wissen. Begründen kann sie das eigenen Aussagen zufolge nicht, wie eine Sprecherin gegenüber Radio Emscher-Lippe äußerte.

Vielleicht liegt das daran, dass der griechische Polizeibeamte, der sich selbst von der Fahne provoziert gefühlt und dies dem Einsatzleiter geflüstert hatte, längst wieder in Nordgriechenland ist. Die Polizei Gelsenkirchen behauptet, die Fahne habe außerdem die etwa 2000 griechischen Fans provoziert, die angeblich damit gedroht hatten, für einen Spielabbruch zu sorgen und die Nordkurve zu stürmen. Dem widersprach ein griechisch-stämmiger Anhänger der Schalker, der vor Ort war, via E-Mail, die ProFans in Auszügen vorliegt. So war zu keiner Zeit ein Platzsturm oder ein Angriff auf die Nordkurve von den PAOK-Fans geplant und die Fahne von Komiti vielmehr vollkommen belanglos. Dies wurde auch in Gesprächen mit PAOK-Fans bestätigt. Das deckt sich darüber hinaus auch mit den Aussagen des Gelsenkirchener Fanprojektmitarbeiters Markus Mau, der laut einem Interview im Gästeblock ebenfalls keine aggressive Stimmung festgestellt hatte.

Einmal davon abgesehen, dass also entweder der griechische Polizeibeamte oder der Einsatzleiter der Polizei Gelsenkirchen die Unwahrheit gesagt

haben: Selbst wenn es diese angebliche Ankündigung einer Straftat gegeben hätte, dann hätte diese doch eigentlich dazu führen müssen, die griechischen Gäste von einem Angriff abzuhalten, anstatt Schalker Fans zu attackieren, die sich vollkommengesetzeskonform verhalten haben. Die Vorgehensweise der Einsatzleitung erscheint daher kurios, wenn sie das potenzielle Opfer und nicht den potenziellen Täter belangen will.

Die Hemmungslosigkeit des Einsatzes in der Kurve ist unfassbar. Es kam dabei zu zahlreichen Opfern, die Ultras Gelsenkirchen sprechen auf ihrer Internetseite von mehr als 80 (!)Personen, die behandelt werden mussten. Das Deutsche Rote Kreuz bestätigt dies und widerspricht in seiner offiziellen Pressemitteilung damit den offiziellen Polizeiangaben von „nur“

30 Opfern von Körperverletzungen durch Polizeibeamte. Mehr als 80 Personen, die durch chemische Kampfstoffe verletzt wurden, weil die Polizeiführung eine einfache Fanclubfahne konfiszieren lassen wollte. Eine junge Frau musste sogar aufgrund des Einsatzes von Pfefferspray (welches übrigens in der Kriegsführung laut Genfer Protokoll verboten ist, gegen Zivilisten jedoch in diesem Land eingesetzt werden darf) auf die Intensivstation eines Krankenhauses eingeliefert werden. Doch nicht nur Fans, die sich an Recht und Gesetz gehalten hatten, wurden attackiert. Auch Sanitäter, die Verletzten helfen wollten, wurden, wie auf Videoaufnahmen zu sehen ist, nicht nur in ihrer Arbeit behindert, sondern selbst ebenfalls Opfer des Einsatzes der Beamten.

Die Legitimationsversuche der Polizei Gelsenkirchen für diesen Einsatz sind untauglich. „Da wird eine angebliche, durch nichts zu belegende, Lebensgefahr herbeigeredet, um die vielen Verletzten als kleineres Übel zu rechtfertigen“, sagt Sig Zelt von ProFans. Es gab auf Schalker Seite keinen Straftatbestand der Volksverhetzung. Zaunfahnen befreundeter Fangruppen aufzuhängen, wenn diese im Stadion anwesend sind, ist das gute Recht jedermanns und besitzen eine lange Tradition, an der sich bisher auch niemand gestört hat.

Wider jedem gesunden Menschenverstand und vor allem auch dem Auftrag der Polizei, hat sie sich zum willfährigen Erfüllungsgehilfen derer gemacht, von denen angeblich Straftaten drohten. Das Vertrauen jedes einzelnen Gelsenkirchener Bürgers und jedes Fußballfans in Nordrhein-Westfalen in die Polizei ist berechtigterweise erschüttert, denn das Beispiel vom 21. August zeigt, wie Polizeieinsatzkräfte völlig unkontrollierte Gewaltorgien an friedlichen Bürgern ausüben können, wenn sich nur eine mehr als fadenscheinige Begründung finden lässt. ProFans Pressesprecher Philipp Markhardt äußerte sich empört: „Es ist der Gipfel der Infamie, wenn Interessenvertreter der Polizei diese Eskalation der Gewalt auch noch gutheißen.“

“Dass in einem westlichen und demokratischen Land ein derartiger Überfall des Staates auf seine Bürger möglich ist, schien bisher undenkbar. Wenn dies ohne einschneidende Konsequenzen bleiben sollte, dann hat nicht nur die Polizei versagt, sondern auch die Politik“, so Philipp Markhardt weiter.

Bis dahin scheint Rainer Wendt, der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, mit seiner Aussage Recht zu behalten, dass es lebensgefährlich sei, in deutsche Stadien zu gehen. „Allerdings geht die Gefahr für Leib und Leben genau von denjenigen aus, die Deutschlands Bürger eigentlich schützen sollten“, betont Sig Zelt.

ProFans erwartet nicht nur personelle Konsequenzen, sondern eine grundsätzliche Korrektur im Wertegefüge des Polizeibeamtentums, mithin in der Führung der Polizei sowie in ihrer Verantwortlichkeit den Bürgern gegenüber, die sie mit ihren Steuern bezahlen. Die Menschenwürde gibt man am Stadiontor nämlich nicht ab.

Vor allem aber war dieser Einsatz auch ein fatales Zeichen an die deutsche Fanszene, das einer Kriegserklärung gleichkommt. Und einen Krieg will mit Sicherheit niemand in deutschen Stadien sehen.

ProFans, im August 2013

Fanfotos FC Schalke 04




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