03.02.2021 - Zukunft Profifußball

DFL-Taskforce: „Wichtige Impulse & vertane Chancen“


Nachdem die DFL heute den Ergebnisbericht der Taskforce Zukunft Profifußball veröffentlicht hat (Faszination Fankurve berichtete), haben sich mittlerweile auch die sechs Fans, die an der Taskforce beteiligt waren, zu Wort gemeldet und eine erste Bilanz gezogen.

Die beteiligten Fans sehen tiefgreifenden Reformbedarf im deutschen Profifußball und kritisieren, dass Worte, wie „Demut“, die zu Beginn der Corona-Pandemie bei der DFL noch genutzt wurden, nun verschwunden seien. Dem Abschlussbericht der DFL stellen die aktiven Fans eine schlechteres Zeugnis aus, als dem Dialog selbst.

Die aktiven Fans vermissen in dem Abschlussbericht vor allem Maßnahmen zur Integrität des Wettbewerbs. Zwar sei in der Taskforce über ein nationales Financial Fairplay oder eine Luxussteuer diskutiert worden, in den Ergebnisbericht schafften es diese Themen aber nicht. Der Fanvertreter Dario Minden erklärte dazu: „Leider scheut ein in vielen anderen Punkten gutes Papier den Kern der corona-unabhängigen Krise des Fußballs: Die wirtschaftlichen Wettbewerbsbedingungen. Wenn sich die Finanzkraft der Bundesligisten weiter so auseinander entwickelt, hat die Liga keine Zukunft. Dann wird die Übermacht des Geldes sowohl den sportlichen Wettbewerb als auch die Fußballkultur zersetzen.“ Manuel Gaber aus der aktiven Fanszene des SC Freiburg ergänzt: „Für einen zukunftsfähigen Profifußball braucht es zwangsläufig auch grundlegende Reformen im wirtschaftlichen Bereich. Wir müssen Finanzdoping durch ein nationales Financial Fairplay stoppen und die ausufernde Kommerzialisierung in die Schranken weisen. Der Abschlussbericht der Taskforce bleibt hier deutlich hinter unseren Erwartungen zurück. Jetzt sind die Vereine gefordert, auf ihre Fans und Mitglieder zu hören und dringend benötigte Reformen umzusetzen.”

Dadurch sei nochmals das Problem offensichtlich geworden, dass die angekündigten Reformen nicht an den Wurzeln der Kernprobleme des deutschen Profifußballs anpacken würden. Notwendige Reformen würden auf die europäische Ebene verschoben, so der Vorwurf der Fans an die DFL.

In dem Bericht genannte Handlungsempfehlungen zu Dialogstrukturen mit Fans und zu Nachhaltigkeit werden von den beteiligten Fans positiv hervorgehoben, ebenso wie Handlungsempfehlungen bei den Themen Frauenfußball, Menschenrechte und Inklusion.

Die Diskussionskultur innerhalb der drei Arbeitsgruppen der Taskforce sei gut gewesen und man habe erstaunlich viele Übereinstimmungen zwischen den 37 an der Taskforce beteiligten Personen finden können, die sich jedoch nicht im Ergebnis wiederfinden würden. „Die Erwartungshaltung an die Arbeit der Taskforce war hoch - die Ergebnisse werden viele organisierte Fans enttäuschen. Das ist vor allem deshalb schade, weil die Diskussionen sehr viel weiter gingen als das Abschlusspapier. Der DFL liegen die Protokolle der einzelnen Sitzungen vor. Ich kann nur dringend empfehlen, auch diese zu berücksichtigen“, hofft Helen Breit aus Freiburg, dass Themen, die nicht im Abschlussbericht gelandet sind, nicht ignoriert werden. Anna-Maria Hass ergänzt: „Die guten - auch kontroversen - Ergebnisse, die wir in der Taskforce erarbeitet haben, werden leider im Endbericht nur teilweise sichtbar. Einmal mehr entsteht der Eindruck, dass die handelnden Personen sich dringend notwendigen Reformen verweigern. Wir sehen dies als Rückschlag für alle Fans an - egal ob im Stadion oder vor dem Fernseher. Es ist vor allem Aufforderung, uns auch in Zukunft für die dringend nötigen Reformen einzusetzen.”

Für die beteiligten Fans war die Taskforce nur ein Zwischenschritt. Man will die DFL und die Clubs nun kritisch begleiten und beobachten, ob die Handlungsempfehlungen auch tatsächlich umgesetzt werden. Nun liege der Ball bei den handelnden Personen, auch in den einzelnen Vereinen. Fanvertreterin Ramona Steding erklärte dazu: „Glaubwürdigkeit bezüglich eines Reformprozesses herzustellen, liegt nun in der Verantwortung der Vereine.” Die Fans appellieren deshalb an Clubs, endlich die Chance auf Veränderungen im deutschen Profifußball zu ergreifen. Vor allem im wirtschaftlichen Bereich erhoffen sich die an Taskforce beteiligten Fans Veränderungen, die über den Abschlussbericht hinausgehen. (Faszination Fankurve, 03.02.2021)


Faszination Fankurve dokumentiert die Pressemitteilung der beteiligten Fans zum Thema:

DFL-Taskforce beendet, der Kampf für Reformen geht weiter

Heute wurde der Abschlussbericht der DFL-Taskforce “Zukunft Profifußball” der Öffentlichkeit vorgestellt. Verteilt über vier Monate und vier Sitzungen haben sich 37 Expert*innen zu sieben Fragestellungen aus dem DFL-Präsidium beraten. Wir - die sechs Vertreter*innen aus Fankreisen - ziehen im Folgenden eine erste Bilanz. Eine umfassende Betrachtung wird in den kommenden Tagen in Form einer Stellungnahme erfolgen.

Wichtige Impulse und vertane Chancen
Der Abschlussbericht ist im klassischen Duktus des Profifußballs geschrieben: Eigentlich ist doch alles gut, das Gute kann noch besser gemacht werden. Diese Haltung wurde auch bei der Pressekonferenz deutlich. Dass wir diese Einschätzung nicht teilen, ist offensichtlich. Wir sehen tiefgreifenden Handlungsbedarf und können bei Weitem nicht attestieren, dass es ausreicht, lediglich den Status Quo zu verbessern. Wir haben intensiv dafür geworben, bereits sprachlich eine kritischere Perspektive einzunehmen - dies ist uns nicht gelungen. Im Frühjahr seitens der DFL noch häufig bemühte Begriffe wie Demut haben sich mittlerweile nicht nur aus dem Handeln der Verantwortlichen, sondern auch aus deren Sprachgebrauch wieder vollständig verabschiedet.

Im Abschlussbericht fehlen wichtige Konkretisierungen, die intensiv diskutiert wurden, im Bericht jedoch ausgelassen worden sind. Dies betrifft vor allem Maßnahmen zur Integrität des Wettbewerbs, d. h. den wirtschaftlichen (Kern-)Bereich des Fußballs: Während in den Diskussionen wiederkehrend Lösungsansätze eines nationalen Financial Fairplays oder einer Übermaßabgabe im Sinne einer Luxussteuer genannt wurden, Mehrfachinvestitionen problematisiert und die TV-Geld Verteilung thematisiert wurden, fehlt dies im von der DFL vorgelegten Abschlussbericht. Die Auslassungen verdeutlichen den Widerstand, zu den Wurzeln und Kernproblemen im Fußball durchzudringen. Stattdessen wird eine weitere Vermarktung des Fußballs als wesentlich propagiert, der weitere Ausverkauf des Fußballs positiv gerahmt und bei dringend notwendigen Reformen auf die europäische Ebene verwiesen. Darüber hinaus vermissen wir die Betonung der Rechtsform von Fußballvereinen als eingetragenen Vereinen und der damit einhergehenden 50+1-Regel als Grundlage für demokratische Prozesse, Mitbestimmung und die gesellschaftliche Verankerung des Fußballs.

Gleichwohl finden wir im Abschlussbericht Handlungsempfehlungen wieder, die sich mit den erarbeiteten Positionen vieler Fans decken: Denn auch aus Sicht der Taskforce-Mitglieder bedarf es einer deutlichen Verbesserung der Dialogstrukturen mit Fans auf lokaler und bundesweiter Ebene (DFL-Kommission Fans & Fankulturen, Gütekriterien Club-Fan-Dialog). Nachhaltigkeit muss im deutschen Fußball auf allen Ebenen verbindlich Einzug halten (ESG-Kriterien). Ein inklusiver Fußball ist das Ziel. Dafür müssen Diversitäts-Strategien entwickelt und umgesetzt werden. Die Implementierung eines umfassenden Menschenrechtskonzepts wird langfristig zu erheblichen Verbesserungen - besonders bezüglich fragwürdiger Kooperationsverhältnisse - führen. Der Fußball ist aufgefordert, in allen Bereichen verantwortungsvoller, transparenter, sozialer und nachhaltiger zu handeln. Aufgeworfen wurde auch die Frage, wie die DFL den Frauenfußball fördern soll. Hier wurde klar formuliert, dass der Frauenfußballl unterstützt werden soll, jedoch ohne ihn zu vereinnahmen.

Lob für die Diskussionen, Kritik an Prozess und Ergebnispräsentation
Wie bereits mehrfach öffentlich betont, wollen wir die Diskussionskultur, die konstruktive Auseinandersetzung und den Mehrwert der Diskussionsprozesse zwischen den Taskforce-Mitgliedern besonders positiv hervorheben: Wir haben die Diskussionen durchweg als fruchtbar empfunden. Es war erstaunlich, wie viele Übereinstimmungen es trotz der unterschiedlichen Interessenlagen gab und wie umfassend wesentliche Bereiche im Fußball in so kurzer Zeit beleuchtet wurden. Umso bedauerlicher, dass sich dies nicht in der öffentlichen Präsentation wiederfindet.

Bereits während des Prozesses haben wir z. T. erhebliche Kritik an der Engführung der Diskussionen durch die vorab vorgegebenen Fragestellungen sowie an der Dokumentation der Diskussionen geübt. Diese Kritik wurde zwar aufgenommen, hat jedoch nicht zu einer veränderten Vorgehensweise geführt. Dies zeigt sich nun auch im Abschlusspapier, das insbesondere im Abgleich mit den Protokollen ein gefiltertes Ergebnis der Diskussionen präsentiert.

DFL-Taskforce: Weder der Anfang, noch das Ende
Für uns war und ist die DFL-Taskforce ein Zwischenschritt auf dem langwierigen Weg zu Reformen im Fußball. Im Frühjahr und im Sommer 2020 haben etliche Fanorganisationen und -initiativen verdeutlicht, dass der Fußball dringend Veränderungen braucht. Der Erklärung von Unser Fußball haben sich eine halbe Million Menschen angeschlossen. Die Faninitiative Zukunft Profifußball (ZPF) hat anschließend Konzepte für Reformen im Fußball ausgearbeitet. Wir werden die angekündigte Umsetzung der Handlungsempfehlungen aus der Taskforce kritisch begleiten, die Empfehlungen aus den ZPF-Konzeptpapieren vorantreiben und auch in Zukunft alle Finger, die wir haben, in die Wunde legen.

Doch letztlich liegt es nicht an uns, Reformen im Fußball umzusetzen. Die Macht für Veränderungen liegt bei den handelnden und in Verantwortung stehenden Personen, sie liegt bei den Vereinen. Seit nun fast einem Jahr wurden vielfältige, kluge und durchdachte Vorschläge von verschiedenen Seiten unterbreitet, wie der Fußball sich weiterentwickeln kann, sollte und muss.

Wir appellieren an alle Vereine: Ergreift endlich die Chance, gemeinsam die Zukunft des Fußballs zu gestalten! Pickt euch nicht nur die Themen heraus, die euch in der Umsetzung leicht fallen oder sowieso schon auf eurer Agenda standen! Wir brauchen weitreichende Reformen, auch und vor allem im wirtschaftlichen Bereich, um den Profifußball in Deutschland zukunftsfähig aufzustellen. Beginnt endlich, heute für morgen zu handeln!

Helen Breit, Manuel Gaber, Anna-Maria Hass, Dario Minden, Christian Schmidt und Ramona Steding am 03.02.2021.

Freigegebene Zitate der Taskforce-Mitglieder:

Helen Breit:
“Die Erwartungshaltung an die Arbeit der Taskforce war hoch - die Ergebnisse werden viele organisierte Fans enttäuschen. Das ist vor allem deshalb schade, weil die Diskussionen sehr viel weiter gingen als das Abschlusspapier. Der DFL liegen die Protokolle der einzelnen Sitzungen vor. Ich kann nur dringend empfehlen, auch diese zu berücksichtigen.”

Anna-Maria Hass:
“Die guten - auch kontroversen - Ergebnisse, die wir in der Taskforce erarbeitet haben, werden leider im Endbericht nur teilweise sichtbar. Einmal mehr entsteht der Eindruck, dass die handelnden Personen sich dringend notwendigen Reformen verweigern. Wir sehen dies als Rückschlag für alle Fans an - egal ob im Stadion oder vor dem Fernseher. Es ist vor allem Aufforderung, uns auch in Zukunft für die dringend nötigen Reformen einzusetzen.”

Dario Minden:
“Leider scheut ein in vielen anderen Punkten gutes Papier den Kern der corona-unabhängigen Krise des Fußballs: Die wirtschaftlichen Wettbewerbsbedingungen. Wenn sich die Finanzkraft der Bundesligisten weiter so auseinander entwickelt, hat die Liga keine Zukunft. Dann wird die Übermacht des Geldes sowohl den sportlichen Wettbewerb als auch die Fußballkultur zersetzen.”

Christian Schmidt:
“Die Diskussionen in der Taskforce haben gezeigt, dass die Teilnehmenden zu einem vielfältigeren Input und Lösungsansätzen bereit gewesen wären. Die Abschlusssitzung war sehr von Zeitdruck geprägt. Deshalb ist es notwendig den begonnenen Prozess der Taskforce zu verstetigen.”

Ramona Steding:
“Die Taskforce hat gezeigt, wie viel Potenzial in der Einbindung vieler Interessengruppen liegt. Zwar kommt diese Schlagkraft im Abschlussbericht nicht durch, gleichwohl haben wir nun einige Punkte schwarz auf weiss, an denen alle das Handeln der Vereine messen können. Ich bin enttäuscht, dass die Meinungs- und Interessenvielfalt nicht den Weg in das Abschlusspapier gefunden hat. Glaubwürdigkeit bezüglich eines Reformprozesses herzustellen, liegt nun in der Verantwortung der Vereine.”

Manuel Gaber:
“Für einen zukunftsfähigen Profifußball braucht es zwangsläufig auch grundlegende Reformen im wirtschaftlichen Bereich. Wir müssen Finanzdoping durch ein nationales Financial Fairplay stoppen und die ausufernde Kommerzialisierung in die Schranken weisen. Der Abschlussbericht der Taskforce bleibt hier deutlich hinter unseren Erwartungen zurück. Jetzt sind die Vereine gefordert, auf ihre Fans und Mitglieder zu hören und dringend benötigte Reformen umzusetzen.”






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