06.10.2019 - Nürnberg/St. Pauli

Wie Ultras Nürnberg sich über Ultrà St. Pauli lustig machte


Im Vorfeld des heutigen Heimspiels vom 1. FC Nürnberg gegen den FC St. Pauli brachten Ultras vom FCN eine große Version ihres Spieltagsflyers auf einem Regionalzug an. Dabei war ein Textausschnitt zu lesen, in dem sich die Ultras Nürnberg über Ultrà Sankt Pauli lustig machten.


„Hobbykommunisten aller Länder vereinigt euch, der FC St. Pauli kommt in die Südstaaten. Das in Europa umhergehende Gespenst des USP-Banners erreicht nach dem 161. Freundschaftsbesuch auch den Gästeblock im Max-Morlock-Stadion. Gleichzeitig können wir auch schneller als erwartet die Infamous Schickeria dort begrüßen. Und das am selben Tag. Losgelöst von den antikapitalistischen Ketten der selbstverwalteten Südkurvenlogen werden die Totenkopf°TM Träger auch heute wieder zahlreich die Südkurve bevölkern. Da auf der braunen Süd die politische Macht nicht aus den Gewährläufen kommt, bleiben unsere Straßen heute von Humbas der NKSP verschont. Ist ja nicht Derby. Trotz enormen Hasspotenzial auf beiden Seiten. Die Nordkurve in ihrem Lauf, hält werder Marvin noch Marvin auf! Scheiß St. Pauli!“, war darauf zu lesen.

In dem Text waren mehrere Spitzen in Richtung der Ultras vom FC St. Pauli eingebaut, so zum Beispiel ein Hinweis auf die mittlerweile offiziell gemachte Freundschaft von Ultrà Sankt Pauli zu Infamous Youth von Werder Bremen, obwohl diese sich in der Vergangenheit mit den anderen USP-Freunden von der Schickeria München nicht besonders gut verstanden (Faszination Fankurve berichtete).

Bei der „Südstaaten“-Anspielung geht es um die Südstaaten-Fahne, die auf Materialien der FCN-Ultras öfters verwendet wird. Von Seiten der St. Pauli-Fans wurden die Nürnberger Ultras deswegen schon kritisiert. Während die Nürnberger Ultras die sogenannte Rebellenflagge der Konföderierten Staaten von Amerika auf ihre geografische Lage in Deutschland beziehen, sehen FC St. Pauli-Fans darin ein Symbol für Sklaverei und Rassismus.

Die 161 Freundschaftsbesuche sind nicht abgezählt, die Zahl 161 steht hingegen für die Abkürzung „AfA“, also für „Antifaschistische Aktion“. Mit dem „Trademark“-Zusatz beim Totenkopf-Wort wird die Kommerzialisierung der Fanartikel-Sparte beim Kiezclub thematisiert und die Anspielung auf die New Kids Sankt Pauli (NKSP) wurde eingebaut, weil Ultrà Sankt Pauli diese Gruppe auflöste. In der „Marvin und Marvin“-Zeile geht es um zwei Mitglieder von USP, die im Millernton-Podcast nach dem Derby gegen den HSV in der vergangenen Saison Rede und Antwort standen (Faszination Fankurve berichtete).


Mitglieder der Schickeria München waren tatsächlich im Gästeblock zu Gast. So feierte Ultrà Sankt Pauli die Freundschaft zur Schickeria München, die wiederum eine Feindschaft nach Nürnberg pflegt, heute mit einem „Ultras“-Schriftzug und einem Fahnenmeer in den Farben des FC St. Pauli und des FC Bayern München.

Im Stadion ging es mit Botschaften der Ultras Nürnberg auf Spruchbändern weiter: „Egal in welchem Bundesland: Polizeiaufgabengesetze stoppen!“, war ein Statement zu den aktuellen Kämpfen verschiedenster Fanszenen in unterschiedlichen Bundesländern gegen die Verschärfung von Polizeigesetzen. Im Hinblick auf die aktuell laufende Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Katar und die Fußball-WM, die 2022 dort ausgespielt wird, lautete ein weiteres Spruchband der Ultras Nürnberg: „WM 2019 in Katar: ... und in drei Jahren wundert ihr euch wieder über kollabierende Sportler und geldgierige Funktionäre!“. Das Leichtathletik-Event in dem Wüstenstaat läuft mit nur schlechten Zuschauerzahlen im Stadion und mit teils kollabierten Athleten ab. Wegen der letzten zeitgenauen Terminierungen der DFL, die für die Club-Fans besonders fanunfreundlich ausfielen, erklärten die Ultras Nürnberg: „3 x montags, 3 x auswärts!? Seifert verpiss dich schon heute nach Doha!“.


Vor 32.117 Zuschauern ging der FC St. Pauli heute im Max-Morlock-Stadion in der 23. Minute in Führung, obwohl der Schiedsrichterassistent die Fahne gehoben hatte. Dem 1. FC Nürnberg gelang in der 51. Minute durch Behrens noch der Ausgleich zum 1:1 Endstand.


Doch das Geschehen auf dem Rasen und den Rängen rückte in den Hintergrund. Im Süden des Stadions musste ein Besucher notärztlich behandelt werden: „Da ist alles andere zweitrangig: im Rahmen der heutigen Partie kam es zu einem medizinischen Notfall. Wir sind bestürzt und schockiert, dass der Mann, der in der Südkurve zusammengebrochen ist, leider verstorben ist. Unser tief empfundenes Mitgefühl gilt allen Angehörigen“, erklärte der 1. FC Nürnberg zu diesem Todesfall.

In der Halbzeitpause übergaben Vertreter FCN-Fans im Namen vom Franken-Hilft e.V. noch einen Spendenscheck, um den sechs Jahre alten Oskar aus Nürnberg, der an einem Gehirntumor leidet sowie seine Familie zu unterstützen. Beim Heimspiel gegen Heidenheim wurden Spenden für Oskar gesammelt, der beim St. Pauli-Spiel von der Nordkurve mit „Auf geht’s Oskar kämpfen und siegen“-Gesängen motiviert wurde, während er vor der Kurve verweilte. (Faszination Fankurve, 06.10.2019)