07.06.2021 - TSG Hoffenheim

„Das Fass ist voll!“: Fanszene Hoffenheim kritisiert Hopp


Unter dem Namen „Fanszene Hoffenheim“ haben sich Fangruppen der TSG Hoffenheim, wie die B-Block Brigade, das Crescendo Hohenlohe und die Young Boyz kritisch gegenüber TSG-Mäzen Dietmar Hopp zu Wort gemeldet. In den Augen der TSG-Anhänger sei das Fass nun voll.


Im Umfeld des Rhein-Neckar-Stadions in Sinsheim brachten die Gruppen Spruchbänder an. „Wer den Sonnenkönig kritisiert wird schnellstmöglich aussortiert“, war auf einem Plakat zu lesen, bei dem die Initialen von Dietmar Hopp farblich hervorgehoben waren. „Wer Briefkastenfirmen mit Rogon nicht ehrt ist für Hopp nichts wert!“, „Den Golfkumpel im Verein installiert - Einen echten TSG-ler degradiert - Deine Vetternwirtschaft kotzt uns an!“, „Kritik wird in keinster Weise geduldet - Dabei ist diese selbst verschuldet“ und „Peter Görlich - Ehrenmann“ stand auf weiteren Spruchbändern geschrieben.


„Aufgrund der seit Monaten anhaltenden Geschehnisse rund um die Person Dietmar Hopp und wie er unseren Verein repräsentiert bzw. in diesem immer noch agiert, sehen wir uns nun gezwungen, dazu Position zu beziehen“, begründete die Fanszene Hoffenheim die eigene Aktion.


Hintergrund der Protestaktion der TSG-Fans gegen Dietmar Hopp ist die Trennung von Dr. Peter Görlich. Dieser kam 2014 zur TSG Hoffenheim, war seit Oktober 2015 Geschäftsführer der TSG 1899 Hoffenheim Fußball-Spielbetriebs GmbH und wurde zum 01. Juni 2021 von den Gesellschaftern Dietmar Hopp und Kristian Baumgärtner abberufen.

Sein Ausscheiden bei der TSG begründete Görlich in einer Pressemitteilung mit einem tiefgreifenden Wandel von Gesellschaft, Wirtschaft und Sport, ausgelöst durch die Folgen der Covid 19-Pandemie: „Diese Erneuerung möchte ich mit meiner Expertise und insbesondere auch mit meinem Werteverständnis aktiv begleiten und mitgestalten.“ Ein Weiterso nach dem Motto „Höher, schneller, weiter“ könne es nicht geben, so Görlich: „Wir stehen vor immens großen Herausforderungen, den modernen Fußball in der Gesellschaft so zu positionieren, dass er für die Menschen bedeutsam bleibt und sie sich mit der Fußballkultur auch weiterhin identifizieren können. Gefragt sind künftig neue Geschäftsmodelle mit einem Mehr an Miteinander, Respekt und Verantwortung. Dazu will ich einen entscheidenden Beitrag leisten.“ Dietmar Hopp, Mehrheitsgesellschafter bei der TSG erklärte zum Ende der Görlich-Ära: „Zuletzt wurde immer deutlicher, dass es unterschiedliche Auffassungen darüber gab, wie die TSG Hoffenheim aufgestellt und geführt werden soll. Deshalb haben wir uns zu diesem Schritt entschieden.“


Doch in der Fanszene der TSG Hoffenheim kam dieser Schritt überhaupt nicht gut an. Auf den Plakaten wurde Görlich als „Ehrenmann“ und „Echter TSG-ler“ bezeichnet. Laut eines Berichts des Kickers soll Görlich in Hoffenheim in Ungnade gefallen sein, weil er sich zur Nähe von Hopp zur Beraterfirma von Roger Wittmann geäußert haben soll. Über Verflechtungen zwischen Wittmann, einem Fußballclub in Brasilien und der TSG Hoffenheim berichtete der Kicker zuletzt ebenfalls. Auf diese Recherchen bezog sich das „Wer Briefkastenfirmen mit Rogon nicht ehrt ist für Hopp nichts wert!“-Spruchband der TSG-Fans.


Bereits im April 2021 kam es zu einer Protestaktion in der Fanszene der TSG Hoffenheim gegen Dietmar Hopp. Die Sektion Kraichgau kritisierte im Nachgang der ZDF-Doku „Der Prozess: Wie Dietmar Hopp zur Hassfigur der Ultras wurde“, dass die TSG Hoffenheim in dem Film keinerlei Stellung nahm. Die Aktion beim Heimspiel gegen des FC Bayern München, bei dem TSG-Mäzen Hopp im Gästeblock beleidigt wurde, sei zudem ein „Schauspiel“ gewesen. „Wir haben dich immer verteidigt, doch das ging zu weit!“ und „Bayern, DFB, Sky und unsere TSG wussten im Vorfeld Bescheid - Ein großes Schauspiel und ihr wart dazu bereit - Stellungnahme zur ZDF-Doku jetzt!!!“, stand im April 2021 auf Spruchbändern der Sektion Kraichgau geschrieben (Faszination Fankurve berichtete). Auch damals waren die Initialen von Dietmar Hopp farblich hervorgehoben.

Bundesweit wird das Vorgehen von Dietmar Hopp mit der TSG Hoffenheim schon seit vielen Jahren von zahlreichen aktiven Fanszenen regelmäßig kritisiert. Neben Bayer Leverkusen und dem VfL Wolfsburg ist die TSG Hoffenheim der dritte Club im deutschen Profifußball, der die 50+1-Regel durch eine Ausnahmeregel nicht mehr erfüllt. Das Bundeskartellamt kritisierte diese Ausnahmen zuletzt (Faszination Fankurve berichtete). (Faszination Fankurve, 05.06.2021)

Update 07.06.2021: Nach der Spruchband-Aktion vom Wochenende veröffentlichte die Fanszene Hoffenheim am Sonntag noch eine Stellungnahme zum Thema, in der ausführlich auf die Beweggründe für die Protestaktion gegen Dietmar Hopp eingegangen wurde.

Faszination Fankurve dokumentiert im Folgenden die Stellungnahme der „Fanszene Hoffenheim“ zur „Causa Hopp“ im Wortlaut, die von B-Block Brigade, Crescendo Hohenlohe, Young Boyz und Sektion Kraichgau veröffentlicht wurde:

Immer wieder sorgte Dietmar Hopp in den vergangenen Jahren für Schlagzeilen. So auch in den letzten Wochen und Monaten. Viele davon mit negativer Assoziierung zum Nachteil der TSG Hoffenheim. Insbesondere wir Fans haben uns jahrelang rückendeckend und zugegebenermaßen selbstprofitierend hinter Herrn Hopp und die mit ihm verbundene, zurecht kritisierte, überdurchschnittliche Einflussnahme im Fußball gestellt.

Die Abberufung von Geschäftsführer Dr. Peter Görlich, einem der wenigen Mitarbeiter aus der Region, kam überraschend und brachte bei uns das Fass zum Überlaufen. Zu oft wurden wir Fans in der Vergangenheit mit vetternwirtschaftlichen Personalentscheidungen hintergangen. Und jedes Mal haben wir Fans das einfach so hingenommen. Wohl wissend, dass es die TSG ohne Dietmar Hopp in dieser Form nicht geben würde. Eine differenzierte Auseinandersetzung unsererseits ist inzwischen unumgänglich und findet deshalb statt.

Für uns ist die Umstrukturierung der Geschäftsführung nicht nachzuvollziehen. Laut übereinstimmenden Medienberichten lässt sich diese Entscheidung ohne Zweifel auf Mäzen und Mehrheitsgesellschafter Dietmar Hopp zurückführen. Schon 2014 kündigte Hopp an, sich ab dem Zeitpunkt aus dem operativen Geschäft herauszuhalten, in dem die TSG schwarze Zahlen schreibt. Das ist längst der Fall und trotzdem mischt sich Herr Hopp, der als Gesellschafter weiter 96% der „Fußball-Spielbetriebs GmbH“ hält, weiter und ohne erkennbare Not in jenes operative Geschehen ein – Dr. Peter Görlich wurde abgesägt, da er sich zu kritisch gegenüber den freundschaftlichen Beziehungen zwischen Herrn Hopp und Roger Wittmann äußerte.

Wittmann‘s Berateragentur „ROGON“ platzierte in der Vergangenheit überdurchschnittlich viele Spieler bei unserem Verein. Davon allein zwölf in der abgelaufenen Saison, wenn man Profimannschaft, U23 und Leihgeschäfte addiert. Erst in dieser Woche wurden zwei Perspektivspieler aus Frankreich verpflichtet, die ebenfalls mit „ROGON“ in Verbindung gebracht werden. Zufall? Wohl eher nicht.

Hinzu kommen die Berichte über den „Barra Futebol Clube“, einem Amateurverein aus dem Süden Brasiliens, hinter dem ein unübersichtliches Geflecht aus diversen Holdings steckt, dessen Fäden zu Roger Wittmann und Dietmar Hopp führen.

Tatsachen, die einen kritischen Unterton mehr als legitimieren. Kritik, die in Hoffenheim grundsätzlich nicht erwünscht ist. Es wird Zeit, dass hier die Karten auf den Tisch gelegt und die intransparenten und moralisch fragwürdigen Spielervermittlungen beendet werden!

Dass Herr Hopp überaus empfindlich auf Kritik reagiert ist inzwischen hinlänglich bekannt. Er sonnt sich gerne als selbstloser Gönner, als ‚Mann des Volkes‘ und wird von seinen prominenten Freunden als „Ehrenmann“ oder „letztem echten Fußballfan“ bezeichnet. Worte, die man allmählich hinterfragen sollte. Ein Ehrenmann würde diese Machenschaften in Brasilien nicht betreiben, er würde mit Kritik umgehen können und nicht reagieren wie ein kleines Kind.

Ein Ehrenmann hätte inzwischen auch einen Weg gefunden, sich mit teils diffamierenden Darstellungen und Äußerungen gegnerischer Fans zu arrangieren. Stattdessen wird mit Anzeigen um sich geworfen und somit noch mehr Öl ins Feuer gegossen.

Die direkten Konsequenzen der mangelnden Kritikfähigkeit bekommt nun nicht nur Herr Dr. Görlich zu spüren, sondern auch die TSG. Vor einem Jahr wurde überraschend Denni Strich in der Geschäftsführung installiert. Dass Herrn Strich nun eine größere Rolle zuteilwird, verwundert nicht. Schließlich wird auch ihm eine persönliche Nähe zu Dietmar Hopp nachgesagt. Diese Vetternwirtschaft darf nicht auf dem Rücken des Vereins ausgetragen werden. So stellt sich am Ende für uns Fans als Basis eines jeden Vereins die Frage, ob es sich bei all den jahrelangen Interventionen Hopp‘s noch immer lediglich um den Herzenswunsch, ‚seinen‘ Dorfverein in der 1. Bundesliga zu sehen, handelt.

Fanszene Hoffenheim

6. Juni 2021

Fanfotos TSG Hoffenheim




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