03.02.2020 - Babelsberg/Chemie Leipzig

„Daniel Frahn - Heim ins Reich“


Der SV Babelsberg 03 nahm am Freitag kurz vor Ende der Wintertransferperiode Daniel Frahn unter Vertrag, der beim Chemnitzer FC fristlos entlassen wurde, nachdem er sich mit Führungsköpfen der rechten Gruppierung Kaotic Chemnitz aufgehalten hatte (Faszination Fankurve berichtete).

Frahn zog gegen die Entscheidung des Chemnitzer FC vor das Arbeitsgericht und bekam Recht. Am vergangenen Mittwoch löste der Chemnitzer FC den Vertrag mit Frahn, der durch die Gerichtsentscheidung weiter Bestand hatte, einvernehmlich auf. Man hatte sich mit Frahn außergerichtlich geeinigt.

Somit war der Weg für Frahn für einen Wechsel zum Regionalligisten Babelsberg 03 frei. Der SVB kämpft aktuell in der Regionalliga Nordost gegen den Abstieg. Schon von 2007 bis 2010 spielte der in Potsdam geborene Frahn für den dortigen SV Babelsberg 03. In den Wochen vor seiner offiziellen Rückkehr zu Babelsberg 03 hielt er sich in der Mannschaft bereits fit und trainierte beim Regionalligisten.


Ins öffentliche Interesse war Frahn, der an mehreren seiner bisherigen Stationen als Spieler einen engen Kontakt zu jeweiligen aktiven Fanszene pflegte, zu Chemnitzer Zeiten geraten, als er am 09. März 2019 beim Heimspiel gegen Altglienicke nach seinem Tor in der 53. Minute ein „Support your local Hools“ T-Shirts hochhielt. Vor Anpfiff fand bei diesem Spiel die umstrittene „Ruhe in Frieden, Tommy“-Gedenkaktion für den verstorbenen CFC-Fan Thomas H., der in der rechten Szene in Chemnitz fest verankert gewesen sein soll, statt (Faszination Fankurve berichtete). Die Shirts, von denen Frahn eines hochhielt waren hergestellt worden, um den damals kranken Thomas H. zu unterstützen.

Archibald Horlitz, Vorstandsvorsitzender von Babelsberg 03, erklärte zur Frahn-Verpflichtung: „Nach den Gesprächen mit Daniel Frahn bin ich überzeugt, dass er keine Nähe zu rechtem Gedankengut hat. Aber es besteht auch kein Zweifel daran, dass sein Agieren in Chemnitz kritisch zu hinterfragen war. Dies haben wir ausführlich getan und sind zu dem Schluss gekommen, dass wir, unter Berücksichtigung aller Aspekte und seinem klaren Bekenntnis zu den Werten unseres Vereins, ihn willkommen heißen.“


Frahn selbst erklärte zu seinem Wechsel zu Babelsberg 03, also zu einem Verein, dessen Fanszene für antirassistisches und antifaschistisches Engagement bekannt ist: „Ich bin mit den Werten des SVB großgeworden und trage diese auch in mir. Ich habe in der Vergangenheit Fehler gemacht. Ich habe Situationen, Hintergründe und Leute nicht ausreichend hinterfragt und bin somit auch meiner Rolle als Kapitän und Spieler nicht gerecht geworden. Aber ich bin kein Nazi und distanziere mich eindeutig von rechtem Gedankengut und Menschen mit dieser politischen Einstellung. Mit meiner Rückkehr zum SVB will ich mich nicht reinwaschen. Ich bin hier, weil ich meinen Heimatverein in einer sportlich schwierigen Situation sehe, helfen möchte und weil mich diese sportliche Herausforderung reizt.“ Beim Verein betonte man, dass man sich dafür einsetze, Menschen eine zweite Chance zu geben und Integration durch Sport funktioniere.

So kam es dann, dass Frahn gestern wieder im Kader von Babelsberg 03 stand. Mit der BSG Chemie Leipzig war ein Verein in Babelsberg zu Gast, dessen Fanszene ebenfalls für ihre antifaschistische Grundhaltung bekannt ist. Und so wurde die Frahn-Verpflichtung des Ligarivalen im Gästeblock schon beim Warmmachen zum Thema gemacht. Die Chemie-Fans zeigten Spruchbänder, auf denen „SVB03 - Ein Fußbreit den Faschisten“ und „SVB: Im Abstiegskampf ist jedes Mittel rechts“ geschrieben stand.

Im Fanlager von Babelsberg 03 dürfte die Personalie ebenfalls kontrovers diskutiert worden sein. Doch offensive Statements der Nulldrei-Fans gegen Frahn waren gestern im Karl-Liebknecht-Stadion nicht zu sehen. Mit „Alles für den Klassenerhalt“ wurde der Fokus der Nulldrei-Fans vielmehr auf das sportliche Ziel gelenkt.

Lediglich die Zaunfahne der Brigade Konrad Wolf soll wegen der Frahn-Verpflichtung auf dem Kopf gehangen haben. Die Gruppe kritisierte Archibald Horlitz, den Vorstandsvorsitzender von Babelsberg 03 zudem für seine Aussagen zum Thema Frahn: „Deine Worte sind ein Schlag in das Gesicht eines*r jeden*rAntifaschist*in!“ und „Reflektierende Haltung sind anders aus, Archibald! Das ist an Peinlichkeit kaum zu überbieten und macht wütend! Der Babelsberger Weg sieht unserer Auffassung nach anders aus und Du bist auf dem Horlitzer Holzweg!“, teilte die Brigade Konrad Wolf dazu via Facebook mit.


Als Frahn gestern in der 76. Spielminute für Nattermann eingewechselt wurde, zeigten die mitgereisten Chemie-Fans noch ein weiteres Spruchband zum Thema. „Daniel Frahn - Heim ins Reich“, war darauf in Anlehnung an die „Heim ins Reich“-Parole aus den Zeiten des Nationalsozialismus, mit der die Bestrebungen gemeint waren, Österreich, das Sudetenland und weitere Regionen ins Deutsche Reich zu holen, zu lesen. Dazu brüllte der Gästeblock während der Frahn-Einwechslung „Nazis raus“. Von Babelsberg 03-Fans auf der Haupttribüne gab es hingegen Applaus für Frahn:

Beim Einlaufen der Mannschaften zeigten die Chemie-Fans zuvor noch eine Choreografie mit einer „CHEMIE LEIPZIG“-Fahne, bei der in der Mitte ein Sensenmann mit „Ultras“-Schriftzug abgebildet war. Hinter der Fahne kam zudem ein grün-weißes Fahnenmeer zum Vorschein.


Babelsberg gewann das gestrige Heimspiel vor 3.003 Zuschauern (darunter etwa 700 Gästefans) im Karl-Liebknecht-Stadion durch ein Tor von Valentin Rode in der 32. Minute mit 1:0 und holte somit drei wichtige Punkte im Abstiegskampf. (Faszination Fankurve, 03.02.2020)






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