14.07.2014 - SV Eintracht Trier 05

"Es bleibt verboten und dennoch wird Pyro genutzt"


Fazination Fankurve sprach mit Thomas Endres vom Fanprojekt Trier über Pyrotechnik und Sicherheit bei Spielen von Eintracht Trier, über die Finanzierung des Fanprojekts, über rechtsgerichtete Fans bei Eintracht Trier und seine tägliche Arbeit mit Fans und Ultras des Vereins.

Faszination Fankurve: Oftmals wird von Außenstehenden wahrgenommen, dass der Kontakt zwischen Verein und der Fanszene immer problematischer wird bzw. zum Teil nicht mehr existent ist. Wie sehen Sie als Vermittler das allgemein und vor allem im Hinblick auf Ihren Verein?
Thomas Endres: Sicherlich gibt es unterschiedliche Standpunkte in verschiedenen Fragen. Eintracht Trier spielt in der vierten Liga mit einem durchschnittlichen Zuschauerschnitt von 1.800 bis 1.900 Besuchern. Das würde ich im Vergleich zu anderen befragten Standorten als familiär bezeichnen: Fans und Vereinsführung kennen sich persönlich, die Wege sind kurz - Ich denke das sind optimale Voraussetzungen für einen guten Draht zwischen Fans und Verein.

Faszination Fankurve: Letztes Jahr haben die Clubs der 1 bis 3. Liga Strafen in Höhe von ca. 1,7 Millionen Euro nach Fanaktionen zahlen müssen. Die Vereine reagieren unterschiedlich, immer mehr versuchen die Strafe auf die Verursacher zu übertragen. Wie stehen Sie als Fanprojekt zur Übertragung solcher Strafen und wie wirken diese auf betroffene Fans und deren Umfeld?
Endres: Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass auch Eintracht Trier ein Interesse daran hat Verbandsstrafen auf Verursacher zu übertragen. Bisher ist dies aber noch nicht passiert. Für uns stellt sich diese Vorgehensweise folgendermaßen dar: Jemand wird als Täter überführt und auch dementsprechend bestraft. Ein Stadionverbot kommt ja schon selbstverständlich dazu. Nun gibt es noch eine Regressforderung obendrauf, die sich schlimmenstenfalls in Höhe eines Einnahmeverlusts aus einem kompletten Zuschauerausschluss darstellt. Dabei ist zu beachten, dass die Geldstrafen sich eben nicht an den wirtschaftlichen Verhältnissen des Verursachers orientieren. Dadurch sind die Regressforderungen mitunter existenzbedrohend, bzw. wenn es ganz dicke kommt werden damit Existenzen zerstört. Hier wünschen wir uns mehr Augenmaß und Verhältnismäßigkeit. Gleichzeitig wird dieses Vorgehen nicht von der Fanszene akzeptiert und eine abschreckende Wirkung auf die Fanszenen können wir bisher nicht beobachten.

Faszination Fankurve: Immer wieder beklagen Fanprojekte eine Unterfinanzierung. Sind Sie mir den Mitteln, die Ihnen im Moment zur Verfügung stehen zufrieden? Was würden Sie konkret mit weiteren Mitteln umsetzen?
Endres: In Trier war das Fanprojekt schon immer auf Kante genäht. Hinzu kam, dass auf kommunaler Ebene der Landkreis Trier-Saarburg sich seit 2011 nicht mehr an der Finanzierung des Fanprojekts beteiligt. Die Stadt Trier hat das teilweise aufgefangen. Durch die Erhöhung der Mittel des DFB hat sich unsere Situation dahingehend verbessert, dass der Status Quo angemessen ausfinanziert ist, v.a. verfügen wir damit über einen anständigen Etat für pädagogische Maßnahmen. Auf dem Wunschzettel steht: personelle Aufstockung auf 2 Vollzeitstellen, ein weiteres Raumangebot am Heimbereich des Stadions und einen eigenen Kleinbus.

Faszination Fankurve: Die Mehrheit der Strafen hat mit dem Einsatz von Pyrotechnik zu tun. Seit Jahren ist der Einsatz von Pyro das zentrale Thema, ohne dass sich etwas bewegt. Lässt sich überhaupt eine Lösung finden?
Endres: Gute Frage. Ich denke eine Lösung kann nur in einem Kompromiss liegen und Basis dafür wäre, dass wieder miteinander darüber geredet wird. Allerdings sind alle Pro und Contra Argumente bereits in der Vergangenheit diskutiert worden. Wahrscheinlich bleibt alles so wie es ist: Es bleibt verboten und dennoch wird Pyro genutzt und dieser Konflikt wird auch andere Themen negativ beeinflussen.


Faszination Fankurve: Was waren die relevanten Fanthemen in Ihrem Verein/Fanszene in der vergangenen Saison?
Endres: Sportliches Abschneiden in der Liga sowie die damit verbundenen Trainerwechsel. Außerdem haben einige Fangruppierungen einen runden Geburtstag gefeiert.

Faszination Fankurve: Die Ultràgruppen in Deutschland sind längst aus den Kinderschuhen gewachsen. Teilweise verfügen die Gruppen über eigene Räumlichkeiten, greifen teilweise immer weniger auf Angebote der Fanprojekte zurück. Wie steht es zu Ihrem Kontakt zu den Ultras im Moment und inwiefern haben Sie als Fanprojekt noch Einfluss auf die Ultras bei Ihrem Verein?
Endres: Ich finde hinter dieser Frage versteckt sich eine verkürzte Annahme über unser Aufgabenfeld. Genauso wie andere Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit geht es bei uns erst mal darum Jugendliche beim erwachsen werden zu begleiten. Wir im speziellen stehen mit jugendlichen Fußballfans in Kontakt und bieten ihnen wie andere Einrichtungen Unterstützung in vielfältiger Form an - angefangen von Hilfe bei der Jobsuche oder bei Ärger mit den Eltern bis hin zu den angesprochenen Raumangeboten zur kreativen Freizeitgestaltung. Neben den organisierten Ultras sind auch zahlreiche weitere Jugendliche im Stadion anzutreffen, mit denen wir genauso im Kontakt stehen. Nicht jeder jugendliche Fußballfan möchte sich bei den Ultras, die natürlich über eine große Anziehungskraft verfügen, verwirklichen. Logischerweise ergeben sich daraus vielfältige Beziehungen, aber unser Auftrag ist dann doch eher beraten statt beeinflussen. Natürlich äußern wir uns auch mal kritisch gegenüber der Szene. Ob dieser Ratschlag dann auch angenommen und umgesetzt wird - das muss die Szene oder der beratene Jugendliche für sich selbst entscheiden.

Faszination Fankurve: In zahlreichen Fanszenen gab es in den vergangenen Jahren Übergriffe rechtsgerichteter Fans auf linksgerichtete Fans innerhalb der gleichen Fanszene. Gab es solche Vorfälle bei Ihnen auch und wie haben Sie interveniert oder versuchen Sie schon vorab präventiv aktiv zu werden?
Endres: Natürlich sind auch im Moselstadion vereinzelte rechtsgerichtete Fans bei Spielen zu sehen. Einen politisch motivierten rechts-links Konflikt gibt es bei uns nicht. Darüber hinaus ist Anti-Diskriminierungsarbeit selbstverständlicher Bestandteil der Arbeit der Fanprojekte und wir in Trier beziehen mit verschiedenen Aktionen immer wieder Stellung zu diesem Thema.

Faszination Fankurve: Das Thema Gewalt wird in den Medien häufig thematisiert. Wie würden Sie die aktuelle Lage in der Fanszene einschätzen? Kommt es häufig zu Auseinandersetzungen, Hausbesuchen, Raub von gegnerischen Fanutensilien etc.?
Endres: Einen Anstieg kann ich nicht wahrnehmen. Grundsätzlich denke ich, dass die deutschen Stadien mit die sichersten überhaupt sind. Aus unserer Sicht wäre hier Versachlichung und ernsthafter Dialog aller Akteure, damit also auch mit den Fans, hilfreich. (Faszination Fankurve, 12.07.2014)

Fanfotos SV Eintracht Trier 05




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