21.05.2011 - Polen

FSE kritisiert polnischen Anti-Hooligan-Pakt scharf!


Vor kurzem veröffentlichte die polnische Regierung in Zusammenarbeit mit dem polnischen Fußballverband PZPN ein Maßnahmenkatalog, wie die Gewalt rund um Fußballspiele im Gastgeberland der EM 2012 bekämpft werden soll. Die Football Supporters Europe (FSE) halten das Paket für kontraproduktiv.

Faszination Fankurve dokumentiert die Stellungnahme der Football Supporters Europe:

Vollsperrung von fünf Erstliga-Fußballstadien bis auf weiteres und Auswärtsfahrtverbote für Fans ganzer Ligen: sie sind Teil eines repressiven Maßnahmenpakets der polnischen Regierung, geschnürt vergangene Woche nach zunehmendem öffentlichen Druck aus ganz Europa angesichts der herannahenden EURO2012. Das Ziel: Bekämpfung der anhaltenden Gewalt im polnischen Fußball, mit den medial in Europa vielbeachteten gewaltsamen Vorfällen beim Pokalfinale zwischen Legia Warschau und Lech Posen als vorläufigem Höhepunkt. FSE sagt: Diese Maßnahmen sind zum Scheitern verurteilt!

FSE als repräsentatives europäisches Netzwerk von Fußballfans mit Mitgliedern in 36 Ländern unterstreicht hiermit eindeutig und klar die Ablehnung aller Gewalt und Diskriminierungsformen. Wir unterstützen jegliche sinnvollen und differenzierten Ansätze, die zu einer nachhaltigen Bekämpfung der bestehenden Probleme im Fußball in Europa führen. Gerade deshalb sind wir sehr besorgt über die Reaktionen der Regierung auf die Gewaltvorfälle im Fußball in Polen.

Alle Fans, auch die friedlichen und verantwortungsbewussten, von der ersten bis zur fünften Liga sollen für Verfehlungen einer Minderheit und die teilweise jahrelange Vernachlässigung der bestehenden Probleme mit Gewalt und Diskriminierung im polnischen Fußball büßen. Zahlreiche internationale Beispiele der letzten Jahren zeigen allerdings, dass eine solche kurzfristig-orientierte Strategie der Kollektivbestrafung ganzer Fanszenen nicht zur Isolierung der Minderheit der Übeltäter, sondern vielmehr zu einem Solidarisierungseffekt großer Teile der Fanszenen mit diesen führen kann. Hooligangruppen oder auch politische Parteien, oft aus dem rechten Spektrum, sind oft die ersten, die solche Situationen zu ihren Zwecken manipulativ zu nutzen versuchen um sich neue Mehrheiten mithilfe der Fans zu schaffen.

Schon deshalb rufen wir die Institutionen in Polen dringend zu einem Überdenken des jüngsten Kurses auf. Wir würden uns vielmehr über eine Bereitschaft seitens der Verantwortlichen freuen, die Vorfälle der letzten Wochen gemeinsam mit allen Parteien UND den Fans differenziert und kritisch zu diskutieren und an einer gemeinsamen, langfristigen Lösung zu arbeiten, im Sinne einer friedvollen EURO2012 und darüber hinaus.

In Vorbereitung auf die EURO2012 wurden mit der Gründung der ersten professionellen pädagogischen Fanprojekte und der Einbeziehung der Fans in die Turnierplanungen bereits einige vorbildhafte und vielversprechende Schritte in Polen unternommen, bspw. bei Lechia Gdansk, Slask Wroclaw oder Polonia Warschau. Immer mehr polnische Fans hatten sich in Folge dessen im vergangenen Jahr zudem offen zur Übernahme von mehr Eigenverantwortung bereiterklärt. Sie hatten sich an sozialen Initiativen sowie an Aktionen zur Vermeidung von Gewalt und/oder Diskriminierung beteiligt oder diese sogar selbst initiiert. Die nun getroffenen kurzfristigen Interventionsmaßnahmen richten sich auch gegen das Engagement dieser Fans, und wirken damit kontraproduktiv und können die gemeinsam mit den Fans erreichte positive Entwicklung nachhaltig zunichte machen.

Die positiven Erfahrungen insbesondere in England und Deutschland zeigen, dass eine nachhaltige und stabile Verbesserung der Situation in Bezug auf Gewalt auch im polnischen Fußball nur gemeinsam mit den Fans und nicht gegen sie erreicht werden kann.

Deshalb liegt der Ball auch bei den polnischen Fans selbst. FSE richtet sich bewusst nicht nur an die Institutionen, sondern auch an alle polnischen Fans mit dem Aufruf, sich – auch wenn es schwierig erscheint - nicht von Wut oder Frustration über diese unverhältnismäßigen, kollektiven Bestrafungsmaßnahmen in destruktive Verhaltensmuster gleiten, oder für parteipolitische Interessen und kurzfristige Versprechen im herannahenden Wahlkampf missbrauchen zu lassen.

Vielmehr ist es jetzt gerade wichtig, dass die polnischen Fans sich weiter selbstkritisch und selbstregulierend zur Bekämpfung von Gewalt und Diskriminierung in den Fanszenen dort einsetzen, wo dies bereits begonnen hat, und solche Prozesse überall dort verstärkt anschieben, wo diese noch ausstehen. GLEICHZEITIG sollten sie ihrer Ablehnung der Regierungsmaßnahmen Ausdruck verleihen. Ein solches Engagment und kreative Protestformen sollten allen zeigen, dass die Mehrheit der polnischen Fans nicht das Problem, sondern die Lösung und das Herz eines attraktiven polnischen Fußballs und einer festlichen EURO2012 sind!

Fanfotos Polen




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