01.10.2019 - Münster/Karlsruhe

„Wir kritisieren die Ermittlungsweise und die Entscheidung“


Die Staatsanwaltschaft Münster hat die Ermittlungen gegen den Polizisten, der im Mai 2019 nach dem Aufstiegsspiel des Karlsruher SC bei Preußen Münster beim Platzsturm der KSC-Fans einen Balljungen verletzt hatte, eingestellt (Faszination Fankurve berichtete).

Die Fanhilfe Münster hat sich nun, wie angekündigt, nochmals ausführlich zu diesem Fall zu Wort gemeldet. Laut Angaben der Fanhilfe muss der Polizist 450 Euro an den Balljungen und 450 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen, im Gegenzug werden die Ermittlungen eingestellt, was in den Augen der Fanhilfe Münster keine gerechte Strafe ist: „Dies entsetzt uns aus mehreren Gründen. Es ist aber aus unserer Sicht keine Überraschungsentscheidung, da wir von Seiten der Staatsanwaltschaften häufiger eine mutmaßlich prinzipielle Parteilichkeit mit Polizeibeamten beobachten müssen. Aus unserer Sicht steht vorliegend ein vorsätzlich begangenes Vergehen der Körperverletzung im Amt im Raum, das immerhin mit einer Mindestfreiheitsstrafe von drei Monaten geahndet wird, und nicht, wie die Staatsanwaltschaft annimmt, allenfalls ein Fahrlässigkeitsdelikt. Das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung dürfte sich in der Berichterstattung nicht nur in der enormen Reaktion von Fußballfans, sondern auch in den Reaktionen von weiten Teilen der Zivilbevölkerung dokumentiert haben. In seiner Begründung für die Einstellung behauptet der Staatsanwalt, die mediale Auseinandersetzung sei maßgeblich durch die Eltern oder Anwälte initiiert worden und hätte zudem vornehmlich das weitere Verhalten der Polizei am Abend des Tattages zum Gegenstand gehabt, welches eindeutig gegen die Strafprozessordnung verstoßen hatte und Druck auf den Balljungen und seine Familie aufbaute. Das ist aus unserer Sicht eine Frechheit und verkehrt Ursache und Wirkung. Nach unserer Erfahrung hat allein der Umstand, dass zahlreiche Videoaufnahmen des in Rede stehenden Vorfalls existieren und diese umgehend medial viral gingen, dazu geführt, dass dieser Fall von unverhältnismäßiger Polizeigewalt überhaupt zu einer formalen Reaktion der Staatsanwaltschaft geführt hat, was die damalige Öffentlichkeitsarbeit des Polizeipräsidiums Münster im Übrigen ebenfalls bestätigt“, heißt es dazu in der Stellungnahme der Fanhilfe Münster, die in Rücksprache mit beteiligten Rechtsanwälten entstanden ist.

Der Staatsanwaltschaft wirft die Fanhilfe Münster fehlende Objektivität vor. Weiter erklärte die Fanhilfe, dass man dem Beamten abnehme, dass dieser so eigentlich nicht gegen einen Balljungen vorgehen wollte. Die Fanhilfe bemängelt jedoch, dass ein solches Vorgehen auch gegen einen KSC-Fan zu kritisieren gewesen wäre.

„Die Staatsanwaltschaft billigt dem Beschuldigten ein sogenanntes 'Augenblicksversagen' im Rahmen seiner von 'Gefahr geneigten Umständen' geprägten, per Definition auf physische Konfrontation mit Dritten angelegten Tätigkeit als Polizeibeamten zu. Das stellt aus unserer Sicht die Gefahr eines Freibriefs für prügelnde Polizeibeamte dar. Die Einstellung des Verfahrens zeugt von dem unausreichenden und unreflektierten staatlichen Umgang mit Polizeigewalt und kolportiert Bemühungen, Vertrauen in einen funktionierenden Rechtsstaat zu haben. Wir kritisieren die Ermittlungsweise und die Entscheidung der Staatsanwaltschaft auf das Schärfste und sind erschüttert, dass selbst ein derart dokumentierter Fall von Polizeigewalt mit einer Einstellung im bestmöglichen Sinne für den Polizeibeamten abgehandelt wird. Die Einstellung des Ermittlungsverfahrens ohne eine Verhandlung vor Gericht läuft jeglichen Vorstellungen von Objektivität und Transparenz zuwider und lässt Opfer von Polizeigewalt von staatlicher Seite aus wiederholt alleine“, so die Kritik der Fanhilfe Münster weiter. (Faszination Fankurve, 01.10.2019)

In diesem Video ist der Vorfall nach 30 Sekunden zu sehen:






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