19.05.2020 - SV Darmstadt 98

„Wir sind bereit, diesen Weg zu gehen“


Im Vorfeld des Auswärtsspiels beim Karlsruher SC hat sich die Südtribüne Darmstadt zum Thema Geisterspiele zu Wort gemeldet, die keine Lösung seien, sondern Teil des Problems. Gleichzeitig machen die Lilien-Fans Reformvorschläge und zeigen die Bereitschaft in Darmstadt ein Konzept mitzutragen, dass verstärkt auf den eigenen Nachwuchs setzt.

„Wir lehnen Geisterspiele weiterhin grundsätzlich ab. Ihnen fehlt alles, was den Fußball zu dem Sport gemacht haben, in den wir uns alle mal verliebt haben: Der Glaube, Einfluss auf das Spiel nehmen zu können, die Spontanität, die Gemeinschaft, die Kraft, die von vollbesetzten Blöcken und Stadien ausgeht, der Zauber, der bei großen Flutlichtspielen in der Luft liegt. Das, was wir jetzt erleben werden, ist vielmehr das, worauf unwissende Außenstehende den Fußball schon immer beschränkt haben: 22 Menschen, die einem Ball nachjagen. Sonst nichts. Über die moralischen Zusammenhänge wurden in den letzten Wochen schon diverse Seiten gefüllt, die wir an dieser Stelle nicht mehr aufblättern wollen. Was wir verstehen, ist, dass selbst so ein vorsichtig wirtschaftender Verein wie unserer perspektivisch durch die wegbrechenden Einnahmen Probleme haben würde. Wir wissen, dass es rund um den Fußball viele Arbeitsplätze zu erhalten gibt und sprechen dabei von Leuten wie Dir und uns, nicht von hochbezahlten Profikickern. Das sind allerdings schon die einzigen beiden Gründe, die dafür sprechen, Geisterspiele notgedrungen und mit großen Bauschmerzen hinzunehmen. Dem gegenüber steht ein System, das mit Millionen nur so um sich wirft, nur wenige Profiteure kennt und dessen Teilnehmer teilweise keine zwei Monate zu überleben in der Lage sind, wenn mal nicht alles nach Plan läuft“, lautet die von der Südtribüne Darmstadt veröffentlichte Positionierung gegen Geisterspiele.


Die aktuelle Krise zeige unter einem Brennglas die Entwicklung vom Volkssport Fußball hin zu einem Industriezweig Profifußball. Statt den Fokus auf die aktuelle Saison zu legen, ist es den SV Darmstadt 98-Fans wichtig, dass die aktuelle Situation für gravierende Reformen im Fußball genutzt wird. So soll der Fußball nach Auffassung der Lilien-Fans seine Ausgabenseite in den Griff bekommen, statt nach immer neuen Einnahmemöglichkeiten zu suchen.

Konkret fordert die Südtribüne Darmstadt, dass die 50+1-Regel, die den Einfluss von Investoren begrenzt, ohne jegliche Ausnahme erhalten bleibt. Weiter sollen Beraterhonorare und Spielergehälter vernünftig gedeckelt und die Eigenkapitalquote der Clubs erhöht werden. Gleichzeitig soll der Fußball seiner sozialen Verantwortung wieder gerecht und vor allem für die Fans im Stadion gespielt werden.

„Wir sind Idealisten. Aber wir sind auch nicht blind. Uns ist bewusst, dass es einen Fußball, in dem kein Geld fließt, nie wieder geben wird. Wir sind uns bewusst, dass es viele Faktoren abzuwägen gilt, doch eines muss die oberste Prämisse bleiben: Wenn der Fußball weiterhin Rückhalt in der Bevölkerung haben will, wenn er der „Volkssport Nummer 1“ bleiben will, dann muss er sich JETZT auf seine eigentlichen Werte rückbesinnen und gesund schrumpfen. Die Chance ist da. Wir befinden uns in Zeiten, in denen die Floskel „das geht nicht“ aus dem Wortschatz temporär gestrichen zu sein scheint – also ergreift die Gelegenheit!“, so die Stellungnahme der Südtribüne Darmstadt weiter.

Vom SV Darmstadt 98 fordern die eigenen Fans, dass der Verein wieder Sandkorn im Getriebe wird und Forderungen stellt, damit der Fußball reformiert wird. Die Lilien-Fans würden demnach ein nachhaltigeres Konzept mit geringeren Spielergehältern und Ablösesummen sowie einem Fokus auf den eigenen Nachwuchs unterstützen, auch wenn solch ein Konzept nicht direkt zu sportlichem Erfolg führt.

„Lasst zumindest uns als Verein mit allen Mitgliedern danach leben! Lasst uns unsere eigenen Grenzen ziehen: Was darf ein Kicker bei uns verdienen? Zahlen wir überhaupt noch Ablösesummen? Können wir unser NLZ insofern stärken, dass wir endlich mehr Jungs aus der eigenen Jugend in unserem Team sehen dürfen? Dazu gehört aber auch Geduld und Mut auf den Rängen: Nur, wenn wir nicht permanent darüber schwätzen, aufsteigen zu wollen, nur, wenn wir nicht anfangen zu pfeifen, weil wir so hin- und wieder unter die Räder kommen, nur, wenn wir den Trainer nicht dafür in der Luft zerpflücken, dass er in dem wichtigen Spiel einfach mal einen unerfahrenen 18-jährigen von Anfang an stellt, nur dann kann ein solches System funktionieren. Ob es von Erfolg gekrönt wird, ist genauso offen, wie das Ergebnis vor jedem Fußballspiel – aber selbst, wenn es nicht klappt, könnten wir aufrecht in den Spiegel schauen und sagen 'dafür ist es unser eigener, Darmstädter Weg – also lasst uns wieder angreifen!' Wir sind bereit, diesen Weg zu gehen“, so die klare Botschaft der Südtribüne Darmstadt in Richtung des SV Darmstadt 98. (Faszination Fankurve, 19.05.2020)

Fanfotos SV Darmstadt 98




Weitere News:
25.07.2021: Lilien-Fans feiern 100 Jahre Böllenfalltor mit Pyroshow
23.07.2021: Keine organisierte Stimmung am Böllenfalltor
16.01.2021: Podcast über die Fanszene von Darmstadt 98
23.09.2020: „Keine organisierten Besuche als Ultras“
17.07.2020: „Missbraucht unsere Zuneigung, unsere Liebe & Solidarität“

Alle 168 News anzeigen