27.02.2009 - Polen

„In Polen gibt es mehrere hundert Fanszenen“


Heute veröffentlicht Faszination Fankurve den ersten von insgesamt drei Teilen eines Interviews mit einem Redakteur des polnischen Fanzines „To My Kibice“ (TMK). Darin geht es um das Magazin selbst, aber natürlich auch darum, wie sich das Fußballfansein in Polen darstellt.

Faszination Fankurve: Bitte erzähl uns doch etwas über das polnische Fanmagazin „To My Kibice“, das Du veröffentlichst? Mit welchen Themen beschäftigt Ihr euch im Heft hauptsächlich? Erzähl uns etwas über Verkaufsorte und wann die erste Ausgabe erschienen ist.

TMK: „To My Kibice“ ist das einzige offizielle polnische Fanmagazin. Thematisch beschäftigt man sie sich mit der Ultra- und Hooliganszene in Polen. Zu kaufen gibt es das seit 2001 monatlich erscheinende Heft in Presseläden, in Buchläden der polnischen Kette „Empik“ und in speziellen Shops der einzelnen polnischen Ultraszenen. Insgesamt gibt es im gesamten Land mehrere hundert Verkaufsstellen.

Faszination Fankurve: Was bedeutet der Name „To My Kibice“ übersetzt?

TMK: Frei übersetzt bedeutet es „Wir sind die Fans“. Dieser Ausruf ist ein beliebter Schlachtruf in Polen. Den singen zum Beispiel die Szenen von Slask Wroclaw und LKS Lodz mit ihrem Vereinsnamen angehängt. Zum Beispiel „To My, Kibice Lodzi!“.

Faszination Fankurve: Fans aus welchen Fanszenen arbeiten für das Magazin?

TMK: Die beiden Hauptredakteure sind GKS Belchatow-Fans, aber wir haben Helfer in vielen verschiedenen Fanszenen. Wichtige Leute, die uns helfen sind Fans von LKS Lodz und kleineren Szenen wie Szombierki Bytom, Baltyk Gdynia und Pogon Lebork.

Faszination Fankurve: Was hat es mit den Sonderausgaben „To My Kibice +“ auf sich?

TMK: „TMK+“ ist ein Sonderheft von uns, das seit 2003 alle drei Monate erscheint und das TMK-Heft ergänzt, welches über die polnische Fanszene berichtet. In „TMK+“ geht es nur um Fanszenen aus anderen Ländern. In Polen interessieren sich die Leute in den Fanszenen, im Gegensatz zu vielen anderen Ländern fast nur für die Fanszenen im eigenen Land. Ich denke, dass das mit Italien vergleichbar ist. Mit „TMK+“ wollen wir Leute ansprechen, die auch über den eigenen Tellerrand gucken möchten und sich für Themen aus Europa und Süd-Amerika interessieren.

Faszination Fankurve: Wie sind die Fankurven in Polen organisiert. Welche Gruppen von Fans sind dort anzutreffen?

TMK: In den achtziger und neunziger Jahren gab es die Unterscheidungen zwischen Ultras und Hooligans noch nicht. Alle standen zusammen. Heutzutage hat sich die Mode aus Westeuropa auch in Polen durchgesetzt. Man findet viele Gruppen. Besonders häufig sind zwei Arten. Zum einen sind dies typische Hooligangruppen. Diese Gruppen haben meistens Mitgliederzahlen zwischen 10 und 100 Leuten. Zum anderen sind dies Tifo-Gruppen, die sich um die Herstellung von Choreografien kümmern. Diese Gruppen haben meistens nur bis zu circa 25 Mitglieder. Eine Ausnahme sind die Ultras Jagiellonia Białystok, die circa 80 Mitglieder haben. Es ist wichtig zu erwähnen, dass die meisten Ultras und Hooligans in Polen keiner Gruppe angehören. Die Fans identifizieren sich einzig und allein mit Ihrem Verein. Das hat in meinen Augen den Vorteil, dass alle Fans unter dem gleichen Namen auftreten und es keine Konflikte innerhalb einer Fanszene gibt, wie man sie zum Beispiel aus Italien und Frankreich kennt. Außerhalb der Fansektoren befinden sich die Fans, die Leute aus den Fanszenen „Picknick-Fans“ oder normale Supporter nennen. Diese singen manchmal unsere Lieder mit, manchmal fahren sie zu Auswärtsspielen. In den Fanszenen beschäftigt man sich mit diesen Leuten und ihren Meinungen nicht.

Faszination Fankurve: Welches sind die größten und wichtigsten Fanszenen in Polen?

TMK: Die momentane Nummer eins ist Lech Poznań. In der Vergangenheit war Legia Warszawa meiner Meinung nach besser. Zur Zeit hat diese Fanszene aber zu viele Probleme, um eine Führungsposition einzunehmen. Meiner Meinung nach sind folgende Szenen noch wichtig: Lechia Gdańsk, Wisła Kraków, Ruch Chorzów, Widzew Łódź, ŁKS Łódź, Górnik Zabrze, GKS Katowice, Jagiellonia Białystok, Zagłębie Sosnowiec, Cracovia Kraków, Śląsk Wrocław, Arka Gdynia und Pogoń Szczecin.

Faszination Fankurve: Welche Fanszenen aus den unteren Ligen genießen einen guten Ruf?

TMK: In Polen gibt es mehrere hundert Fanszenen von der ersten bis zur siebten Liga. Auch in den unteren Ligen reisen die Fans zu Auswärtsspielen. Häufig sind auch Hooligan- und Ultragruppen vorhanden. Unterhalb der dritten Liga wären folgende Szenen hervorzuheben: Resovia Rzeszów, Stal Rzeszów, Unia Tarnów, Hutnik Kraków, JKS Jarosław, Radomiak Radom, Zaglebie Sosnowiec, Pogon Szczecin, Zawisza Bydgoszcz, Stomil Olsztyn und Rakow Czestochowa.

Faszination Fankurve: In Deutschland hört man Fangesänge meistens nur aus den Fankurven. Welche Teile des Stadions beteiligen sich in Polen in der Regel an der akustischen Unterstützung der Mannschaft?

TMK: Ich weiß auch nicht, wieso in Deutschland nicht alle Leute im Stadion singen mögen. Aber um ehrlich zu sein: In Polen singen auch nur in den großen Städten bei bestimmten Spielen alle mit. In vielen anderen Stadien ist dies eher die Ausnahme und kommt lediglich nach einem Tor vor. Ich denke, dass die Situation also zu vielen anderen europäischen Ländern vergleichbar ist. (Faszination Fankurve, 27.02.2009)

Der zweite Teil des Interviews wird am kommenden Freitag veröffentlicht. Dabei geht es dann um Themen wie Gewalt im polnischen Fußball und die Bedeutung von Fanfreundschaften.

Fanfotos Polen




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