13.04.2021 - Anstoßzeiten

Das letzte Montagsspiel in 1. Bundesliga: Danke für Nichts


Gestern Abend ging das letzte Montagsspiel der 1. Bundesliga über die Bühne. Zur Saison 2017/2018 wurde diese fanunfreundliche Anstoßzeit im Oberhaus eingeführt. Die Abschaffung des unbeliebten Montagabendtermins ist dem kontinuierlichen Protest der aktiven Fanszenen zu verdanken. Ein Kommentar:

Mit der Partie TSG Hoffenheim gegen Bayer Leverkusen schloss sich gestern ein Kapitel, das in den vergangenen Jahren aufzeigte, wie die Zuschauer*innen vor den Fernsehgeräten zunehmend in den Fokus der DFL und der dort organisierten Clubs gerieten. Die Leidtragenden waren vor allem wieder die Stadiongänger*innen und Fans, die zu Auswärtsspielen reisen. Fanunfreundliche Anstoßzeiten nahmen in den Vorjahren bereits zu. Mit fünf Montagsspielen pro Saison bekamen nun auch Fans von Erstligisten eine fanunfreundliche Anstoßzeit zu spüren, gegen die Fans von Zweitligisten schon seit Jahrzehnten protestierten. Doch durch die Einführung im Oberhaus bekamen die Proteste gegen Montagsspiele eine neue Dynamik. Das Fass war endgültig voll und die Spieltagszerstückelung viel zu weit gedreht.

Mit kreativen Aktionen sorgten aktive Fanszenen für Spielunterbrechungen, Stimmungsboykotte oder klärten mit zahlreichen Spruchbändern über das Thema auf. Am Ende war der Preis bei Ligaverband und Clubs wohl zu hoch. Nach massiven Fanprotesten hatten die in der DFL organisierten Bundesligisten bereits im September 2018 entschieden, dass Montagsspiele in der Bundesliga zur Saison 2021/2022 der Vergangenheit angehören werden (Faszination Fankurve berichtete). Zur nächsten Saison gilt nun der neue TV-Vertrag und Montagsspiele sind nicht nur in der 1., sondern auch in der 2. Bundesliga Geschichte.

Aktive Fans können sich nun also freuen, im Kampf gegen fanunfreundliche Anstoßzeiten einen Erfolg verbucht zu haben. Doch wie so häufig zeigt sich auch bei diesem fanpolitischen Engagement der aktiven Fanszenen, dass Fanpolitik in Deutschland größtenteils ein Abwehrkampf bleibt. Klar ist es ein großer Erfolg für fast alle Stadionbesucher*innen, dass die Montagsspiele in der Bundesliga abgeschafft werden. Doch zufrieden mit den Anstoßzeiten im deutschen Profifußball dürfte aktuell keine Fanszene sein (hier erfahrt ihr, wie die Anstoßzeiten ab der Saison 2021/2022 aussehen werden).

Die coronabedingten Geisterspiele haben den Fokus hin zu den Zuschauenden vor den Fernsehgeräten und weiter weg von den Fans in den Stadien gelenkt. Nur um den Status Quo ohne Montagsspiele in der 1. Bundesliga aus dem Jahr 2017 wieder zu erreichen, brauchte es eine enorme Protestwelle der aktiven Fanszenen. Auch im Jahr 2021 bleibt der Kampf der aktiven Fanszenen vor allem ein Abwehrkampf. Man hofft die Gegebenheiten vor der Corona-Pandemie auch dann noch vorzufinden, wenn die Stadien wieder voll ausgelastet sind. Doch zufrieden mit dem Status Quo vor der Pandemie war kaum eine Fanszene.

Die Verbände haben in der Vergangenheit schon oft gezeigt, dass von den aktiven Fans erkämpfte Erfolge und Abwehrkämpfe schon schnell wieder in Frage gestellt werden. Nach dem Fankongress 2007 in Leipzig reduzierte der DFB beispielsweise die Maximaldauer von Stadionverboten und erfüllte damit eine zentrale Forderung aus der Fanszene, nur um die Maximaldauer kurze Zeit später wieder auf das Vorniveau anzuheben. Beim Kampf für den Erhalt der 50+1-Regel, die im deutschen Profifußball den Einfluss von Investoren begrenzt, wehrten aktive Fans im Jahr 2018 einen Angriff auf diese Regelung erfolgreich ab. Im Abschlussbericht der DFL-Taskforce „Zukunft Profifußball“ bekannte man sich im Frühjahr 2021 zwar erneut zu dieser Regel, lenkte gleichzeitig aber wieder den Fokus auf strategische Investoren. Der Kampf gegen zunehmende Investoreneinflüsse im Fußball bleibt somit aktueller denn je. Über die ersten Ergebnisse der Taskforce, die in Pandemiezeiten ins Leben gerufen wurde, herrschte in der aktiven Fanlandschaft große Unzufriedenheit, wie die Stellungnahmen der Fanorganisationen belegen. Zuvor war die Freude in der Fanszene über die Ankündigung des DFB, dass man in Zukunft auf Kollektivstrafen verzichten wolle, auch nur von kurzer Dauer. Vor der coronabedingten Unterbrechung der Bundesliga sorgte vor allem dieses Thema wieder für eine langanhaltende Debatte, weil vielfach der Zusammenhang zwischen Solidarisierungen und der erneuten Aussprache von Kollektivstrafen nicht gesehen wurde.

Die aktiven Fanszenen in Deutschland und die bundesweiten Organisationsformen, wie Fanszenen Deutschlands, der Unsere Kurve e.V., ProFans, Bündnis aktiver Fussballfans (BAFF), das Netzwerk Frauen im Fußball (F_in) sowie Initiativen wie „50+1 bleibt“, „Unser Fußball“, „Zukunft Profifußball“, „Kein Zwanni“ und anderen Zusammenhängen konnten schon häufig unter Beweis stellen, welchen Organisationsgrad aktive Fans in Deutschland erreicht haben und wie man sich erfolgreich für die Interessen von Stadiongänger*innen und Fans einsetzt.

Auch wenn das Engagement der aktiven Fans meistens wie ein Kampf gegen Windmühlen erscheint, ist es wichtig sich darüber im Klaren zu sein, dass der Fußball in Deutschland heute schon ganz anders aussehen würde, wenn es dieses vielfältige Engagement nicht geben würde. Stehplätze wären ohne das „Sitzen ist für'n Arsch“-Engagement schon in den Neunzigerjahren abgeschafft, die 50+1-Regel spätestens 2018 zu Fall gebracht worden. Eintrittskarten würden heute wahrscheinlich wesentlich mehr Geld kosten, Fanutensilien wären in Gästeblöcken vielleicht gar nicht mehr erlaubt. Doch auch im Kleinen kämpfen die aktiven Fanszenen bei ihren jeweiligen Vereinen und bundesweit kontinuierlich gegen kommerzielle Auswüchse und gegen Personen und Clubs im Profifußball, die vor allem eigene finanzielle Interessen verfolgen.

Wer sich heute also über die Abschaffung der Montagsspiele freut, sollte sich vor allem bei den aktiven Fanszenen und Fanorganisationen bedanken und sicherlich nicht bei den Verbänden. Gleichzeitig sollte nicht vergessen werden, dass Montagsspiele in der 3. Liga auch in der kommenden Saison weiterhin auf der Tagesordnung stehen. Hier kann sich ein Bezahlsender nun im Fußballbereich sogar über mehr Exklusivität am Montagabend freuen. Auch in der 3. Liga gab es zahlreiche Fanproteste gegen diese fanunfreundliche Anstoßzeit, der die Vereine bei Einführung zustimmten. Anders als in der Bundesliga, wo man pro Rechteperiode an kartellrechtliche Bedingungen gebunden ist, könnten DFB, Clubs und Telekom in der 3. Liga zu jedem Zeitpunkt gemeinsam die sofortige Abkehr von Montagsspielen beschließen. Dafür braucht es weiterhin den Protest der aktiven Fanszenen und das nicht nur bei Vereinen der 3. Liga. (Faszination Fankurve, 13.04.2021)






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